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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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anschloß. Bedeutsam taucht dabei der Umstand hervor, daß gerade
die slavisch-deutschen Gegenden der Schauplatz der Unruhen wurden,
obgleich in anderen Theilen des deutschen Vaterlandes nicht minder'stark bevölkerte Fabrikbczirke sich befinden, über welche auch nicht das
Füllhorn des Ueberflusses ausgeschüttet ist und wo dennoch der Frie¬
den keinen Augenblick gestört worden. Ein wohlunterrichteter Korre¬
spondent der "Schlesischen Zeitung" meldete unlängst, daß man zu
Wien in den höchsten Regionen ti> beklagenswerthen Austritte in
Böhmen communistischen Umtrieben zuschreibe, und diese Meldung
widerspricht ganz und gar nicht der Unterstellung, daß russische Hände
dabei im Spiele seien. Man erinnert sich ohne Zweifel der diploma¬
tischen Komödie, welche im September 1843 in Athen abgespielt wurde,
wo sich der Absolutismus herabließ, die konstitutionelle Propa¬
ganda zu spielen, blos um die Consolioirung des jungen Staates und
der deutschen Dynastie zu stören, eben so wenig schrack man hier vor
der Rolle Weitling's zurück, und der Panslavismus macht sich
im Gefühle seines Loyalismus kein Gewissen daraus, wenn er zur
Erreichung seiner Absichten einmal die Maske des Fourrier oderOwcn
vor's Antlitz nehmen muß. Der Nothschrei des vorigen Jahres
drang aus Böhmen und Schlesien bis nach Petersburg und schlug
durch die Spiegelfenster des Palastes an das feine Ohr des dortigen
Cabinets; auf diesen Schrei ward alsbald ein Plan gebaut, der für's
Erste freilich keinen anderen Zweck haben konnte, als den Keim der
Zwietracht in jenen von deutschen Regierungen beherrschten Mischlän¬
dern auszustreuen und die Augen dieser Regierungen von den Vor¬
gängen im nahen Auslande abzulenken.



*) Unser geehrter Herr Correspondent scheint uns in seinen Combinatio¬
nen doch etwas zu weit zu gehen, -- während eine natürlichere Auslegung
jener Erscheinungen auf der Hand liegt, -- oder er will etwas Anderes sagen,
als man aus seinen Ausdrücken schließen könnte. Von communistischen Ideen
war weder in Schlesien, noch in Böhmen unter den matcontenten Arbeitern
eine Spur, wenn man nicht etwa Hunger und Verzweiflung, oder Mißver¬
gnügen und Plündcrungssucht überhaupt kommunistisch nennen will. Es sollte
auch dem fremden Wühler schwer werden und wird ihm gewiß nicht einfallen,
böhmischen Pöbel erst durch Verbreitung wirklicher kommunistischer Ideen auf¬
zuhetzen, dies wäre ein sehr überflüssiger und nutzloser Umweg. Die
Parallele mit den russisch-griechischen Intriguen kann daher nur im All¬
gemeinen gelten. Näher liegt die Vermuthung, daß wühlerische Hände dem
Aufstand durch künstliche Äußerlichkeiten einen schwachen communistischen
Anschein zu geben suchten, um dann mit freundschaftlich warnendem
Finger darauf hinweisen zu können! Darin, glauben wir, liegt ein
großer Theil der eigentlichen Gefahr. In Preußen will die ultrabürcaukrati-
sche Partei in den schlesischen Unruhen ebenfalls Communismus sehen. Wir
wissen nicht, ob da auch eine freundnachbarliche Inspiration thätig war. Wir
möchten hoffen, daß die österreichische Regierung solche freundnachbarliche Fin¬
gerzeige gehörig würdigen wird. Die Red.

anschloß. Bedeutsam taucht dabei der Umstand hervor, daß gerade
die slavisch-deutschen Gegenden der Schauplatz der Unruhen wurden,
obgleich in anderen Theilen des deutschen Vaterlandes nicht minder'stark bevölkerte Fabrikbczirke sich befinden, über welche auch nicht das
Füllhorn des Ueberflusses ausgeschüttet ist und wo dennoch der Frie¬
den keinen Augenblick gestört worden. Ein wohlunterrichteter Korre¬
spondent der „Schlesischen Zeitung" meldete unlängst, daß man zu
Wien in den höchsten Regionen ti> beklagenswerthen Austritte in
Böhmen communistischen Umtrieben zuschreibe, und diese Meldung
widerspricht ganz und gar nicht der Unterstellung, daß russische Hände
dabei im Spiele seien. Man erinnert sich ohne Zweifel der diploma¬
tischen Komödie, welche im September 1843 in Athen abgespielt wurde,
wo sich der Absolutismus herabließ, die konstitutionelle Propa¬
ganda zu spielen, blos um die Consolioirung des jungen Staates und
der deutschen Dynastie zu stören, eben so wenig schrack man hier vor
der Rolle Weitling's zurück, und der Panslavismus macht sich
im Gefühle seines Loyalismus kein Gewissen daraus, wenn er zur
Erreichung seiner Absichten einmal die Maske des Fourrier oderOwcn
vor's Antlitz nehmen muß. Der Nothschrei des vorigen Jahres
drang aus Böhmen und Schlesien bis nach Petersburg und schlug
durch die Spiegelfenster des Palastes an das feine Ohr des dortigen
Cabinets; auf diesen Schrei ward alsbald ein Plan gebaut, der für's
Erste freilich keinen anderen Zweck haben konnte, als den Keim der
Zwietracht in jenen von deutschen Regierungen beherrschten Mischlän¬
dern auszustreuen und die Augen dieser Regierungen von den Vor¬
gängen im nahen Auslande abzulenken.



*) Unser geehrter Herr Correspondent scheint uns in seinen Combinatio¬
nen doch etwas zu weit zu gehen, — während eine natürlichere Auslegung
jener Erscheinungen auf der Hand liegt, — oder er will etwas Anderes sagen,
als man aus seinen Ausdrücken schließen könnte. Von communistischen Ideen
war weder in Schlesien, noch in Böhmen unter den matcontenten Arbeitern
eine Spur, wenn man nicht etwa Hunger und Verzweiflung, oder Mißver¬
gnügen und Plündcrungssucht überhaupt kommunistisch nennen will. Es sollte
auch dem fremden Wühler schwer werden und wird ihm gewiß nicht einfallen,
böhmischen Pöbel erst durch Verbreitung wirklicher kommunistischer Ideen auf¬
zuhetzen, dies wäre ein sehr überflüssiger und nutzloser Umweg. Die
Parallele mit den russisch-griechischen Intriguen kann daher nur im All¬
gemeinen gelten. Näher liegt die Vermuthung, daß wühlerische Hände dem
Aufstand durch künstliche Äußerlichkeiten einen schwachen communistischen
Anschein zu geben suchten, um dann mit freundschaftlich warnendem
Finger darauf hinweisen zu können! Darin, glauben wir, liegt ein
großer Theil der eigentlichen Gefahr. In Preußen will die ultrabürcaukrati-
sche Partei in den schlesischen Unruhen ebenfalls Communismus sehen. Wir
wissen nicht, ob da auch eine freundnachbarliche Inspiration thätig war. Wir
möchten hoffen, daß die österreichische Regierung solche freundnachbarliche Fin¬
gerzeige gehörig würdigen wird. Die Red.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/432>, abgerufen am 23.12.2024.