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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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2.

Noch voller Humor über die Ereignisse des Abends, wußte ich
durch eine Schilderung derselben die Heiterkeit meiner Freunde
so zu wecken, daß wir für's Erste beschlossen, Streifzüge durch die
Stadt zu machen, uns ungebundener Lustigkeit hinzugeben und hin¬
einzufallen, wo es uns beliebe. Fort und immer der Nase nach!
hieß es. Ich hatte heute Abend der einen Seite unseres Philiste¬
rtums einen Besuch abgestattet, ich wollte nun einmal wieder die an¬
dere in ihrer Glorie, wollte den' Philister sehen, wie er sich, weil eS
Fastnacht ist, ein Vergnügen und ein Gläschen mehr erlaubt.

Aus einer bekannten Bierkneipe in der B.straße hörten wir lau¬
ten Gesang erschallen. Wir traten näher. Das Zimmer war von
einem Tabaksdampf erfüllt, daß man kaum durchsehen konnte. Die
jüngeren Stammgäste, meistens Studenten, hatten sich hier in lusti¬
ger Gesellschaft um einen tüchtigen Punsch versammelt, der schon
seine gute Wirkung gethan hatte. Denn die Herren, die meistens
in Hemdärmeln dasaßen, trommelten mit einem fürchterlichen Getöse
auf "die Tische, schlugen mit den Messern an die Gläser und sangen
mit brüllender Stimme ein Lied mit, das die Sängerin, die keine
andere, als meine Hausgenossin Emilie war, eben vortrug. DaS
Lied war gerade nicht von der moralischsten Sorte, und die Gesell¬
schaft des Herrn Hofraths hätte es wohl nicht gnädig aufgenommen.
Die lustigen jungen Leute aber waren, als es beendigt war, ganz
außer sich vor Jubel, drangen auf Emilien ein und erdrückten sie
fast mit ihren Liebkosungen und Umarmungen. Diese war übrigens
ihrerseits sehr lustiger, ausgelassener Stimmung und schien nebst ih¬
rem Begleiter, Herrn Alir, dem in Masse gereichten Punsch wacker
zugesprochen zu haben. Eben hatte sie wieder ein großes Glas in
einem Zuge geleert, als sie mich bemerkte, mir um den Hals fiel
und mich stolz als ihren Hausgenossen begrüßte; darauf nahm sie
die Guitarre wieder, setzte sich zu den jungen Leuten an den Tisch,
mit ihnen weiter zu singen und zu trinken. Herr Alir schien die lu¬
stige Stimmung derselben zu benutzen und ging immerwährend mit
dem Notenblatt umher, auf das ich Vier- und Achtgroschenstücke in
Menge werfen sah. Emilie sah heute wirklich recht gut aus, denn
die Schminke, die sie wahrscheinlich des Abends immer auf ihr tod-


2.

Noch voller Humor über die Ereignisse des Abends, wußte ich
durch eine Schilderung derselben die Heiterkeit meiner Freunde
so zu wecken, daß wir für's Erste beschlossen, Streifzüge durch die
Stadt zu machen, uns ungebundener Lustigkeit hinzugeben und hin¬
einzufallen, wo es uns beliebe. Fort und immer der Nase nach!
hieß es. Ich hatte heute Abend der einen Seite unseres Philiste¬
rtums einen Besuch abgestattet, ich wollte nun einmal wieder die an¬
dere in ihrer Glorie, wollte den' Philister sehen, wie er sich, weil eS
Fastnacht ist, ein Vergnügen und ein Gläschen mehr erlaubt.

Aus einer bekannten Bierkneipe in der B.straße hörten wir lau¬
ten Gesang erschallen. Wir traten näher. Das Zimmer war von
einem Tabaksdampf erfüllt, daß man kaum durchsehen konnte. Die
jüngeren Stammgäste, meistens Studenten, hatten sich hier in lusti¬
ger Gesellschaft um einen tüchtigen Punsch versammelt, der schon
seine gute Wirkung gethan hatte. Denn die Herren, die meistens
in Hemdärmeln dasaßen, trommelten mit einem fürchterlichen Getöse
auf "die Tische, schlugen mit den Messern an die Gläser und sangen
mit brüllender Stimme ein Lied mit, das die Sängerin, die keine
andere, als meine Hausgenossin Emilie war, eben vortrug. DaS
Lied war gerade nicht von der moralischsten Sorte, und die Gesell¬
schaft des Herrn Hofraths hätte es wohl nicht gnädig aufgenommen.
Die lustigen jungen Leute aber waren, als es beendigt war, ganz
außer sich vor Jubel, drangen auf Emilien ein und erdrückten sie
fast mit ihren Liebkosungen und Umarmungen. Diese war übrigens
ihrerseits sehr lustiger, ausgelassener Stimmung und schien nebst ih¬
rem Begleiter, Herrn Alir, dem in Masse gereichten Punsch wacker
zugesprochen zu haben. Eben hatte sie wieder ein großes Glas in
einem Zuge geleert, als sie mich bemerkte, mir um den Hals fiel
und mich stolz als ihren Hausgenossen begrüßte; darauf nahm sie
die Guitarre wieder, setzte sich zu den jungen Leuten an den Tisch,
mit ihnen weiter zu singen und zu trinken. Herr Alir schien die lu¬
stige Stimmung derselben zu benutzen und ging immerwährend mit
dem Notenblatt umher, auf das ich Vier- und Achtgroschenstücke in
Menge werfen sah. Emilie sah heute wirklich recht gut aus, denn
die Schminke, die sie wahrscheinlich des Abends immer auf ihr tod-


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[0399] 2. Noch voller Humor über die Ereignisse des Abends, wußte ich durch eine Schilderung derselben die Heiterkeit meiner Freunde so zu wecken, daß wir für's Erste beschlossen, Streifzüge durch die Stadt zu machen, uns ungebundener Lustigkeit hinzugeben und hin¬ einzufallen, wo es uns beliebe. Fort und immer der Nase nach! hieß es. Ich hatte heute Abend der einen Seite unseres Philiste¬ rtums einen Besuch abgestattet, ich wollte nun einmal wieder die an¬ dere in ihrer Glorie, wollte den' Philister sehen, wie er sich, weil eS Fastnacht ist, ein Vergnügen und ein Gläschen mehr erlaubt. Aus einer bekannten Bierkneipe in der B.straße hörten wir lau¬ ten Gesang erschallen. Wir traten näher. Das Zimmer war von einem Tabaksdampf erfüllt, daß man kaum durchsehen konnte. Die jüngeren Stammgäste, meistens Studenten, hatten sich hier in lusti¬ ger Gesellschaft um einen tüchtigen Punsch versammelt, der schon seine gute Wirkung gethan hatte. Denn die Herren, die meistens in Hemdärmeln dasaßen, trommelten mit einem fürchterlichen Getöse auf "die Tische, schlugen mit den Messern an die Gläser und sangen mit brüllender Stimme ein Lied mit, das die Sängerin, die keine andere, als meine Hausgenossin Emilie war, eben vortrug. DaS Lied war gerade nicht von der moralischsten Sorte, und die Gesell¬ schaft des Herrn Hofraths hätte es wohl nicht gnädig aufgenommen. Die lustigen jungen Leute aber waren, als es beendigt war, ganz außer sich vor Jubel, drangen auf Emilien ein und erdrückten sie fast mit ihren Liebkosungen und Umarmungen. Diese war übrigens ihrerseits sehr lustiger, ausgelassener Stimmung und schien nebst ih¬ rem Begleiter, Herrn Alir, dem in Masse gereichten Punsch wacker zugesprochen zu haben. Eben hatte sie wieder ein großes Glas in einem Zuge geleert, als sie mich bemerkte, mir um den Hals fiel und mich stolz als ihren Hausgenossen begrüßte; darauf nahm sie die Guitarre wieder, setzte sich zu den jungen Leuten an den Tisch, mit ihnen weiter zu singen und zu trinken. Herr Alir schien die lu¬ stige Stimmung derselben zu benutzen und ging immerwährend mit dem Notenblatt umher, auf das ich Vier- und Achtgroschenstücke in Menge werfen sah. Emilie sah heute wirklich recht gut aus, denn die Schminke, die sie wahrscheinlich des Abends immer auf ihr tod-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/399>, abgerufen am 22.12.2024.