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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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nicht Alles; die neuen dreiprocentigen Metalliques stellten sich bald
gegen achtzig, ja selbst bis dreiundachtzig und waren dadurch auf
eine kurze Zeit beinahe mit den französischen dreiprocentigen gleich,
was in der That unglaublich geschienen hatte. Welch ein Triumph!

Und dennoch hat die damalige Finanzverwaltung eine kostspie¬
ligere Operation gemacht, als seit langer Zeit und zu ungleich be¬
denklicheren Epochen der Fall gewesen. Dieser scheinbare Widerspruch
löst sich bald.

Das neue dreiprocentige Papier fand gar keinen Anklang beim
größeren Publicum, das sich, schon durch die Ziffer deS Nominal¬
zinsfußes abgeschreckt, davon ferne hielt. Allerdings schien es vor¬
theilhafter, dreiprocentige Metalliques it 75--80, als vicrprocentige
Metalliques it 96--100 zu kaufen, weil der etwaige ganz unbedeu¬
tende Unterschied im Zins reichlich durch die Gewinnchancen aufge¬
wogen schien, welche das dreiprocentige Papier in dem längeren
Steigweg zum Paricurse gegen das vicrprocentige darbot. Dazu aber
hätte man die österreichischen Rentiers erst zu der ungewohnten Ope¬
ration des CalculirenS bringen müssen, und daß sie sich hiezu nicht
bequemten, beweist die in den damaligen Jahrbüchern der Börse,
vulx" Courszettel genannt, oft sich wiederholende Anomalie, daß
vierprocentige Metalliques, selbst dem Zinsfuß nach, höher als drei¬
procentige Metalliques standen. Daß aber letzteres Papier sich trotz
so entschiedener Ungunst auf die mit diesen und den übrigen Verhält¬
nissen nicht zusaimnenstimmende Höhe hinaufschrauben und dort erhal¬
ten konnte, erklärt sich dadurch, daß der Tilgungsfond und die ande¬
ren zum Einkauf von Staatspapieren bemüßigten Staatskassen mit
sehr beträchtlichen Summen ganz vorzugsweise auf dasselbe angewie¬
sen waren.

Dies war außer dem Finanzchef auch mehreren Handelshäusern
bekannt, und darauf konnten sie ganz ruhig und mit fast mathema¬
tischer Sicherheit speculiren.

So kam es, daß bei weitem der größte Theil des dreiprocenti¬
gen Urlebens binnen sehr kurzer Zeit in die Staatskassen zurück¬
geflossen war, nur mit dem Unterschiede, daß dasselbe Papier, das
etwa K 73 ausgegeben worden war, in der Zeit von vier Jahren
durchschnittlich wieder " 80 aufgekauft ward. Nehmen wir demnach
einen Durchschnitt von zwei Jahren an, so theilt sich der Verlust


nicht Alles; die neuen dreiprocentigen Metalliques stellten sich bald
gegen achtzig, ja selbst bis dreiundachtzig und waren dadurch auf
eine kurze Zeit beinahe mit den französischen dreiprocentigen gleich,
was in der That unglaublich geschienen hatte. Welch ein Triumph!

Und dennoch hat die damalige Finanzverwaltung eine kostspie¬
ligere Operation gemacht, als seit langer Zeit und zu ungleich be¬
denklicheren Epochen der Fall gewesen. Dieser scheinbare Widerspruch
löst sich bald.

Das neue dreiprocentige Papier fand gar keinen Anklang beim
größeren Publicum, das sich, schon durch die Ziffer deS Nominal¬
zinsfußes abgeschreckt, davon ferne hielt. Allerdings schien es vor¬
theilhafter, dreiprocentige Metalliques it 75—80, als vicrprocentige
Metalliques it 96—100 zu kaufen, weil der etwaige ganz unbedeu¬
tende Unterschied im Zins reichlich durch die Gewinnchancen aufge¬
wogen schien, welche das dreiprocentige Papier in dem längeren
Steigweg zum Paricurse gegen das vicrprocentige darbot. Dazu aber
hätte man die österreichischen Rentiers erst zu der ungewohnten Ope¬
ration des CalculirenS bringen müssen, und daß sie sich hiezu nicht
bequemten, beweist die in den damaligen Jahrbüchern der Börse,
vulx» Courszettel genannt, oft sich wiederholende Anomalie, daß
vierprocentige Metalliques, selbst dem Zinsfuß nach, höher als drei¬
procentige Metalliques standen. Daß aber letzteres Papier sich trotz
so entschiedener Ungunst auf die mit diesen und den übrigen Verhält¬
nissen nicht zusaimnenstimmende Höhe hinaufschrauben und dort erhal¬
ten konnte, erklärt sich dadurch, daß der Tilgungsfond und die ande¬
ren zum Einkauf von Staatspapieren bemüßigten Staatskassen mit
sehr beträchtlichen Summen ganz vorzugsweise auf dasselbe angewie¬
sen waren.

Dies war außer dem Finanzchef auch mehreren Handelshäusern
bekannt, und darauf konnten sie ganz ruhig und mit fast mathema¬
tischer Sicherheit speculiren.

So kam es, daß bei weitem der größte Theil des dreiprocenti¬
gen Urlebens binnen sehr kurzer Zeit in die Staatskassen zurück¬
geflossen war, nur mit dem Unterschiede, daß dasselbe Papier, das
etwa K 73 ausgegeben worden war, in der Zeit von vier Jahren
durchschnittlich wieder » 80 aufgekauft ward. Nehmen wir demnach
einen Durchschnitt von zwei Jahren an, so theilt sich der Verlust


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[0413] nicht Alles; die neuen dreiprocentigen Metalliques stellten sich bald gegen achtzig, ja selbst bis dreiundachtzig und waren dadurch auf eine kurze Zeit beinahe mit den französischen dreiprocentigen gleich, was in der That unglaublich geschienen hatte. Welch ein Triumph! Und dennoch hat die damalige Finanzverwaltung eine kostspie¬ ligere Operation gemacht, als seit langer Zeit und zu ungleich be¬ denklicheren Epochen der Fall gewesen. Dieser scheinbare Widerspruch löst sich bald. Das neue dreiprocentige Papier fand gar keinen Anklang beim größeren Publicum, das sich, schon durch die Ziffer deS Nominal¬ zinsfußes abgeschreckt, davon ferne hielt. Allerdings schien es vor¬ theilhafter, dreiprocentige Metalliques it 75—80, als vicrprocentige Metalliques it 96—100 zu kaufen, weil der etwaige ganz unbedeu¬ tende Unterschied im Zins reichlich durch die Gewinnchancen aufge¬ wogen schien, welche das dreiprocentige Papier in dem längeren Steigweg zum Paricurse gegen das vicrprocentige darbot. Dazu aber hätte man die österreichischen Rentiers erst zu der ungewohnten Ope¬ ration des CalculirenS bringen müssen, und daß sie sich hiezu nicht bequemten, beweist die in den damaligen Jahrbüchern der Börse, vulx» Courszettel genannt, oft sich wiederholende Anomalie, daß vierprocentige Metalliques, selbst dem Zinsfuß nach, höher als drei¬ procentige Metalliques standen. Daß aber letzteres Papier sich trotz so entschiedener Ungunst auf die mit diesen und den übrigen Verhält¬ nissen nicht zusaimnenstimmende Höhe hinaufschrauben und dort erhal¬ ten konnte, erklärt sich dadurch, daß der Tilgungsfond und die ande¬ ren zum Einkauf von Staatspapieren bemüßigten Staatskassen mit sehr beträchtlichen Summen ganz vorzugsweise auf dasselbe angewie¬ sen waren. Dies war außer dem Finanzchef auch mehreren Handelshäusern bekannt, und darauf konnten sie ganz ruhig und mit fast mathema¬ tischer Sicherheit speculiren. So kam es, daß bei weitem der größte Theil des dreiprocenti¬ gen Urlebens binnen sehr kurzer Zeit in die Staatskassen zurück¬ geflossen war, nur mit dem Unterschiede, daß dasselbe Papier, das etwa K 73 ausgegeben worden war, in der Zeit von vier Jahren durchschnittlich wieder » 80 aufgekauft ward. Nehmen wir demnach einen Durchschnitt von zwei Jahren an, so theilt sich der Verlust

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/413>, abgerufen am 01.10.2024.