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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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II.
Aus Wie n.

Der König von Preußen und die heilige Allianz. -- Nußland und der öster¬
reichische Korb. -- Karlsbad und IM. -- Die böhmischen Unruhen. -- Ein
Backhändelknochen. -- Die Gebrüder Rohmer. -- Emil Dwrient. -- Dessoir.

Die ganze Woche verging in Zweifeln, ob der König von Preußen
erst hierher und dann nach Ischl oder ob er direct nach Ischl sich
begeben werde. Ein so plausibler äußerer Grund auch für den Be¬
such des preußischen Monarchen zur Schau liegt (die Begleitung der
Königin, welche die Solenbäder in Ischl brauchen wird), so ist der
politische Hintergrund dennoch kein Geheimniß. Herr von Canitz per-
sifflirt zwar mit geistreichem Spott alle diplomatischen Frager, die auf
schlauen Umwegen über den eigentlichen Zweck seines Monarchen ihn
auszuforschen gedenken; ' indessen wird selbst in den Kreisen, die dem
Fürsten Metternich näher stehen, manche Andeutung laut. Zwei
so außergewöhnliche Erscheinungen, wie der Besuch des russischen Kai¬
sers in London und der Besuch des preußischen Königs in Wien, fol¬
gen einander nicht in dem kurzen Zeitraum von wenigen Wochen
ohne politischen Commentar. Kein Mensch kann sich es verhehlen,
daß die heilige Allianz einen großen Riß bekommen hat durch die offe¬
nen und heimlichen Manipulationen, welche einer der heiligen Alliir-
ten, (ein curioser Heiliger) sich an den Grenzen, so wie im Herzen "
unserer österreichischen Heiligkeit zu Schulden kommen ließ. Die Pe¬
tersburger Schlauheit, der es gelungen ist, Slaven und Magyaren,
Czechen und Deutschböhmcn gegen einander zu Hetzen, wollte auch
die deutschen Oesterreicher bei ihrer schwachen Seite fassen, bei der
Gemüthlichkeit. Ein recht gemüthliches Familienband sollte Nußland
und Oesterreich durch die Ehe des Erzherzogs Stephan mit der ener¬
gischen und schönen Prinzessin Olga umschlingen, und das Sacrament
der Ehe sollte das Sacrament der politischen Allianz unterstützen.
"Schlau ausgedacht, Pater Lamormain." Dieser Pater war jedoch
bekanntermaßen ein Oesterreicher, und es ist uns von seiner Schlau¬
heit wenigstens so viel übrig geblieben, um nicht in die Falle zu
gehen.

Unter den merkwürdigen Trophäen, die man den fremden Rei¬
senden in Se. Petersburg zeigt, befindet sich in neuester Zeit auch
ein stattlicher Korb, den man schlechtweg den Oesterreicher nennt und
von dem die Jllustrirte nächstens eine Abbildung bringen wird, den
Text dazu wird Herr Staatsrath Gretsch in einer eigenen Brochure
herausgeben. Der russische Hof soll diesen Korb jedoch reichlich mit
bittern Früchten füllen und sie mit erster Gelegenheit nach Oesterreich
schicken wollen. Der Riß, der durch diese Geschichte in die heilige


II.
Aus Wie n.

Der König von Preußen und die heilige Allianz. — Nußland und der öster¬
reichische Korb. — Karlsbad und IM. — Die böhmischen Unruhen. — Ein
Backhändelknochen. — Die Gebrüder Rohmer. — Emil Dwrient. — Dessoir.

Die ganze Woche verging in Zweifeln, ob der König von Preußen
erst hierher und dann nach Ischl oder ob er direct nach Ischl sich
begeben werde. Ein so plausibler äußerer Grund auch für den Be¬
such des preußischen Monarchen zur Schau liegt (die Begleitung der
Königin, welche die Solenbäder in Ischl brauchen wird), so ist der
politische Hintergrund dennoch kein Geheimniß. Herr von Canitz per-
sifflirt zwar mit geistreichem Spott alle diplomatischen Frager, die auf
schlauen Umwegen über den eigentlichen Zweck seines Monarchen ihn
auszuforschen gedenken; ' indessen wird selbst in den Kreisen, die dem
Fürsten Metternich näher stehen, manche Andeutung laut. Zwei
so außergewöhnliche Erscheinungen, wie der Besuch des russischen Kai¬
sers in London und der Besuch des preußischen Königs in Wien, fol¬
gen einander nicht in dem kurzen Zeitraum von wenigen Wochen
ohne politischen Commentar. Kein Mensch kann sich es verhehlen,
daß die heilige Allianz einen großen Riß bekommen hat durch die offe¬
nen und heimlichen Manipulationen, welche einer der heiligen Alliir-
ten, (ein curioser Heiliger) sich an den Grenzen, so wie im Herzen "
unserer österreichischen Heiligkeit zu Schulden kommen ließ. Die Pe¬
tersburger Schlauheit, der es gelungen ist, Slaven und Magyaren,
Czechen und Deutschböhmcn gegen einander zu Hetzen, wollte auch
die deutschen Oesterreicher bei ihrer schwachen Seite fassen, bei der
Gemüthlichkeit. Ein recht gemüthliches Familienband sollte Nußland
und Oesterreich durch die Ehe des Erzherzogs Stephan mit der ener¬
gischen und schönen Prinzessin Olga umschlingen, und das Sacrament
der Ehe sollte das Sacrament der politischen Allianz unterstützen.
„Schlau ausgedacht, Pater Lamormain." Dieser Pater war jedoch
bekanntermaßen ein Oesterreicher, und es ist uns von seiner Schlau¬
heit wenigstens so viel übrig geblieben, um nicht in die Falle zu
gehen.

Unter den merkwürdigen Trophäen, die man den fremden Rei¬
senden in Se. Petersburg zeigt, befindet sich in neuester Zeit auch
ein stattlicher Korb, den man schlechtweg den Oesterreicher nennt und
von dem die Jllustrirte nächstens eine Abbildung bringen wird, den
Text dazu wird Herr Staatsrath Gretsch in einer eigenen Brochure
herausgeben. Der russische Hof soll diesen Korb jedoch reichlich mit
bittern Früchten füllen und sie mit erster Gelegenheit nach Oesterreich
schicken wollen. Der Riß, der durch diese Geschichte in die heilige


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[0333] II. Aus Wie n. Der König von Preußen und die heilige Allianz. — Nußland und der öster¬ reichische Korb. — Karlsbad und IM. — Die böhmischen Unruhen. — Ein Backhändelknochen. — Die Gebrüder Rohmer. — Emil Dwrient. — Dessoir. Die ganze Woche verging in Zweifeln, ob der König von Preußen erst hierher und dann nach Ischl oder ob er direct nach Ischl sich begeben werde. Ein so plausibler äußerer Grund auch für den Be¬ such des preußischen Monarchen zur Schau liegt (die Begleitung der Königin, welche die Solenbäder in Ischl brauchen wird), so ist der politische Hintergrund dennoch kein Geheimniß. Herr von Canitz per- sifflirt zwar mit geistreichem Spott alle diplomatischen Frager, die auf schlauen Umwegen über den eigentlichen Zweck seines Monarchen ihn auszuforschen gedenken; ' indessen wird selbst in den Kreisen, die dem Fürsten Metternich näher stehen, manche Andeutung laut. Zwei so außergewöhnliche Erscheinungen, wie der Besuch des russischen Kai¬ sers in London und der Besuch des preußischen Königs in Wien, fol¬ gen einander nicht in dem kurzen Zeitraum von wenigen Wochen ohne politischen Commentar. Kein Mensch kann sich es verhehlen, daß die heilige Allianz einen großen Riß bekommen hat durch die offe¬ nen und heimlichen Manipulationen, welche einer der heiligen Alliir- ten, (ein curioser Heiliger) sich an den Grenzen, so wie im Herzen " unserer österreichischen Heiligkeit zu Schulden kommen ließ. Die Pe¬ tersburger Schlauheit, der es gelungen ist, Slaven und Magyaren, Czechen und Deutschböhmcn gegen einander zu Hetzen, wollte auch die deutschen Oesterreicher bei ihrer schwachen Seite fassen, bei der Gemüthlichkeit. Ein recht gemüthliches Familienband sollte Nußland und Oesterreich durch die Ehe des Erzherzogs Stephan mit der ener¬ gischen und schönen Prinzessin Olga umschlingen, und das Sacrament der Ehe sollte das Sacrament der politischen Allianz unterstützen. „Schlau ausgedacht, Pater Lamormain." Dieser Pater war jedoch bekanntermaßen ein Oesterreicher, und es ist uns von seiner Schlau¬ heit wenigstens so viel übrig geblieben, um nicht in die Falle zu gehen. Unter den merkwürdigen Trophäen, die man den fremden Rei¬ senden in Se. Petersburg zeigt, befindet sich in neuester Zeit auch ein stattlicher Korb, den man schlechtweg den Oesterreicher nennt und von dem die Jllustrirte nächstens eine Abbildung bringen wird, den Text dazu wird Herr Staatsrath Gretsch in einer eigenen Brochure herausgeben. Der russische Hof soll diesen Korb jedoch reichlich mit bittern Früchten füllen und sie mit erster Gelegenheit nach Oesterreich schicken wollen. Der Riß, der durch diese Geschichte in die heilige

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/333>, abgerufen am 23.07.2024.