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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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Ach, ich hatte sie als Kind geseh'n,
Von der Unschuld Nöthe überflogen,
Rein und schön, als hätten gute Feen
Sie in ihrer Wiege groß gezogen.
Fort gewichen war der Geister Huld
Und sie war nur die zertretne Rose -
Weib, an Deinem Elend ist nur Schuld
Die Gesellschaft, die erbarmungslose!
Bleiches Opfer, traurig anzuschau'n,
Auf der Sünde heidnischem Altare
Liegst Du, daß die Unschuld andrer Frau'n
Sich im Hause unbefleckt bewahre!
Also stürmte ich mein Herz zur Ruh,
Doch der ernste Mann begann zu sprechen:
Nicht auf die Gesellschaft wälze Du
Allzuleicht des Einzelnen Verbrechen.
Die Gesellschaft ist ein leeres Wort,
Und Dein Dichterherz ist zu geduldig,
Wirf die Milde, die Dich irr macht, fort,
Seiner Schuld ist jeder Einzle schuldig!
Du bist schwach, o wappne Deine Seele,
Was Du weiter sahest, o erzähle!
Ich darauf: Ein Wandrer durch die Stadt,
Blickt' ich durch der Armen Fensterscheiben,
Und ich sah beim Scheine bleich und matt
Noth und Sünde ihr Gewerbe treiben.
Was ich so geseh'n, vergeß' ich nie,
Kinder hört' ich wimmern, sterbensmatte,
Weil der Mutter welke Brust für sie
Keinen Tropfen süßer Labung hatte.
Schuldlos sterben in der Mutter Hut,'
Und doch ist's ein Wunder, hold und milde,
Wie in Mutterbrust aus rothem Blut
Weiße Milch sich scheide und sich bilde.
Wer die Tiefe solchen Wunders ehrt,
Trällert nicht, wenn er es nicht kann glauben,

Ach, ich hatte sie als Kind geseh'n,
Von der Unschuld Nöthe überflogen,
Rein und schön, als hätten gute Feen
Sie in ihrer Wiege groß gezogen.
Fort gewichen war der Geister Huld
Und sie war nur die zertretne Rose -
Weib, an Deinem Elend ist nur Schuld
Die Gesellschaft, die erbarmungslose!
Bleiches Opfer, traurig anzuschau'n,
Auf der Sünde heidnischem Altare
Liegst Du, daß die Unschuld andrer Frau'n
Sich im Hause unbefleckt bewahre!
Also stürmte ich mein Herz zur Ruh,
Doch der ernste Mann begann zu sprechen:
Nicht auf die Gesellschaft wälze Du
Allzuleicht des Einzelnen Verbrechen.
Die Gesellschaft ist ein leeres Wort,
Und Dein Dichterherz ist zu geduldig,
Wirf die Milde, die Dich irr macht, fort,
Seiner Schuld ist jeder Einzle schuldig!
Du bist schwach, o wappne Deine Seele,
Was Du weiter sahest, o erzähle!
Ich darauf: Ein Wandrer durch die Stadt,
Blickt' ich durch der Armen Fensterscheiben,
Und ich sah beim Scheine bleich und matt
Noth und Sünde ihr Gewerbe treiben.
Was ich so geseh'n, vergeß' ich nie,
Kinder hört' ich wimmern, sterbensmatte,
Weil der Mutter welke Brust für sie
Keinen Tropfen süßer Labung hatte.
Schuldlos sterben in der Mutter Hut,'
Und doch ist's ein Wunder, hold und milde,
Wie in Mutterbrust aus rothem Blut
Weiße Milch sich scheide und sich bilde.
Wer die Tiefe solchen Wunders ehrt,
Trällert nicht, wenn er es nicht kann glauben,

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[0327] Ach, ich hatte sie als Kind geseh'n, Von der Unschuld Nöthe überflogen, Rein und schön, als hätten gute Feen Sie in ihrer Wiege groß gezogen. Fort gewichen war der Geister Huld Und sie war nur die zertretne Rose - Weib, an Deinem Elend ist nur Schuld Die Gesellschaft, die erbarmungslose! Bleiches Opfer, traurig anzuschau'n, Auf der Sünde heidnischem Altare Liegst Du, daß die Unschuld andrer Frau'n Sich im Hause unbefleckt bewahre! Also stürmte ich mein Herz zur Ruh, Doch der ernste Mann begann zu sprechen: Nicht auf die Gesellschaft wälze Du Allzuleicht des Einzelnen Verbrechen. Die Gesellschaft ist ein leeres Wort, Und Dein Dichterherz ist zu geduldig, Wirf die Milde, die Dich irr macht, fort, Seiner Schuld ist jeder Einzle schuldig! Du bist schwach, o wappne Deine Seele, Was Du weiter sahest, o erzähle! Ich darauf: Ein Wandrer durch die Stadt, Blickt' ich durch der Armen Fensterscheiben, Und ich sah beim Scheine bleich und matt Noth und Sünde ihr Gewerbe treiben. Was ich so geseh'n, vergeß' ich nie, Kinder hört' ich wimmern, sterbensmatte, Weil der Mutter welke Brust für sie Keinen Tropfen süßer Labung hatte. Schuldlos sterben in der Mutter Hut,' Und doch ist's ein Wunder, hold und milde, Wie in Mutterbrust aus rothem Blut Weiße Milch sich scheide und sich bilde. Wer die Tiefe solchen Wunders ehrt, Trällert nicht, wenn er es nicht kann glauben,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/327>, abgerufen am 23.12.2024.