Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

wahren können, da Rank wirklich noch einmal um einen Paß nach¬
gesucht hat. -- Das ist der Stand dieser, in den meisten Zeitungen
mit gerechtem Unwillen besprochenen Angelegenheit. Traurig aber ist,
im Allgemeinen, daß in Deutschland bei jeder Bagatellftage so un¬
geheuere Anstrengungen und Auseinandersetzungen nöthig sind, bevor
man einsieht, es sei eine Bagatellfrage; wenn man aber glaubt, es
sei endlich die letzte Krähwinkelei gewesen, so kommt den andern Tag
wieder der alte Schulmeister, und von Neuem muß man die Welt¬
geschichte und das Christenthum, die zehn Gebote und die Menschen¬
rechte in Bewegung setzen, bevor er die drohende Ruthe aus der Hand
legt. Die Erfahrung hat immer nur für den speciellen Fall gegolten.
Sollte man nicht glauben, bei der Rank'schen Paßsrage, das Erzge¬
birge sei eigentlich das Pyrenäengebirge und auf dieser Seite wüthe
ein carlistisch-christinischer Bürgerkrieg, die Polizei aber sei nicht auf¬
geboten worden, um einen harmlosen Novellisten, sondern um einen
gefährlichen Factioso aufzuheben? Diese Tragikomik ist kein blos öster¬
reichischer Zug, wie Mancher, mit dem Balken im Auge, sagen wird.
Preußen ist ja so eben im Begriff, sich mit viel Lärmen um Nichts
in lauter Untersuchungen aufzulösen, und laßt in solchen Dingen noch
weniger mit sich reden, als Oesterreich. Was die übrigen kleinen
Deutschlands betrifft, so sagen wir: H"it dem Manne, der
kein Fremdling ist in Acgvpten, oder einen Heimathsschein auf Lebens¬
zeit besitzt! --

-- Ein Paar ergötzliche Beispiele von gar zu großer Czechophobie werden
in der Augsburger Allgemeinen angeführt. Dort hatte ein Wiener Cor-
respondent behauptet, die Czechomanie grassire bereits in Böhmen der¬
maßen, daß auf der Herrschaft Liboch deutschen Parteien vom Gericht
auf gut Czechisch geantwortet werde. Liboch ist aber ganz deutsch,
eben so der dortige Justitiar, Herr Hable, ein Mann von einigen
achtzig Jahren. Dieser erklärt nun in der Augsburger Allgemeinen,
er wisse sich auf czechisch kaum nothdürftig verständlich zu machen,
um so weniger könne es ihm einfallen, auf seine alten Tage dieses
schwere Idiom schreiben zu lernen; er bitte daher den Wiener Corre-
spondenten, in seinem blinden Eifer nicht "einen deutschen Mitbruder
umzurennen." Jener selbe Correspondent hatte auch von den vielen
russischen Brillantringen in Böhmen gesprochen und in weissagungs¬
vollem Tone gewünscht, daß nicht dereinst eine Kette daraus werde.
Nach einer Berichtigung aus Prag reduciren sich aber die vielen rus¬
sischen Kettenglieder auf vier, deren eins auf einen hohen katholischen
Geistlichen, und eines auf den deutschen Buchhändler Haase kommt,
welcher ein deutsches Werk dem Hofe von Se. Petersburg zugesandt
hat. Wir sind auch keine Freunde von russischen Ringen in Deutsch-


wahren können, da Rank wirklich noch einmal um einen Paß nach¬
gesucht hat. — Das ist der Stand dieser, in den meisten Zeitungen
mit gerechtem Unwillen besprochenen Angelegenheit. Traurig aber ist,
im Allgemeinen, daß in Deutschland bei jeder Bagatellftage so un¬
geheuere Anstrengungen und Auseinandersetzungen nöthig sind, bevor
man einsieht, es sei eine Bagatellfrage; wenn man aber glaubt, es
sei endlich die letzte Krähwinkelei gewesen, so kommt den andern Tag
wieder der alte Schulmeister, und von Neuem muß man die Welt¬
geschichte und das Christenthum, die zehn Gebote und die Menschen¬
rechte in Bewegung setzen, bevor er die drohende Ruthe aus der Hand
legt. Die Erfahrung hat immer nur für den speciellen Fall gegolten.
Sollte man nicht glauben, bei der Rank'schen Paßsrage, das Erzge¬
birge sei eigentlich das Pyrenäengebirge und auf dieser Seite wüthe
ein carlistisch-christinischer Bürgerkrieg, die Polizei aber sei nicht auf¬
geboten worden, um einen harmlosen Novellisten, sondern um einen
gefährlichen Factioso aufzuheben? Diese Tragikomik ist kein blos öster¬
reichischer Zug, wie Mancher, mit dem Balken im Auge, sagen wird.
Preußen ist ja so eben im Begriff, sich mit viel Lärmen um Nichts
in lauter Untersuchungen aufzulösen, und laßt in solchen Dingen noch
weniger mit sich reden, als Oesterreich. Was die übrigen kleinen
Deutschlands betrifft, so sagen wir: H»it dem Manne, der
kein Fremdling ist in Acgvpten, oder einen Heimathsschein auf Lebens¬
zeit besitzt! —

— Ein Paar ergötzliche Beispiele von gar zu großer Czechophobie werden
in der Augsburger Allgemeinen angeführt. Dort hatte ein Wiener Cor-
respondent behauptet, die Czechomanie grassire bereits in Böhmen der¬
maßen, daß auf der Herrschaft Liboch deutschen Parteien vom Gericht
auf gut Czechisch geantwortet werde. Liboch ist aber ganz deutsch,
eben so der dortige Justitiar, Herr Hable, ein Mann von einigen
achtzig Jahren. Dieser erklärt nun in der Augsburger Allgemeinen,
er wisse sich auf czechisch kaum nothdürftig verständlich zu machen,
um so weniger könne es ihm einfallen, auf seine alten Tage dieses
schwere Idiom schreiben zu lernen; er bitte daher den Wiener Corre-
spondenten, in seinem blinden Eifer nicht „einen deutschen Mitbruder
umzurennen." Jener selbe Correspondent hatte auch von den vielen
russischen Brillantringen in Böhmen gesprochen und in weissagungs¬
vollem Tone gewünscht, daß nicht dereinst eine Kette daraus werde.
Nach einer Berichtigung aus Prag reduciren sich aber die vielen rus¬
sischen Kettenglieder auf vier, deren eins auf einen hohen katholischen
Geistlichen, und eines auf den deutschen Buchhändler Haase kommt,
welcher ein deutsches Werk dem Hofe von Se. Petersburg zugesandt
hat. Wir sind auch keine Freunde von russischen Ringen in Deutsch-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0485" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/181044"/>
            <p xml:id="ID_1137" prev="#ID_1136"> wahren können, da Rank wirklich noch einmal um einen Paß nach¬<lb/>
gesucht hat. &#x2014; Das ist der Stand dieser, in den meisten Zeitungen<lb/>
mit gerechtem Unwillen besprochenen Angelegenheit. Traurig aber ist,<lb/>
im Allgemeinen, daß in Deutschland bei jeder Bagatellftage so un¬<lb/>
geheuere Anstrengungen und Auseinandersetzungen nöthig sind, bevor<lb/>
man einsieht, es sei eine Bagatellfrage; wenn man aber glaubt, es<lb/>
sei endlich die letzte Krähwinkelei gewesen, so kommt den andern Tag<lb/>
wieder der alte Schulmeister, und von Neuem muß man die Welt¬<lb/>
geschichte und das Christenthum, die zehn Gebote und die Menschen¬<lb/>
rechte in Bewegung setzen, bevor er die drohende Ruthe aus der Hand<lb/>
legt. Die Erfahrung hat immer nur für den speciellen Fall gegolten.<lb/>
Sollte man nicht glauben, bei der Rank'schen Paßsrage, das Erzge¬<lb/>
birge sei eigentlich das Pyrenäengebirge und auf dieser Seite wüthe<lb/>
ein carlistisch-christinischer Bürgerkrieg, die Polizei aber sei nicht auf¬<lb/>
geboten worden, um einen harmlosen Novellisten, sondern um einen<lb/>
gefährlichen Factioso aufzuheben? Diese Tragikomik ist kein blos öster¬<lb/>
reichischer Zug, wie Mancher, mit dem Balken im Auge, sagen wird.<lb/>
Preußen ist ja so eben im Begriff, sich mit viel Lärmen um Nichts<lb/>
in lauter Untersuchungen aufzulösen, und laßt in solchen Dingen noch<lb/>
weniger mit sich reden, als Oesterreich. Was die übrigen kleinen<lb/>
Deutschlands betrifft, so sagen wir: H»it dem Manne, der<lb/>
kein Fremdling ist in Acgvpten, oder einen Heimathsschein auf Lebens¬<lb/>
zeit besitzt! &#x2014;</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1138" next="#ID_1139"> &#x2014; Ein Paar ergötzliche Beispiele von gar zu großer Czechophobie werden<lb/>
in der Augsburger Allgemeinen angeführt. Dort hatte ein Wiener Cor-<lb/>
respondent behauptet, die Czechomanie grassire bereits in Böhmen der¬<lb/>
maßen, daß auf der Herrschaft Liboch deutschen Parteien vom Gericht<lb/>
auf gut Czechisch geantwortet werde. Liboch ist aber ganz deutsch,<lb/>
eben so der dortige Justitiar, Herr Hable, ein Mann von einigen<lb/>
achtzig Jahren. Dieser erklärt nun in der Augsburger Allgemeinen,<lb/>
er wisse sich auf czechisch kaum nothdürftig verständlich zu machen,<lb/>
um so weniger könne es ihm einfallen, auf seine alten Tage dieses<lb/>
schwere Idiom schreiben zu lernen; er bitte daher den Wiener Corre-<lb/>
spondenten, in seinem blinden Eifer nicht &#x201E;einen deutschen Mitbruder<lb/>
umzurennen." Jener selbe Correspondent hatte auch von den vielen<lb/>
russischen Brillantringen in Böhmen gesprochen und in weissagungs¬<lb/>
vollem Tone gewünscht, daß nicht dereinst eine Kette daraus werde.<lb/>
Nach einer Berichtigung aus Prag reduciren sich aber die vielen rus¬<lb/>
sischen Kettenglieder auf vier, deren eins auf einen hohen katholischen<lb/>
Geistlichen, und eines auf den deutschen Buchhändler Haase kommt,<lb/>
welcher ein deutsches Werk dem Hofe von Se. Petersburg zugesandt<lb/>
hat. Wir sind auch keine Freunde von russischen Ringen in Deutsch-</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0485] wahren können, da Rank wirklich noch einmal um einen Paß nach¬ gesucht hat. — Das ist der Stand dieser, in den meisten Zeitungen mit gerechtem Unwillen besprochenen Angelegenheit. Traurig aber ist, im Allgemeinen, daß in Deutschland bei jeder Bagatellftage so un¬ geheuere Anstrengungen und Auseinandersetzungen nöthig sind, bevor man einsieht, es sei eine Bagatellfrage; wenn man aber glaubt, es sei endlich die letzte Krähwinkelei gewesen, so kommt den andern Tag wieder der alte Schulmeister, und von Neuem muß man die Welt¬ geschichte und das Christenthum, die zehn Gebote und die Menschen¬ rechte in Bewegung setzen, bevor er die drohende Ruthe aus der Hand legt. Die Erfahrung hat immer nur für den speciellen Fall gegolten. Sollte man nicht glauben, bei der Rank'schen Paßsrage, das Erzge¬ birge sei eigentlich das Pyrenäengebirge und auf dieser Seite wüthe ein carlistisch-christinischer Bürgerkrieg, die Polizei aber sei nicht auf¬ geboten worden, um einen harmlosen Novellisten, sondern um einen gefährlichen Factioso aufzuheben? Diese Tragikomik ist kein blos öster¬ reichischer Zug, wie Mancher, mit dem Balken im Auge, sagen wird. Preußen ist ja so eben im Begriff, sich mit viel Lärmen um Nichts in lauter Untersuchungen aufzulösen, und laßt in solchen Dingen noch weniger mit sich reden, als Oesterreich. Was die übrigen kleinen Deutschlands betrifft, so sagen wir: H»it dem Manne, der kein Fremdling ist in Acgvpten, oder einen Heimathsschein auf Lebens¬ zeit besitzt! — — Ein Paar ergötzliche Beispiele von gar zu großer Czechophobie werden in der Augsburger Allgemeinen angeführt. Dort hatte ein Wiener Cor- respondent behauptet, die Czechomanie grassire bereits in Böhmen der¬ maßen, daß auf der Herrschaft Liboch deutschen Parteien vom Gericht auf gut Czechisch geantwortet werde. Liboch ist aber ganz deutsch, eben so der dortige Justitiar, Herr Hable, ein Mann von einigen achtzig Jahren. Dieser erklärt nun in der Augsburger Allgemeinen, er wisse sich auf czechisch kaum nothdürftig verständlich zu machen, um so weniger könne es ihm einfallen, auf seine alten Tage dieses schwere Idiom schreiben zu lernen; er bitte daher den Wiener Corre- spondenten, in seinem blinden Eifer nicht „einen deutschen Mitbruder umzurennen." Jener selbe Correspondent hatte auch von den vielen russischen Brillantringen in Böhmen gesprochen und in weissagungs¬ vollem Tone gewünscht, daß nicht dereinst eine Kette daraus werde. Nach einer Berichtigung aus Prag reduciren sich aber die vielen rus¬ sischen Kettenglieder auf vier, deren eins auf einen hohen katholischen Geistlichen, und eines auf den deutschen Buchhändler Haase kommt, welcher ein deutsches Werk dem Hofe von Se. Petersburg zugesandt hat. Wir sind auch keine Freunde von russischen Ringen in Deutsch-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/485
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/485>, abgerufen am 23.12.2024.