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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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wesene Menagerie hat man dorthin geschafft, doch fehlen noch die
merkwürdigsten Gattungen. Namentlich werden der Löwe und der
Tiger, diese Spitzen der vierfüßigen Gesellschaft, vermißt, wäh¬
rend an dem Kleinvolke der Assen und der Kängurus kein
Mangel ist. Daß ein Eintrittsgeld von fünf Silbergroschen genom¬
men wird, findet vielfachen Tadel, indem dadurch gerade derjenige
Theil der Bevölkerung, der sich andere Genüsse und Belehrungen nicht
verschaffen kann, von diesem übrigens vortrefflich durch den Garren-
direcror Lern"- arrangirten Theil des Thiergartens ausgeschlossen ist.
Mindestens an Einem Tage in der Woche sollte der Zugang ^i-.leis
sein, der wohlhabendere Theil der Bevölkerung würde es dabei doch
vorziehen, an denjenigen Tagen den Garten zu besuchen, wo derZu-
drang weniger groß ist. Inzwischen ist es erfreulich, zu vernehmen,
daß der Ertrag des Eintrittsgeldes nur zum Besten des Publicums,
d. h. zur Erweiterung und Verschönerung der Anlagen, verwendet
werden soll, während die Besoldungen der Angestellten -c. aus der kö¬
niglichen Kasse fließen. Der "Oberste des Thierreichs", wie Profes¬
sor Lichtenstein immer schon von dem Publicum genannt wurde, das
das zoologische Museum besucht, ist auch Vorgesetzter des neuen zoo¬
logischen Gartens, und von ihm, als einem sehr freundlichen und hu¬
manen Mann, darf wohl erwartet werden, daß er das Seinige dazu
thun wird, um auch den niederen Klassen jenes Vergnügen der vier¬
füßigen Gesellschaft zu verschaffen.

Nestroy aus Wien ist bis jetzt nur als "Agent Schnoferl" in
der von ihm bearbeiteten Posse: "Das Mädel aus der Vorstadt" oder
"Ehrlich währt am längsten" aufgetreten. Diese Rolle ist eben so
wie das Stück ziemlich unbedeutend; es werden also seine weiteren
Darstellungen abzuwarten sein, bevor ein Urrbeil über ihn gefällt wer¬
den kann. Vorläufig scheint es uns, als ob Nestroy hier nicht so
anspräche, wie Raimund und Ignaz Schuster, die ebenfalls hier ein¬
mal auf dem Königsstädtischen Theater gastirten. An Beifall und an
zweimaligem Hervorruf an jedem Abend hat es ihm zwar nicht ge¬
fehlt, doch hörten wir von mehreren Seiten im Publicum, daß es
schwer sei, ihm zu folgen, da er gar zu sehr wienerisch spreche.

Die Vossische Zeitung ist in Rußland verboten worden. Sie
können sich denken, wie stolz das unschuldige kleine Blatt darauf ist.
Sein Mit- und Hauptredacteur, Herr Ludwig Rellstab, der diese Nach¬
richt im Bade zu Teplitz erhielt, ist davon so freudig ergriffen wor¬
den, daß er völlig hergestellt ward, und daß ihm das ungeheuere Fal¬
len der Actien aller Eisenbahnen, deren Mitdireccor er ist, ziemlich
gleichgültig geworden.


Justus.
Grenzten Is44. II.42

wesene Menagerie hat man dorthin geschafft, doch fehlen noch die
merkwürdigsten Gattungen. Namentlich werden der Löwe und der
Tiger, diese Spitzen der vierfüßigen Gesellschaft, vermißt, wäh¬
rend an dem Kleinvolke der Assen und der Kängurus kein
Mangel ist. Daß ein Eintrittsgeld von fünf Silbergroschen genom¬
men wird, findet vielfachen Tadel, indem dadurch gerade derjenige
Theil der Bevölkerung, der sich andere Genüsse und Belehrungen nicht
verschaffen kann, von diesem übrigens vortrefflich durch den Garren-
direcror Lern«- arrangirten Theil des Thiergartens ausgeschlossen ist.
Mindestens an Einem Tage in der Woche sollte der Zugang ^i-.leis
sein, der wohlhabendere Theil der Bevölkerung würde es dabei doch
vorziehen, an denjenigen Tagen den Garten zu besuchen, wo derZu-
drang weniger groß ist. Inzwischen ist es erfreulich, zu vernehmen,
daß der Ertrag des Eintrittsgeldes nur zum Besten des Publicums,
d. h. zur Erweiterung und Verschönerung der Anlagen, verwendet
werden soll, während die Besoldungen der Angestellten -c. aus der kö¬
niglichen Kasse fließen. Der „Oberste des Thierreichs", wie Profes¬
sor Lichtenstein immer schon von dem Publicum genannt wurde, das
das zoologische Museum besucht, ist auch Vorgesetzter des neuen zoo¬
logischen Gartens, und von ihm, als einem sehr freundlichen und hu¬
manen Mann, darf wohl erwartet werden, daß er das Seinige dazu
thun wird, um auch den niederen Klassen jenes Vergnügen der vier¬
füßigen Gesellschaft zu verschaffen.

Nestroy aus Wien ist bis jetzt nur als „Agent Schnoferl" in
der von ihm bearbeiteten Posse: „Das Mädel aus der Vorstadt" oder
„Ehrlich währt am längsten" aufgetreten. Diese Rolle ist eben so
wie das Stück ziemlich unbedeutend; es werden also seine weiteren
Darstellungen abzuwarten sein, bevor ein Urrbeil über ihn gefällt wer¬
den kann. Vorläufig scheint es uns, als ob Nestroy hier nicht so
anspräche, wie Raimund und Ignaz Schuster, die ebenfalls hier ein¬
mal auf dem Königsstädtischen Theater gastirten. An Beifall und an
zweimaligem Hervorruf an jedem Abend hat es ihm zwar nicht ge¬
fehlt, doch hörten wir von mehreren Seiten im Publicum, daß es
schwer sei, ihm zu folgen, da er gar zu sehr wienerisch spreche.

Die Vossische Zeitung ist in Rußland verboten worden. Sie
können sich denken, wie stolz das unschuldige kleine Blatt darauf ist.
Sein Mit- und Hauptredacteur, Herr Ludwig Rellstab, der diese Nach¬
richt im Bade zu Teplitz erhielt, ist davon so freudig ergriffen wor¬
den, daß er völlig hergestellt ward, und daß ihm das ungeheuere Fal¬
len der Actien aller Eisenbahnen, deren Mitdireccor er ist, ziemlich
gleichgültig geworden.


Justus.
Grenzten Is44. II.42
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[0337] wesene Menagerie hat man dorthin geschafft, doch fehlen noch die merkwürdigsten Gattungen. Namentlich werden der Löwe und der Tiger, diese Spitzen der vierfüßigen Gesellschaft, vermißt, wäh¬ rend an dem Kleinvolke der Assen und der Kängurus kein Mangel ist. Daß ein Eintrittsgeld von fünf Silbergroschen genom¬ men wird, findet vielfachen Tadel, indem dadurch gerade derjenige Theil der Bevölkerung, der sich andere Genüsse und Belehrungen nicht verschaffen kann, von diesem übrigens vortrefflich durch den Garren- direcror Lern«- arrangirten Theil des Thiergartens ausgeschlossen ist. Mindestens an Einem Tage in der Woche sollte der Zugang ^i-.leis sein, der wohlhabendere Theil der Bevölkerung würde es dabei doch vorziehen, an denjenigen Tagen den Garten zu besuchen, wo derZu- drang weniger groß ist. Inzwischen ist es erfreulich, zu vernehmen, daß der Ertrag des Eintrittsgeldes nur zum Besten des Publicums, d. h. zur Erweiterung und Verschönerung der Anlagen, verwendet werden soll, während die Besoldungen der Angestellten -c. aus der kö¬ niglichen Kasse fließen. Der „Oberste des Thierreichs", wie Profes¬ sor Lichtenstein immer schon von dem Publicum genannt wurde, das das zoologische Museum besucht, ist auch Vorgesetzter des neuen zoo¬ logischen Gartens, und von ihm, als einem sehr freundlichen und hu¬ manen Mann, darf wohl erwartet werden, daß er das Seinige dazu thun wird, um auch den niederen Klassen jenes Vergnügen der vier¬ füßigen Gesellschaft zu verschaffen. Nestroy aus Wien ist bis jetzt nur als „Agent Schnoferl" in der von ihm bearbeiteten Posse: „Das Mädel aus der Vorstadt" oder „Ehrlich währt am längsten" aufgetreten. Diese Rolle ist eben so wie das Stück ziemlich unbedeutend; es werden also seine weiteren Darstellungen abzuwarten sein, bevor ein Urrbeil über ihn gefällt wer¬ den kann. Vorläufig scheint es uns, als ob Nestroy hier nicht so anspräche, wie Raimund und Ignaz Schuster, die ebenfalls hier ein¬ mal auf dem Königsstädtischen Theater gastirten. An Beifall und an zweimaligem Hervorruf an jedem Abend hat es ihm zwar nicht ge¬ fehlt, doch hörten wir von mehreren Seiten im Publicum, daß es schwer sei, ihm zu folgen, da er gar zu sehr wienerisch spreche. Die Vossische Zeitung ist in Rußland verboten worden. Sie können sich denken, wie stolz das unschuldige kleine Blatt darauf ist. Sein Mit- und Hauptredacteur, Herr Ludwig Rellstab, der diese Nach¬ richt im Bade zu Teplitz erhielt, ist davon so freudig ergriffen wor¬ den, daß er völlig hergestellt ward, und daß ihm das ungeheuere Fal¬ len der Actien aller Eisenbahnen, deren Mitdireccor er ist, ziemlich gleichgültig geworden. Justus. Grenzten Is44. II.42

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/337>, abgerufen am 23.12.2024.