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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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turzeirung" ausgegeben werden. Bis die Sache entschieden ist, wer¬
den indeß die Norddeutschen Blatter als eine Monatsschrift von sechs
ins acht Bogen zu erscheinen fortfahren. Gestern aber -- nach Ver¬
lauf von vier Wochen -- hat die Polizei die noch übrigen Exemplare
der stark vergriffenen Auflage des ersten Hefts mit Beschlag belegt.
Den Grund zu diesem bis jetzt noch nicht erhörten Verfahren weiß
man noch nicht. Jedenfalls ist die Sache eine Frage, es muß ent¬
schieden werden, ob ein Verleger nach den bestehenden Gesetzen nicht
das persönliche Recht hat, zwanzig und noch mehr Monatsschriften
auf einmal herauszugeben.


IV.
Joel I a c o b y.

Die Berliner gekreuzte Null in der Deutschen Allgemeinen ent¬
wickelt immer mehr Joel-Jacoby'sche Feinheiten. Es fehlt nur noch,
daß der Mann sich ganz demaskirt und mit tief gezogenem Hut den
hohen Herrschaften in Nord und Süd zugleich empfiehlt. Geist und
Gewandtheit genügen heutzutage in der That nicht mehr zur publizi¬
stischen Wirksamkeit; es gehört auch entweder etwas Charakter, oder
ein bedeutend größerer Grad von Klugheit und Schauspielertalent dazu.
Vortrefflich spielte er seine Rolle im Anfang. Als er im vorigen Jahr
mit dem Artikel über Bresson debütirte, selten, aber dann auch aus¬
führlich und mit ziemlicher Sachkunde über irgend ein wichtiges Thema
schrieb, hielten ihn Einige für einen älteren Diplomaten, Ändere für
einen malcontenten hohen Beamten, der, ohne liberal zu sein, den
gesunden Verstand und die ehrliche Derbheit des vorigen Regiments
gegen die romantisirenden Einflüsse der jetzigen Politik hervorheben
wolle und sich zu diesem Zwecke der Presse bediene. Wir mußten
damals lächeln, als wir hörten, daß man in Berlin diese allgemeines
und gerechtes Aufsehen machenden Correspondenzen Joel Jacoby zu¬
schrieb. Allmälig stieg er aus der vornehmen Obscurität herab; er
schien sich nicht mehr der Presse zu bedienen: er diente ihr, wie jeder
andere Journalier, durch Notizen über Dies und Jenes; sein auf
welche Art immer erlangtes Geheimwissen schien, bis auf einige be¬
zeichnende diplomatische Bonmots und Anekdoten, erschöpft und wurde
nun durch die stylistische Kunst der wohlfeilsten Geheimthuerei ersetzt;
eine gewisse unangenehme Salbung und eine Sucht, um jede ein¬
flußreiche Person mit feierlichen Mienen das Rauchfaß zu schwingen,
wurden auffallend; er riß die Gelegenheit dazu vom Zaune, und that
es jedesmal bei dem entferntesten und grundlosesten Gerücht von der
Pensionirung dieses oder jenes höheren Beamten (nicht obgleich,
sondern weil das Gerücht grundlos war). Alles dies, dann die häu¬
sigen Beichtmienen und verschämten Anspielungen auf frühere Schick-


turzeirung" ausgegeben werden. Bis die Sache entschieden ist, wer¬
den indeß die Norddeutschen Blatter als eine Monatsschrift von sechs
ins acht Bogen zu erscheinen fortfahren. Gestern aber — nach Ver¬
lauf von vier Wochen — hat die Polizei die noch übrigen Exemplare
der stark vergriffenen Auflage des ersten Hefts mit Beschlag belegt.
Den Grund zu diesem bis jetzt noch nicht erhörten Verfahren weiß
man noch nicht. Jedenfalls ist die Sache eine Frage, es muß ent¬
schieden werden, ob ein Verleger nach den bestehenden Gesetzen nicht
das persönliche Recht hat, zwanzig und noch mehr Monatsschriften
auf einmal herauszugeben.


IV.
Joel I a c o b y.

Die Berliner gekreuzte Null in der Deutschen Allgemeinen ent¬
wickelt immer mehr Joel-Jacoby'sche Feinheiten. Es fehlt nur noch,
daß der Mann sich ganz demaskirt und mit tief gezogenem Hut den
hohen Herrschaften in Nord und Süd zugleich empfiehlt. Geist und
Gewandtheit genügen heutzutage in der That nicht mehr zur publizi¬
stischen Wirksamkeit; es gehört auch entweder etwas Charakter, oder
ein bedeutend größerer Grad von Klugheit und Schauspielertalent dazu.
Vortrefflich spielte er seine Rolle im Anfang. Als er im vorigen Jahr
mit dem Artikel über Bresson debütirte, selten, aber dann auch aus¬
führlich und mit ziemlicher Sachkunde über irgend ein wichtiges Thema
schrieb, hielten ihn Einige für einen älteren Diplomaten, Ändere für
einen malcontenten hohen Beamten, der, ohne liberal zu sein, den
gesunden Verstand und die ehrliche Derbheit des vorigen Regiments
gegen die romantisirenden Einflüsse der jetzigen Politik hervorheben
wolle und sich zu diesem Zwecke der Presse bediene. Wir mußten
damals lächeln, als wir hörten, daß man in Berlin diese allgemeines
und gerechtes Aufsehen machenden Correspondenzen Joel Jacoby zu¬
schrieb. Allmälig stieg er aus der vornehmen Obscurität herab; er
schien sich nicht mehr der Presse zu bedienen: er diente ihr, wie jeder
andere Journalier, durch Notizen über Dies und Jenes; sein auf
welche Art immer erlangtes Geheimwissen schien, bis auf einige be¬
zeichnende diplomatische Bonmots und Anekdoten, erschöpft und wurde
nun durch die stylistische Kunst der wohlfeilsten Geheimthuerei ersetzt;
eine gewisse unangenehme Salbung und eine Sucht, um jede ein¬
flußreiche Person mit feierlichen Mienen das Rauchfaß zu schwingen,
wurden auffallend; er riß die Gelegenheit dazu vom Zaune, und that
es jedesmal bei dem entferntesten und grundlosesten Gerücht von der
Pensionirung dieses oder jenes höheren Beamten (nicht obgleich,
sondern weil das Gerücht grundlos war). Alles dies, dann die häu¬
sigen Beichtmienen und verschämten Anspielungen auf frühere Schick-


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[0340] turzeirung" ausgegeben werden. Bis die Sache entschieden ist, wer¬ den indeß die Norddeutschen Blatter als eine Monatsschrift von sechs ins acht Bogen zu erscheinen fortfahren. Gestern aber — nach Ver¬ lauf von vier Wochen — hat die Polizei die noch übrigen Exemplare der stark vergriffenen Auflage des ersten Hefts mit Beschlag belegt. Den Grund zu diesem bis jetzt noch nicht erhörten Verfahren weiß man noch nicht. Jedenfalls ist die Sache eine Frage, es muß ent¬ schieden werden, ob ein Verleger nach den bestehenden Gesetzen nicht das persönliche Recht hat, zwanzig und noch mehr Monatsschriften auf einmal herauszugeben. IV. Joel I a c o b y. Die Berliner gekreuzte Null in der Deutschen Allgemeinen ent¬ wickelt immer mehr Joel-Jacoby'sche Feinheiten. Es fehlt nur noch, daß der Mann sich ganz demaskirt und mit tief gezogenem Hut den hohen Herrschaften in Nord und Süd zugleich empfiehlt. Geist und Gewandtheit genügen heutzutage in der That nicht mehr zur publizi¬ stischen Wirksamkeit; es gehört auch entweder etwas Charakter, oder ein bedeutend größerer Grad von Klugheit und Schauspielertalent dazu. Vortrefflich spielte er seine Rolle im Anfang. Als er im vorigen Jahr mit dem Artikel über Bresson debütirte, selten, aber dann auch aus¬ führlich und mit ziemlicher Sachkunde über irgend ein wichtiges Thema schrieb, hielten ihn Einige für einen älteren Diplomaten, Ändere für einen malcontenten hohen Beamten, der, ohne liberal zu sein, den gesunden Verstand und die ehrliche Derbheit des vorigen Regiments gegen die romantisirenden Einflüsse der jetzigen Politik hervorheben wolle und sich zu diesem Zwecke der Presse bediene. Wir mußten damals lächeln, als wir hörten, daß man in Berlin diese allgemeines und gerechtes Aufsehen machenden Correspondenzen Joel Jacoby zu¬ schrieb. Allmälig stieg er aus der vornehmen Obscurität herab; er schien sich nicht mehr der Presse zu bedienen: er diente ihr, wie jeder andere Journalier, durch Notizen über Dies und Jenes; sein auf welche Art immer erlangtes Geheimwissen schien, bis auf einige be¬ zeichnende diplomatische Bonmots und Anekdoten, erschöpft und wurde nun durch die stylistische Kunst der wohlfeilsten Geheimthuerei ersetzt; eine gewisse unangenehme Salbung und eine Sucht, um jede ein¬ flußreiche Person mit feierlichen Mienen das Rauchfaß zu schwingen, wurden auffallend; er riß die Gelegenheit dazu vom Zaune, und that es jedesmal bei dem entferntesten und grundlosesten Gerücht von der Pensionirung dieses oder jenes höheren Beamten (nicht obgleich, sondern weil das Gerücht grundlos war). Alles dies, dann die häu¬ sigen Beichtmienen und verschämten Anspielungen auf frühere Schick-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/340>, abgerufen am 22.12.2024.