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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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Würdigkeiten auf Messen und Jahrmärkten sehen lassen. -- "Ich habe
nie gewagt, einen (Papiergeld-Zettel) anzufassen, weil man mir ge¬
sagt hat, von drei Menschen im Volk hätten zwei die Krätze!" Pfui!
so ordinär ist Gustav Nicolai nie geworden, doch das kommt viel¬
leicht daher, weil ihm die Zirkel verschlossen sind, wo man sich ver¬
traulich über das "Volk" unterhält. -- Weiter: "Mit Erstaunen sah
ich, welchen Werth man hier zu Lande auf Blumen legt, denn ein
Paar Damen hatten große Sträuße in den Händen, und zwar --
von Chamillen!" Jene Damen waren ohne Zweifel mit der Lectüre
eines Hahn-Hahn'schen Buches beschäftigt und wollten sich Chamil-
lenthee kochen. -- Von den Schwedinnen sagt die Gräfin auch: "Ich
wundere mich, daß sich hier nicht alle Frauen auf's Reiten legen!"
Da kann man ihr aber die beruhigende Versicherung geben, daß
wenigstens den Stockholmer Damen in diesem Punkte kein Vorwurf
zu machen ist.

Ueber die schwedische Kochkunst, welche doch eigentlich in ihr
Fach schlägt, fällt die Nachahmerin Nicolai's folgendes Urtheil: "Lachs
und Aal, Erdbeeren und saure Milch sind die Hauptbestandtheile des
Speisezettels im Hütel du Nord." Der Reisende mag sich durch diese
Schilderung, die schon Choleragefühle in uns erweckt, nicht irre ma¬
chen lassen. Ich habe mehrmals ein sehr gutes Diner im Hütel du
Nord gehalten, und die dortige Karte zählt täglich mehr als zwanzig
Gerichte auf. Allein Jda Hahn-Hahn hat einmal die Intention,
Alles zu entstellen, darum sucht sie nur die Fische, die Compots und
llol-s et'oeuvrvs aus. Das ist gerade, als ob man von einer nam¬
haften deutschen Restauration behaupten wollte, daß es dort nur grü¬
nen Sallat und saure Gurken, PreißclSbeeren und marinirte Häringe
gebe.

In Bezug auf die Landessprache läßt unsere Reisende sich also
vernehmen: "schwedisch verstehe ich nicht--merkwürdiger Weise! --
bin ich immer geneigt zu sagen; denn wenn ich es höre, so mein'
ich es bei einem gewissen germanischen Klang fassen zu können. Die
Aussprache des ä ist ganz plattdeutsch, und manche deutsche Worte
kommen auch vor, aber sie haben andere Bedeutung und werden
anders ausgesprochen, als bei uns, so daß einem das Verstehen deS
Wortes doch nicht Verständniß des Sinnes gibt, und nur Verwun¬
derung, warum ich es nicht verstehe." Mich erinnert das lebhaft an


Würdigkeiten auf Messen und Jahrmärkten sehen lassen. — „Ich habe
nie gewagt, einen (Papiergeld-Zettel) anzufassen, weil man mir ge¬
sagt hat, von drei Menschen im Volk hätten zwei die Krätze!" Pfui!
so ordinär ist Gustav Nicolai nie geworden, doch das kommt viel¬
leicht daher, weil ihm die Zirkel verschlossen sind, wo man sich ver¬
traulich über das „Volk" unterhält. — Weiter: „Mit Erstaunen sah
ich, welchen Werth man hier zu Lande auf Blumen legt, denn ein
Paar Damen hatten große Sträuße in den Händen, und zwar —
von Chamillen!" Jene Damen waren ohne Zweifel mit der Lectüre
eines Hahn-Hahn'schen Buches beschäftigt und wollten sich Chamil-
lenthee kochen. — Von den Schwedinnen sagt die Gräfin auch: „Ich
wundere mich, daß sich hier nicht alle Frauen auf's Reiten legen!"
Da kann man ihr aber die beruhigende Versicherung geben, daß
wenigstens den Stockholmer Damen in diesem Punkte kein Vorwurf
zu machen ist.

Ueber die schwedische Kochkunst, welche doch eigentlich in ihr
Fach schlägt, fällt die Nachahmerin Nicolai's folgendes Urtheil: „Lachs
und Aal, Erdbeeren und saure Milch sind die Hauptbestandtheile des
Speisezettels im Hütel du Nord." Der Reisende mag sich durch diese
Schilderung, die schon Choleragefühle in uns erweckt, nicht irre ma¬
chen lassen. Ich habe mehrmals ein sehr gutes Diner im Hütel du
Nord gehalten, und die dortige Karte zählt täglich mehr als zwanzig
Gerichte auf. Allein Jda Hahn-Hahn hat einmal die Intention,
Alles zu entstellen, darum sucht sie nur die Fische, die Compots und
llol-s et'oeuvrvs aus. Das ist gerade, als ob man von einer nam¬
haften deutschen Restauration behaupten wollte, daß es dort nur grü¬
nen Sallat und saure Gurken, PreißclSbeeren und marinirte Häringe
gebe.

In Bezug auf die Landessprache läßt unsere Reisende sich also
vernehmen: „schwedisch verstehe ich nicht—merkwürdiger Weise! —
bin ich immer geneigt zu sagen; denn wenn ich es höre, so mein'
ich es bei einem gewissen germanischen Klang fassen zu können. Die
Aussprache des ä ist ganz plattdeutsch, und manche deutsche Worte
kommen auch vor, aber sie haben andere Bedeutung und werden
anders ausgesprochen, als bei uns, so daß einem das Verstehen deS
Wortes doch nicht Verständniß des Sinnes gibt, und nur Verwun¬
derung, warum ich es nicht verstehe." Mich erinnert das lebhaft an


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[0318] Würdigkeiten auf Messen und Jahrmärkten sehen lassen. — „Ich habe nie gewagt, einen (Papiergeld-Zettel) anzufassen, weil man mir ge¬ sagt hat, von drei Menschen im Volk hätten zwei die Krätze!" Pfui! so ordinär ist Gustav Nicolai nie geworden, doch das kommt viel¬ leicht daher, weil ihm die Zirkel verschlossen sind, wo man sich ver¬ traulich über das „Volk" unterhält. — Weiter: „Mit Erstaunen sah ich, welchen Werth man hier zu Lande auf Blumen legt, denn ein Paar Damen hatten große Sträuße in den Händen, und zwar — von Chamillen!" Jene Damen waren ohne Zweifel mit der Lectüre eines Hahn-Hahn'schen Buches beschäftigt und wollten sich Chamil- lenthee kochen. — Von den Schwedinnen sagt die Gräfin auch: „Ich wundere mich, daß sich hier nicht alle Frauen auf's Reiten legen!" Da kann man ihr aber die beruhigende Versicherung geben, daß wenigstens den Stockholmer Damen in diesem Punkte kein Vorwurf zu machen ist. Ueber die schwedische Kochkunst, welche doch eigentlich in ihr Fach schlägt, fällt die Nachahmerin Nicolai's folgendes Urtheil: „Lachs und Aal, Erdbeeren und saure Milch sind die Hauptbestandtheile des Speisezettels im Hütel du Nord." Der Reisende mag sich durch diese Schilderung, die schon Choleragefühle in uns erweckt, nicht irre ma¬ chen lassen. Ich habe mehrmals ein sehr gutes Diner im Hütel du Nord gehalten, und die dortige Karte zählt täglich mehr als zwanzig Gerichte auf. Allein Jda Hahn-Hahn hat einmal die Intention, Alles zu entstellen, darum sucht sie nur die Fische, die Compots und llol-s et'oeuvrvs aus. Das ist gerade, als ob man von einer nam¬ haften deutschen Restauration behaupten wollte, daß es dort nur grü¬ nen Sallat und saure Gurken, PreißclSbeeren und marinirte Häringe gebe. In Bezug auf die Landessprache läßt unsere Reisende sich also vernehmen: „schwedisch verstehe ich nicht—merkwürdiger Weise! — bin ich immer geneigt zu sagen; denn wenn ich es höre, so mein' ich es bei einem gewissen germanischen Klang fassen zu können. Die Aussprache des ä ist ganz plattdeutsch, und manche deutsche Worte kommen auch vor, aber sie haben andere Bedeutung und werden anders ausgesprochen, als bei uns, so daß einem das Verstehen deS Wortes doch nicht Verständniß des Sinnes gibt, und nur Verwun¬ derung, warum ich es nicht verstehe." Mich erinnert das lebhaft an

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/318>, abgerufen am 23.12.2024.