Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.preußischen Ritterburgen, soll auf Staatsunkosten restaurirt werden. R -- n. III. Egmont auf der Leipziger Vühne. Am 19. August sahen wir Göthe's Egmont auf der neuen preußischen Ritterburgen, soll auf Staatsunkosten restaurirt werden. R — n. III. Egmont auf der Leipziger Vühne. Am 19. August sahen wir Göthe's Egmont auf der neuen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0436" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/180995"/> <p xml:id="ID_1047" prev="#ID_1046"> preußischen Ritterburgen, soll auf Staatsunkosten restaurirt werden.<lb/> Der König soll als Kronprinz sehr gerührt worden sein, als er über<lb/> dem Thor der ehrwürdigen Ruine die einfache Inschrift las: „Herr,<lb/> erhalte mich!" — Zum Schluß eine wahre Begebenheit von der rus¬<lb/> sischen Grenze. Zwei preußische Gutsbesitzer reisten nach Polen. An<lb/> der Grenze ging einer von ihnen zum Revisor, um die Pässe visiren<lb/> zu lassen, kehrte aber erstaunt zurück mit der Meldung, der Russe<lb/> behaupte, da die Sonne noch nicht aufgegangen (sie stand aber schon<lb/> hoch am Himmel), so könne er weder visiren, noch den Schlagbaum<lb/> öffnen. — Was nun beginnen? — Das ist einfach, sagte der Andere,<lb/> besser Bewanderte, lachend; mit zwei Gulden können wir den Auf¬<lb/> gang der Sonne bewirken. — Richtig, der Russe hatte kaum die zwei<lb/> Gulden, so ging die Sonne auf und der Schlagbaum stand offen.</p><lb/> <note type="byline"> R — n.</note><lb/> </div> <div n="2"> <head> III.<lb/> Egmont auf der Leipziger Vühne.</head><lb/> <p xml:id="ID_1048" next="#ID_1049"> Am 19. August sahen wir Göthe's Egmont auf der neuen<lb/> Leipziger Bühne. Das Drama enthalt, neben den Schwachen des<lb/> großen Meisters, so viel von dem innigsten Reiz seiner Poesie, so<lb/> durchdringende politische Menschenkenntniß, daß es auch in minder<lb/> gelungener Darstellung fesseln muß, weil es durch zahllose, unver¬<lb/> wischbare Züge „freudvoll und leidvoll" zu denken gibt. Allein es<lb/> gehört das feinste Ensemble, eine mehr als gewöhnliche Vortrefflichkeit<lb/> und Nachhilfe einzelner Schauspieler dazu, wenn die Totalwirkung<lb/> nicht eine andere, als die vom Dichter beabsichtigte, werden soll. In<lb/> der Leipziger Darstellung war die rein politische Seite vielleicht zu<lb/> sehr hervorstechend. Drei Männer waren im Stück: Oranien, Alba<lb/> und Clarchen. Oranien und Alba spielen Schach um Egmont; nach¬<lb/> dem dieser genommen ist, erhebt sich der Heroismus des liebenden<lb/> Mädchens, um ihn zu retten, und geht unter in dem Kampf gegen<lb/> den stumpfen Widerstand, gegen die zähe, kalte und ängstliche Be¬<lb/> rechnung des Volkes. Dies die Handlung. Aber es ist schlimm,<lb/> wenn Egmont und Brackenburg sich bemühen, die schwachen Seiten<lb/> der Dichtung durch ihre Mattherzigkeit noch mehr hervorzuheben.<lb/> Der wenig dramatische, darum schwer darstellbare Gedanke des Dich¬<lb/> ters geht dann ganz verloren; wie Egmont anfangs unter das Volk<lb/> tritt, aus Gedankenlosigkeit Vertrauen und gesetzliche Ruhe predigend<lb/> nicht erst in seiner Zusammenkunft mit dem großen Schweigsamen<lb/> — da erkennt man, daß er verloren ist, aber wenn Egmont's Sicher¬<lb/> heit nicht durch genialen, überquellenden Lebensgeist, und durch den<lb/> Zauber seiner Liebe gerechtfertigt und verklärt wird; wenn auch</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0436]
preußischen Ritterburgen, soll auf Staatsunkosten restaurirt werden.
Der König soll als Kronprinz sehr gerührt worden sein, als er über
dem Thor der ehrwürdigen Ruine die einfache Inschrift las: „Herr,
erhalte mich!" — Zum Schluß eine wahre Begebenheit von der rus¬
sischen Grenze. Zwei preußische Gutsbesitzer reisten nach Polen. An
der Grenze ging einer von ihnen zum Revisor, um die Pässe visiren
zu lassen, kehrte aber erstaunt zurück mit der Meldung, der Russe
behaupte, da die Sonne noch nicht aufgegangen (sie stand aber schon
hoch am Himmel), so könne er weder visiren, noch den Schlagbaum
öffnen. — Was nun beginnen? — Das ist einfach, sagte der Andere,
besser Bewanderte, lachend; mit zwei Gulden können wir den Auf¬
gang der Sonne bewirken. — Richtig, der Russe hatte kaum die zwei
Gulden, so ging die Sonne auf und der Schlagbaum stand offen.
R — n.
III.
Egmont auf der Leipziger Vühne.
Am 19. August sahen wir Göthe's Egmont auf der neuen
Leipziger Bühne. Das Drama enthalt, neben den Schwachen des
großen Meisters, so viel von dem innigsten Reiz seiner Poesie, so
durchdringende politische Menschenkenntniß, daß es auch in minder
gelungener Darstellung fesseln muß, weil es durch zahllose, unver¬
wischbare Züge „freudvoll und leidvoll" zu denken gibt. Allein es
gehört das feinste Ensemble, eine mehr als gewöhnliche Vortrefflichkeit
und Nachhilfe einzelner Schauspieler dazu, wenn die Totalwirkung
nicht eine andere, als die vom Dichter beabsichtigte, werden soll. In
der Leipziger Darstellung war die rein politische Seite vielleicht zu
sehr hervorstechend. Drei Männer waren im Stück: Oranien, Alba
und Clarchen. Oranien und Alba spielen Schach um Egmont; nach¬
dem dieser genommen ist, erhebt sich der Heroismus des liebenden
Mädchens, um ihn zu retten, und geht unter in dem Kampf gegen
den stumpfen Widerstand, gegen die zähe, kalte und ängstliche Be¬
rechnung des Volkes. Dies die Handlung. Aber es ist schlimm,
wenn Egmont und Brackenburg sich bemühen, die schwachen Seiten
der Dichtung durch ihre Mattherzigkeit noch mehr hervorzuheben.
Der wenig dramatische, darum schwer darstellbare Gedanke des Dich¬
ters geht dann ganz verloren; wie Egmont anfangs unter das Volk
tritt, aus Gedankenlosigkeit Vertrauen und gesetzliche Ruhe predigend
nicht erst in seiner Zusammenkunft mit dem großen Schweigsamen
— da erkennt man, daß er verloren ist, aber wenn Egmont's Sicher¬
heit nicht durch genialen, überquellenden Lebensgeist, und durch den
Zauber seiner Liebe gerechtfertigt und verklärt wird; wenn auch
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |