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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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von sieben Procent aufi drei und ein halb Procent jährlich ein, und
erhebt den Kostenpreis der scheinbar so wohlfeilen Anleihe auf circa
sieben und dreiviertel Procent.

Glücklicher war die damalige Verwaltung mit dem Lottcriean-
lehen von 1839. Hier gelang es allerdings, ein Anlehen ä 4 Pro¬
cent abzuschließen, und dabei ohne Nachtheil des Staates eine bei
weitem spätere Rückzahlungsfrist einzugehen, als sich solche auf dem
Wege der gewöhnlichen Tilgung ergeben hätte. Nur freilich erschien
solche auch dann noch infofern als illusorisch, als die auf die letzten
Jahre accumulirten Rückzahlungen kaum einen andern Ausweg als
den eines wiederholten Urlebens im Gegensatze zu andern Tilgungs¬
arten vorausetzenlaen.

Ein Gewinn floß überdieß den Unternehmern hierbei zu, oder
konnte ihnen wenigstens zufließen, wie noch bei gar keinem früheren
Anleihegeschäfte der Fall eingetreten war. Nur Eines stellte sich sie¬
det etwas schielend heraus, nämlich die moralische Stellung der
Operation aus allgemeinem und aus besonderem staatlichen Ge¬
sichtspunkt.

An und für sich erscheinen Lotterieanleihen als ein Auskunftsmittel,
worauf Staaten in ruhigeren Zeiten kaum angewiesen find, Und wel¬
ches selbst von Oesterreich (Frankreich und England, ja selbst das
tief verschuldete Holland haben sich in den größten Bedrängnissen
nicht dazu bequemt) immer nur im Nothfälle, immer nur mit
Widerstreben ergriffen ward.

Dieses Bedenken erscheint begründet, fast eben so begründet, als
das Verwehren von Spielbanken, da, wenn auch nicht immer der
Einsatz, doch meist die ganze Rente oder ein Theil derselben aufs
Spiel gesetzt wird, zumal w) ein derartiges Papier durch die Agio¬
tage zu einer unverhältnißmAßigen Höhe hinaufgeschraubt wird. Auf
diese Weise wird der Rentier, gewohnt, mit weiser Sparsamkeit seine
Ausgaben nach seinen Einkünften zu bemessen, an letzteren irre , in¬
dem er, zur Metamorphose des Glücksritters unwiderstehlich verlockt,
einen Theil seines Capitals oder das Ganze auf eine so unproductive
Art anlegt und um so ungünstigeren Chancen entgegengeht, als die
Meinung, daß die günstigen sich durch den Besitz einer größeren Loos-
anzahl steigern, eben eine sehr verbreitete ist. Welche nachtheilige Ruck-


von sieben Procent aufi drei und ein halb Procent jährlich ein, und
erhebt den Kostenpreis der scheinbar so wohlfeilen Anleihe auf circa
sieben und dreiviertel Procent.

Glücklicher war die damalige Verwaltung mit dem Lottcriean-
lehen von 1839. Hier gelang es allerdings, ein Anlehen ä 4 Pro¬
cent abzuschließen, und dabei ohne Nachtheil des Staates eine bei
weitem spätere Rückzahlungsfrist einzugehen, als sich solche auf dem
Wege der gewöhnlichen Tilgung ergeben hätte. Nur freilich erschien
solche auch dann noch infofern als illusorisch, als die auf die letzten
Jahre accumulirten Rückzahlungen kaum einen andern Ausweg als
den eines wiederholten Urlebens im Gegensatze zu andern Tilgungs¬
arten vorausetzenlaen.

Ein Gewinn floß überdieß den Unternehmern hierbei zu, oder
konnte ihnen wenigstens zufließen, wie noch bei gar keinem früheren
Anleihegeschäfte der Fall eingetreten war. Nur Eines stellte sich sie¬
det etwas schielend heraus, nämlich die moralische Stellung der
Operation aus allgemeinem und aus besonderem staatlichen Ge¬
sichtspunkt.

An und für sich erscheinen Lotterieanleihen als ein Auskunftsmittel,
worauf Staaten in ruhigeren Zeiten kaum angewiesen find, Und wel¬
ches selbst von Oesterreich (Frankreich und England, ja selbst das
tief verschuldete Holland haben sich in den größten Bedrängnissen
nicht dazu bequemt) immer nur im Nothfälle, immer nur mit
Widerstreben ergriffen ward.

Dieses Bedenken erscheint begründet, fast eben so begründet, als
das Verwehren von Spielbanken, da, wenn auch nicht immer der
Einsatz, doch meist die ganze Rente oder ein Theil derselben aufs
Spiel gesetzt wird, zumal w) ein derartiges Papier durch die Agio¬
tage zu einer unverhältnißmAßigen Höhe hinaufgeschraubt wird. Auf
diese Weise wird der Rentier, gewohnt, mit weiser Sparsamkeit seine
Ausgaben nach seinen Einkünften zu bemessen, an letzteren irre , in¬
dem er, zur Metamorphose des Glücksritters unwiderstehlich verlockt,
einen Theil seines Capitals oder das Ganze auf eine so unproductive
Art anlegt und um so ungünstigeren Chancen entgegengeht, als die
Meinung, daß die günstigen sich durch den Besitz einer größeren Loos-
anzahl steigern, eben eine sehr verbreitete ist. Welche nachtheilige Ruck-


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[0414] von sieben Procent aufi drei und ein halb Procent jährlich ein, und erhebt den Kostenpreis der scheinbar so wohlfeilen Anleihe auf circa sieben und dreiviertel Procent. Glücklicher war die damalige Verwaltung mit dem Lottcriean- lehen von 1839. Hier gelang es allerdings, ein Anlehen ä 4 Pro¬ cent abzuschließen, und dabei ohne Nachtheil des Staates eine bei weitem spätere Rückzahlungsfrist einzugehen, als sich solche auf dem Wege der gewöhnlichen Tilgung ergeben hätte. Nur freilich erschien solche auch dann noch infofern als illusorisch, als die auf die letzten Jahre accumulirten Rückzahlungen kaum einen andern Ausweg als den eines wiederholten Urlebens im Gegensatze zu andern Tilgungs¬ arten vorausetzenlaen. Ein Gewinn floß überdieß den Unternehmern hierbei zu, oder konnte ihnen wenigstens zufließen, wie noch bei gar keinem früheren Anleihegeschäfte der Fall eingetreten war. Nur Eines stellte sich sie¬ det etwas schielend heraus, nämlich die moralische Stellung der Operation aus allgemeinem und aus besonderem staatlichen Ge¬ sichtspunkt. An und für sich erscheinen Lotterieanleihen als ein Auskunftsmittel, worauf Staaten in ruhigeren Zeiten kaum angewiesen find, Und wel¬ ches selbst von Oesterreich (Frankreich und England, ja selbst das tief verschuldete Holland haben sich in den größten Bedrängnissen nicht dazu bequemt) immer nur im Nothfälle, immer nur mit Widerstreben ergriffen ward. Dieses Bedenken erscheint begründet, fast eben so begründet, als das Verwehren von Spielbanken, da, wenn auch nicht immer der Einsatz, doch meist die ganze Rente oder ein Theil derselben aufs Spiel gesetzt wird, zumal w) ein derartiges Papier durch die Agio¬ tage zu einer unverhältnißmAßigen Höhe hinaufgeschraubt wird. Auf diese Weise wird der Rentier, gewohnt, mit weiser Sparsamkeit seine Ausgaben nach seinen Einkünften zu bemessen, an letzteren irre , in¬ dem er, zur Metamorphose des Glücksritters unwiderstehlich verlockt, einen Theil seines Capitals oder das Ganze auf eine so unproductive Art anlegt und um so ungünstigeren Chancen entgegengeht, als die Meinung, daß die günstigen sich durch den Besitz einer größeren Loos- anzahl steigern, eben eine sehr verbreitete ist. Welche nachtheilige Ruck-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/414>, abgerufen am 23.07.2024.