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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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und einer anständigen Dienerschaft allein zu reisen. Elisa, von der
Angst verfolgt, ihre Wohlthäterin könnte bei dieser Gelegenheit den
Plan hegen, sie ganz in Rußland zurückzulassen, bezwang gewaltsam
den Schmerz einer so langen Trennung von dem Geliebten und that
Alles, um sich die volle Gunst der Fürstin wieder zu gewinnen. Je¬
der Blick, jede Bewegung in Gegenwart Thomaso'S wurde beherrscht,
damit nur wo möglich die Erinnerung an das Vorgefallene vorerst
ganz in den Hintergrund trete, und nur unter Zittern und Zagen
begab sie sich am Abend vor der Abreise zu einem letzten Rendezvous
in den Park, hoffend, die Fürstin, von Abschiedsbesuchen umringt,
werde sie für kurze Zeit nicht vermissen.

Rasch eilte sie durch die balsamischen Duft aushauchenden Vlu-
mengänge in die schattigen Alleen hin, welche zu dem bestimmten
Platz führten, als ihr plötzlich Fürst Thomas entgegentrat. Die Her¬
ren hatten einem Diner in der Nachbarschaft beigewohnt, wobei der
Champagner nicht gespart wurde, und so glühten denn die Wangen
des Oberhaupts der MantiniS in fast jugendlichem Noth, seine Au¬
gen sprühten Feuer, und. er schien ganz in der geeigneten Stimmung,
die Würde seines Wesens ein Mal in einem kleinen angenehmen
Delassement zu verläugnen.

Aus keinem andern Grunde nun hielt er die nach einer tiefen
Verneigung eiligst vorüber wollende Elisa, die er sonst vornehm zu
übersehen pflegte, mit freundlichen Worten auf, faßte sie unter dein
Arm und kehrte mit ihr um in das verschwiegene Laubgrün. Anfangs
war die Arme über eine solche Begegnung höchst erschrocken; sobald
sie sich aber gefaßt und den gefürchteten Herrn so freundlich sah,
hielt sie dieselbe für eine gütige Vermittlung ihres Genius und be¬
schloß, die Gelegenheit nicht vorübergehen zu lassen, ohne sich wo
möglich in der gewichtigen fürstlichen Gunst festzusetzen. Sie küßte
demnach ehrerbietigst die ihr dargebotene Hand, welche sich alsbald
herabließ, die jugendliche Stirn und Wange liebkosend zu streicheln,
und nahm mit Entzücken die lobenden Worte in sich auf, die der
ganz verändert scheinende, redselige Fürst ihr spendete. -- Haben sich
vortrefflich in meinem Hause betragen, sagte er, sie an sich drückend,
die jungen Leute sich fern gehalten, deren thörichtes Geschwätz immer
Unheil bringt, und mau könnte Sie Andern zum Muster aufstellen.
Da ist zum Beispiel die Mattanna Ricci, die den Lorenzo an sich


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und einer anständigen Dienerschaft allein zu reisen. Elisa, von der
Angst verfolgt, ihre Wohlthäterin könnte bei dieser Gelegenheit den
Plan hegen, sie ganz in Rußland zurückzulassen, bezwang gewaltsam
den Schmerz einer so langen Trennung von dem Geliebten und that
Alles, um sich die volle Gunst der Fürstin wieder zu gewinnen. Je¬
der Blick, jede Bewegung in Gegenwart Thomaso'S wurde beherrscht,
damit nur wo möglich die Erinnerung an das Vorgefallene vorerst
ganz in den Hintergrund trete, und nur unter Zittern und Zagen
begab sie sich am Abend vor der Abreise zu einem letzten Rendezvous
in den Park, hoffend, die Fürstin, von Abschiedsbesuchen umringt,
werde sie für kurze Zeit nicht vermissen.

Rasch eilte sie durch die balsamischen Duft aushauchenden Vlu-
mengänge in die schattigen Alleen hin, welche zu dem bestimmten
Platz führten, als ihr plötzlich Fürst Thomas entgegentrat. Die Her¬
ren hatten einem Diner in der Nachbarschaft beigewohnt, wobei der
Champagner nicht gespart wurde, und so glühten denn die Wangen
des Oberhaupts der MantiniS in fast jugendlichem Noth, seine Au¬
gen sprühten Feuer, und. er schien ganz in der geeigneten Stimmung,
die Würde seines Wesens ein Mal in einem kleinen angenehmen
Delassement zu verläugnen.

Aus keinem andern Grunde nun hielt er die nach einer tiefen
Verneigung eiligst vorüber wollende Elisa, die er sonst vornehm zu
übersehen pflegte, mit freundlichen Worten auf, faßte sie unter dein
Arm und kehrte mit ihr um in das verschwiegene Laubgrün. Anfangs
war die Arme über eine solche Begegnung höchst erschrocken; sobald
sie sich aber gefaßt und den gefürchteten Herrn so freundlich sah,
hielt sie dieselbe für eine gütige Vermittlung ihres Genius und be¬
schloß, die Gelegenheit nicht vorübergehen zu lassen, ohne sich wo
möglich in der gewichtigen fürstlichen Gunst festzusetzen. Sie küßte
demnach ehrerbietigst die ihr dargebotene Hand, welche sich alsbald
herabließ, die jugendliche Stirn und Wange liebkosend zu streicheln,
und nahm mit Entzücken die lobenden Worte in sich auf, die der
ganz verändert scheinende, redselige Fürst ihr spendete. — Haben sich
vortrefflich in meinem Hause betragen, sagte er, sie an sich drückend,
die jungen Leute sich fern gehalten, deren thörichtes Geschwätz immer
Unheil bringt, und mau könnte Sie Andern zum Muster aufstellen.
Da ist zum Beispiel die Mattanna Ricci, die den Lorenzo an sich


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[0307] und einer anständigen Dienerschaft allein zu reisen. Elisa, von der Angst verfolgt, ihre Wohlthäterin könnte bei dieser Gelegenheit den Plan hegen, sie ganz in Rußland zurückzulassen, bezwang gewaltsam den Schmerz einer so langen Trennung von dem Geliebten und that Alles, um sich die volle Gunst der Fürstin wieder zu gewinnen. Je¬ der Blick, jede Bewegung in Gegenwart Thomaso'S wurde beherrscht, damit nur wo möglich die Erinnerung an das Vorgefallene vorerst ganz in den Hintergrund trete, und nur unter Zittern und Zagen begab sie sich am Abend vor der Abreise zu einem letzten Rendezvous in den Park, hoffend, die Fürstin, von Abschiedsbesuchen umringt, werde sie für kurze Zeit nicht vermissen. Rasch eilte sie durch die balsamischen Duft aushauchenden Vlu- mengänge in die schattigen Alleen hin, welche zu dem bestimmten Platz führten, als ihr plötzlich Fürst Thomas entgegentrat. Die Her¬ ren hatten einem Diner in der Nachbarschaft beigewohnt, wobei der Champagner nicht gespart wurde, und so glühten denn die Wangen des Oberhaupts der MantiniS in fast jugendlichem Noth, seine Au¬ gen sprühten Feuer, und. er schien ganz in der geeigneten Stimmung, die Würde seines Wesens ein Mal in einem kleinen angenehmen Delassement zu verläugnen. Aus keinem andern Grunde nun hielt er die nach einer tiefen Verneigung eiligst vorüber wollende Elisa, die er sonst vornehm zu übersehen pflegte, mit freundlichen Worten auf, faßte sie unter dein Arm und kehrte mit ihr um in das verschwiegene Laubgrün. Anfangs war die Arme über eine solche Begegnung höchst erschrocken; sobald sie sich aber gefaßt und den gefürchteten Herrn so freundlich sah, hielt sie dieselbe für eine gütige Vermittlung ihres Genius und be¬ schloß, die Gelegenheit nicht vorübergehen zu lassen, ohne sich wo möglich in der gewichtigen fürstlichen Gunst festzusetzen. Sie küßte demnach ehrerbietigst die ihr dargebotene Hand, welche sich alsbald herabließ, die jugendliche Stirn und Wange liebkosend zu streicheln, und nahm mit Entzücken die lobenden Worte in sich auf, die der ganz verändert scheinende, redselige Fürst ihr spendete. — Haben sich vortrefflich in meinem Hause betragen, sagte er, sie an sich drückend, die jungen Leute sich fern gehalten, deren thörichtes Geschwätz immer Unheil bringt, und mau könnte Sie Andern zum Muster aufstellen. Da ist zum Beispiel die Mattanna Ricci, die den Lorenzo an sich 38 »

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/307>, abgerufen am 23.07.2024.