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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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ihres seligen Vaters, um ihm in Einsamkeit die Thräne dankbarer
Kindesliebe zu weihen.

Ich nahm von ihr Abschied, und sie beschenkte mich noch mit
einem schonen Bilde ihres Vaters. Ein traulicher Händedruck wäre
in Schweden die gewöhnliche Abschiedsceremonie gewesen. Ich aber
konnte mich nicht enthalten, mich vor ihr zu neigen und einen ehrer¬
bietigen Kuß auf ihre Hand zu drücke".
''

Unsere Begleiterinnen führten uns zunächst in Linnvs Haus,
vor welchem ein von ihm selbst gepflanzter Kastanienbaum steht. Es
ist rings von hohen Steinen umgeben. -- Alle Zimmer unseres Na.-
turheros wurden fast schweigend in erhebenden Andenken durchwein--
dert. Alle sind mit Tapeten geschmückt, und diese in den mannich-
faltigsten Gruppirungen mit Blumen bemalt, unter denen jeder Name'
nebst Erklärungen auf'S Genaueste systematisch verzeichnet steht. Im
zweiten Stock links ist ein Eintrittszimmer. Hier hängt sein wohl-
getroffenes Bilvniß. Der herzliche und denkende Natur- und Men-
schenfreund spricht aus seinem Auge. Ein Zug der Feinheit und
Heiterkeit zieht sich um seinen 'Mund. Der Hals ist frei, die Brust
gelüftet. Der Orden prangt auf seinem Gewände. Schoner prangt
das rothe Blümchen I^i""in>i<,, das er zart in der Linken mit zwei
Fingern hält, während er die rechte Hand auf ein Buch stützt.

Wir traten in sein Schlafzimmer, das die Ueberschrift führt:
ilmocuiz vio-le>, mine" -ttlvst. (Lebet reinen Herzens, die Gottheit
ist nahe!)

Vieles Handschriftliche von ihm fand sich hier noch vor. Dieses
so wie überhaupt Alles im ganzen Hause ist bis zur Stunde in der¬
selben Ordnung und Lage geblieben, in welcher es sich bei seinem
Tode (1778) befand; und somit steigert sich das Interesse hiefür nicht
allein bei seiner Familie, sondern auch bei jedem besuchenden Vereh¬
rer. Dort in der Ecke steht noch das Bett mit den zierlichen Lin¬
nen, in welche Blumen eingewebt sind. Dabei auf einem Stuhle
liegt sein Gesangbuch, et^u sovil8l<.t 8"nK>,c,K"n, an derselben Seite
steht sein Spazierstock, eine tüchtige Weinrebe. Auf einem Tische
daneben ruht sein Doetorhut, grün mit rother Schleife. In einem
anderen Zimmer befanden sich seine Tassen und Töpfchen; jedes von
ihnen enthielt ebenfalls schön gemalte Blumen. Tausend andere Klei¬
nigkeiten, dem Enthusiasten werth und theuer, wurden beschaut.


ihres seligen Vaters, um ihm in Einsamkeit die Thräne dankbarer
Kindesliebe zu weihen.

Ich nahm von ihr Abschied, und sie beschenkte mich noch mit
einem schonen Bilde ihres Vaters. Ein traulicher Händedruck wäre
in Schweden die gewöhnliche Abschiedsceremonie gewesen. Ich aber
konnte mich nicht enthalten, mich vor ihr zu neigen und einen ehrer¬
bietigen Kuß auf ihre Hand zu drücke».
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Unsere Begleiterinnen führten uns zunächst in Linnvs Haus,
vor welchem ein von ihm selbst gepflanzter Kastanienbaum steht. Es
ist rings von hohen Steinen umgeben. — Alle Zimmer unseres Na.-
turheros wurden fast schweigend in erhebenden Andenken durchwein--
dert. Alle sind mit Tapeten geschmückt, und diese in den mannich-
faltigsten Gruppirungen mit Blumen bemalt, unter denen jeder Name'
nebst Erklärungen auf'S Genaueste systematisch verzeichnet steht. Im
zweiten Stock links ist ein Eintrittszimmer. Hier hängt sein wohl-
getroffenes Bilvniß. Der herzliche und denkende Natur- und Men-
schenfreund spricht aus seinem Auge. Ein Zug der Feinheit und
Heiterkeit zieht sich um seinen 'Mund. Der Hals ist frei, die Brust
gelüftet. Der Orden prangt auf seinem Gewände. Schoner prangt
das rothe Blümchen I^i»»in>i<,, das er zart in der Linken mit zwei
Fingern hält, während er die rechte Hand auf ein Buch stützt.

Wir traten in sein Schlafzimmer, das die Ueberschrift führt:
ilmocuiz vio-le>, mine» -ttlvst. (Lebet reinen Herzens, die Gottheit
ist nahe!)

Vieles Handschriftliche von ihm fand sich hier noch vor. Dieses
so wie überhaupt Alles im ganzen Hause ist bis zur Stunde in der¬
selben Ordnung und Lage geblieben, in welcher es sich bei seinem
Tode (1778) befand; und somit steigert sich das Interesse hiefür nicht
allein bei seiner Familie, sondern auch bei jedem besuchenden Vereh¬
rer. Dort in der Ecke steht noch das Bett mit den zierlichen Lin¬
nen, in welche Blumen eingewebt sind. Dabei auf einem Stuhle
liegt sein Gesangbuch, et^u sovil8l<.t 8»nK>,c,K«n, an derselben Seite
steht sein Spazierstock, eine tüchtige Weinrebe. Auf einem Tische
daneben ruht sein Doetorhut, grün mit rother Schleife. In einem
anderen Zimmer befanden sich seine Tassen und Töpfchen; jedes von
ihnen enthielt ebenfalls schön gemalte Blumen. Tausend andere Klei¬
nigkeiten, dem Enthusiasten werth und theuer, wurden beschaut.


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[0375] ihres seligen Vaters, um ihm in Einsamkeit die Thräne dankbarer Kindesliebe zu weihen. Ich nahm von ihr Abschied, und sie beschenkte mich noch mit einem schonen Bilde ihres Vaters. Ein traulicher Händedruck wäre in Schweden die gewöhnliche Abschiedsceremonie gewesen. Ich aber konnte mich nicht enthalten, mich vor ihr zu neigen und einen ehrer¬ bietigen Kuß auf ihre Hand zu drücke». '' Unsere Begleiterinnen führten uns zunächst in Linnvs Haus, vor welchem ein von ihm selbst gepflanzter Kastanienbaum steht. Es ist rings von hohen Steinen umgeben. — Alle Zimmer unseres Na.- turheros wurden fast schweigend in erhebenden Andenken durchwein-- dert. Alle sind mit Tapeten geschmückt, und diese in den mannich- faltigsten Gruppirungen mit Blumen bemalt, unter denen jeder Name' nebst Erklärungen auf'S Genaueste systematisch verzeichnet steht. Im zweiten Stock links ist ein Eintrittszimmer. Hier hängt sein wohl- getroffenes Bilvniß. Der herzliche und denkende Natur- und Men- schenfreund spricht aus seinem Auge. Ein Zug der Feinheit und Heiterkeit zieht sich um seinen 'Mund. Der Hals ist frei, die Brust gelüftet. Der Orden prangt auf seinem Gewände. Schoner prangt das rothe Blümchen I^i»»in>i<,, das er zart in der Linken mit zwei Fingern hält, während er die rechte Hand auf ein Buch stützt. Wir traten in sein Schlafzimmer, das die Ueberschrift führt: ilmocuiz vio-le>, mine» -ttlvst. (Lebet reinen Herzens, die Gottheit ist nahe!) Vieles Handschriftliche von ihm fand sich hier noch vor. Dieses so wie überhaupt Alles im ganzen Hause ist bis zur Stunde in der¬ selben Ordnung und Lage geblieben, in welcher es sich bei seinem Tode (1778) befand; und somit steigert sich das Interesse hiefür nicht allein bei seiner Familie, sondern auch bei jedem besuchenden Vereh¬ rer. Dort in der Ecke steht noch das Bett mit den zierlichen Lin¬ nen, in welche Blumen eingewebt sind. Dabei auf einem Stuhle liegt sein Gesangbuch, et^u sovil8l<.t 8»nK>,c,K«n, an derselben Seite steht sein Spazierstock, eine tüchtige Weinrebe. Auf einem Tische daneben ruht sein Doetorhut, grün mit rother Schleife. In einem anderen Zimmer befanden sich seine Tassen und Töpfchen; jedes von ihnen enthielt ebenfalls schön gemalte Blumen. Tausend andere Klei¬ nigkeiten, dem Enthusiasten werth und theuer, wurden beschaut.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/375>, abgerufen am 23.07.2024.