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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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bedeutender nicht zu gedenken. Allein so wenig an Unterstützung von
morschen, längst in sich zerfallenen Häusern von Holz und Stein viel
gelegen sein kann, so durste auch dort wahrhafte Abhilfe von ihr
nicht erwartet werden. Dennoch ward das Möglichste gethan, um das
Haus Geymüller zu retten. Rothschild, großartig wie immer, bot
hiefür zwei Millionen an. Vergebens! Seit zehn Jahren hatte
das Haus bereits mit einer überwiegenden, durch übermäßigen Lurus
und verfehlte Spekulationen angewachsenen Passiva zu kämpfen ge-
' habt, und nur auf unerhörte Weise sich so lange obenauf zu erhal¬
ten gewußt. Noch weniger wäre etwas für die andere schon gänz¬
lichem Mißtrauen heimgefallene Firma zu thun gewesen.

Daß nun nach einer so heftigen Handelskrisis eine geraume Zeit
lang ein schwacher Zustand verblieb, wird wohl Niemanden befremden
können, und so schmerzlich, ja selbst erschütternd das Schauspiel tief
gesunkener Handelsnotabilitäten wirken muß, so kann man doch nicht
in Abrede stellen, daß nur durch solches Hinwegschaffen der Geschwüre
und Abscesse am Mercantilkörper, dessen Genesung und langsame,
aber sichere Erstarkung bewirkt werden konnte.

Und begreiflicher Weise konnten diejenigen Häuser, welche nicht
nur den Kampf mit der furchtbaren Krise selbst, sondern auch den¬
jenigen mit der Hydra der Medisance und Verleumdung, und da¬
durch mit einem in's Lächerliche getriebenen Mißtrauen zu bestehen
hatten, unmöglich die Kraft der ihnen zur Verfügung stehenden Mit¬
tel siegreicher bewähren, als eben, indem ihnen eine solche noch nie
dagewesene und hoffentlich nimmer wiederkehrende Gelegenheit dazu
geboten wurde. Diese Betrachtung ist es denn aber auch, welche
wesentlich.dazu beitrug, den Credit des Wiener Platzes und den da¬
mit enger verbundenen anderweitigen, weit schneller, als Mancher
gedacht hätte, wieder zu heben und mindestens für Manche, welche
eine solche Feuerprobe ehrenvoll bestanden hatten, sogar noch fester,
als ehedem zu stellen.

Wenn sich aus dieser gedrängten Zusammenstellung unwillkür¬
lich ein sprechendes Zeugniß für die seltene Einsicht und Geistestiefe
des gegenwärtigen Chefs der Finanzverwaltung ergeben hat, so wird
man darum doch nicht glauben, daß ich mich zum Pancgyriker des¬
selben machen wollte, da ich es sehr gern würdigeren Federn, als


bedeutender nicht zu gedenken. Allein so wenig an Unterstützung von
morschen, längst in sich zerfallenen Häusern von Holz und Stein viel
gelegen sein kann, so durste auch dort wahrhafte Abhilfe von ihr
nicht erwartet werden. Dennoch ward das Möglichste gethan, um das
Haus Geymüller zu retten. Rothschild, großartig wie immer, bot
hiefür zwei Millionen an. Vergebens! Seit zehn Jahren hatte
das Haus bereits mit einer überwiegenden, durch übermäßigen Lurus
und verfehlte Spekulationen angewachsenen Passiva zu kämpfen ge-
' habt, und nur auf unerhörte Weise sich so lange obenauf zu erhal¬
ten gewußt. Noch weniger wäre etwas für die andere schon gänz¬
lichem Mißtrauen heimgefallene Firma zu thun gewesen.

Daß nun nach einer so heftigen Handelskrisis eine geraume Zeit
lang ein schwacher Zustand verblieb, wird wohl Niemanden befremden
können, und so schmerzlich, ja selbst erschütternd das Schauspiel tief
gesunkener Handelsnotabilitäten wirken muß, so kann man doch nicht
in Abrede stellen, daß nur durch solches Hinwegschaffen der Geschwüre
und Abscesse am Mercantilkörper, dessen Genesung und langsame,
aber sichere Erstarkung bewirkt werden konnte.

Und begreiflicher Weise konnten diejenigen Häuser, welche nicht
nur den Kampf mit der furchtbaren Krise selbst, sondern auch den¬
jenigen mit der Hydra der Medisance und Verleumdung, und da¬
durch mit einem in's Lächerliche getriebenen Mißtrauen zu bestehen
hatten, unmöglich die Kraft der ihnen zur Verfügung stehenden Mit¬
tel siegreicher bewähren, als eben, indem ihnen eine solche noch nie
dagewesene und hoffentlich nimmer wiederkehrende Gelegenheit dazu
geboten wurde. Diese Betrachtung ist es denn aber auch, welche
wesentlich.dazu beitrug, den Credit des Wiener Platzes und den da¬
mit enger verbundenen anderweitigen, weit schneller, als Mancher
gedacht hätte, wieder zu heben und mindestens für Manche, welche
eine solche Feuerprobe ehrenvoll bestanden hatten, sogar noch fester,
als ehedem zu stellen.

Wenn sich aus dieser gedrängten Zusammenstellung unwillkür¬
lich ein sprechendes Zeugniß für die seltene Einsicht und Geistestiefe
des gegenwärtigen Chefs der Finanzverwaltung ergeben hat, so wird
man darum doch nicht glauben, daß ich mich zum Pancgyriker des¬
selben machen wollte, da ich es sehr gern würdigeren Federn, als


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[0424] bedeutender nicht zu gedenken. Allein so wenig an Unterstützung von morschen, längst in sich zerfallenen Häusern von Holz und Stein viel gelegen sein kann, so durste auch dort wahrhafte Abhilfe von ihr nicht erwartet werden. Dennoch ward das Möglichste gethan, um das Haus Geymüller zu retten. Rothschild, großartig wie immer, bot hiefür zwei Millionen an. Vergebens! Seit zehn Jahren hatte das Haus bereits mit einer überwiegenden, durch übermäßigen Lurus und verfehlte Spekulationen angewachsenen Passiva zu kämpfen ge- ' habt, und nur auf unerhörte Weise sich so lange obenauf zu erhal¬ ten gewußt. Noch weniger wäre etwas für die andere schon gänz¬ lichem Mißtrauen heimgefallene Firma zu thun gewesen. Daß nun nach einer so heftigen Handelskrisis eine geraume Zeit lang ein schwacher Zustand verblieb, wird wohl Niemanden befremden können, und so schmerzlich, ja selbst erschütternd das Schauspiel tief gesunkener Handelsnotabilitäten wirken muß, so kann man doch nicht in Abrede stellen, daß nur durch solches Hinwegschaffen der Geschwüre und Abscesse am Mercantilkörper, dessen Genesung und langsame, aber sichere Erstarkung bewirkt werden konnte. Und begreiflicher Weise konnten diejenigen Häuser, welche nicht nur den Kampf mit der furchtbaren Krise selbst, sondern auch den¬ jenigen mit der Hydra der Medisance und Verleumdung, und da¬ durch mit einem in's Lächerliche getriebenen Mißtrauen zu bestehen hatten, unmöglich die Kraft der ihnen zur Verfügung stehenden Mit¬ tel siegreicher bewähren, als eben, indem ihnen eine solche noch nie dagewesene und hoffentlich nimmer wiederkehrende Gelegenheit dazu geboten wurde. Diese Betrachtung ist es denn aber auch, welche wesentlich.dazu beitrug, den Credit des Wiener Platzes und den da¬ mit enger verbundenen anderweitigen, weit schneller, als Mancher gedacht hätte, wieder zu heben und mindestens für Manche, welche eine solche Feuerprobe ehrenvoll bestanden hatten, sogar noch fester, als ehedem zu stellen. Wenn sich aus dieser gedrängten Zusammenstellung unwillkür¬ lich ein sprechendes Zeugniß für die seltene Einsicht und Geistestiefe des gegenwärtigen Chefs der Finanzverwaltung ergeben hat, so wird man darum doch nicht glauben, daß ich mich zum Pancgyriker des¬ selben machen wollte, da ich es sehr gern würdigeren Federn, als

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/424>, abgerufen am 23.07.2024.