Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

ten gelinden Graus und Schreck. Haben wir doch an der Altonaer
Concurrenz hinlänglich genug. Mit uns an derselben Elbseite belegen,
kann man der Stadt, die allnahe ist, die hundertjährigen Rechte so
wenig wegstreiten, wie die Tiefe und Sicherheit des Hafcnbassins.
Doch da drüben am anderen Elbufer soll und darf es nicht geheuer
sein. Daher sammelt man mit emsigster Sorgfalt alle Notizen über
beschädigte und fcstgerannte Schisse, die am hannöverschen Gegenüber
vorbeisegeln wollten, und veröffentlicht Alles in unseren Localblättern.
Ob aber die starrköpfige hannöver'sche Regierung das Haarburger Ha-
fenproject deshalb fahren lassen wird? -- Da wir uns gerade auf
dem Wasser befinden, so muß ich einer entsetzlichen Gefahr erwähnen,
der sämmtliche an der Hamburger Seite vor Anker liegenden Schiffe
in voriger Woche ausgesetzt waren. Der englische Schooner Veritas
lief ein, nachdem er angezeigt, fünf Tonnen Schießpulver am Bord
zu haben, und auch für diese, bei welchen man sich fünf kleine Tönn-
chen, nicht aber das Tonnengewicht, also mehrere hundert Fasser ge¬
dacht haben mochte, die Autorisation der Einführung erhalten hatte.
Das Schiff, geschwängert mit dem unwiderstehlichsten Elemente des
Todes und Verderbens, legt sich vor Anker, und kaum einige Schritte
weit von den Pulvcrmassen lodert das Feuer der Schiffsküche, und
die Funken sprühen an die lockere Bretterwand. Ohne den Besuch
der Jollofsizianten am Bord des Höllenschisses wäre seine mörderische
Ladung entweder unentdeckt geblieben, oder mit der eingetretenen Er¬
plosion wäre eine ganze Stadt von Schiffen nicht in 'das Fahrwas¬
ser, sondern gen Himmel gesegelt. Selbst nach gemachter Entdeckung
der Gefahr kostete es, da das englische Pulverschiff bereits inclarirt
war und zu seiner Entfernung neue Formalitäten erforderlich wurden,
viel Zeit und Mühe, ehe es elbabwärts auf dem breiten Rücken des
Stromes zum beliebigen Verweilen die Anker auswerfen, konnte.
Wäre hier nicht ein schöner Stoss für eine Scene in einem Sec-
oder Flußroman -i w Marrvat und Cooper?

Um schleunig wieder aufs Trockene zu kommen, rede ich -- er¬
schrecken Sie nicht -- vom Theater. Doch nur ganz kurz. Ueber-
morgen haben wir hier nach endlosen Vorbereitungen die Antigone.
Dem Grabe durch eine Caprice und forcirte Begeisterung für das
alte Hellenenthum entrissen, hat die griechische Dame bei uns keine
allzu glühende Huldigungen zu erwarten. Daß sie die Hamburger
bei einiger Trefflichkeit der Darstellung zu verblüffen wissen und an
einigen Abenden bei allgemeiner Neugier das große Schauspielhaus
füllen wird, ist eher zu glauben. Gleich dem Berliner sich zu einem
künstlichen Enthusiasmus hinaufzuschrauben, auf der Stirn Tropfen
der Erregung zu schwitzen, wenn auch das Herz kalt bleibt, derglei¬
chen toui-s 6e den-ce treibt der Hamburger nicht. -- Wir haben auch
dem Sommernachtstraum ziemlich kalt unseren Respect bezeigt. -


36 "

ten gelinden Graus und Schreck. Haben wir doch an der Altonaer
Concurrenz hinlänglich genug. Mit uns an derselben Elbseite belegen,
kann man der Stadt, die allnahe ist, die hundertjährigen Rechte so
wenig wegstreiten, wie die Tiefe und Sicherheit des Hafcnbassins.
Doch da drüben am anderen Elbufer soll und darf es nicht geheuer
sein. Daher sammelt man mit emsigster Sorgfalt alle Notizen über
beschädigte und fcstgerannte Schisse, die am hannöverschen Gegenüber
vorbeisegeln wollten, und veröffentlicht Alles in unseren Localblättern.
Ob aber die starrköpfige hannöver'sche Regierung das Haarburger Ha-
fenproject deshalb fahren lassen wird? — Da wir uns gerade auf
dem Wasser befinden, so muß ich einer entsetzlichen Gefahr erwähnen,
der sämmtliche an der Hamburger Seite vor Anker liegenden Schiffe
in voriger Woche ausgesetzt waren. Der englische Schooner Veritas
lief ein, nachdem er angezeigt, fünf Tonnen Schießpulver am Bord
zu haben, und auch für diese, bei welchen man sich fünf kleine Tönn-
chen, nicht aber das Tonnengewicht, also mehrere hundert Fasser ge¬
dacht haben mochte, die Autorisation der Einführung erhalten hatte.
Das Schiff, geschwängert mit dem unwiderstehlichsten Elemente des
Todes und Verderbens, legt sich vor Anker, und kaum einige Schritte
weit von den Pulvcrmassen lodert das Feuer der Schiffsküche, und
die Funken sprühen an die lockere Bretterwand. Ohne den Besuch
der Jollofsizianten am Bord des Höllenschisses wäre seine mörderische
Ladung entweder unentdeckt geblieben, oder mit der eingetretenen Er¬
plosion wäre eine ganze Stadt von Schiffen nicht in 'das Fahrwas¬
ser, sondern gen Himmel gesegelt. Selbst nach gemachter Entdeckung
der Gefahr kostete es, da das englische Pulverschiff bereits inclarirt
war und zu seiner Entfernung neue Formalitäten erforderlich wurden,
viel Zeit und Mühe, ehe es elbabwärts auf dem breiten Rücken des
Stromes zum beliebigen Verweilen die Anker auswerfen, konnte.
Wäre hier nicht ein schöner Stoss für eine Scene in einem Sec-
oder Flußroman -i w Marrvat und Cooper?

Um schleunig wieder aufs Trockene zu kommen, rede ich — er¬
schrecken Sie nicht — vom Theater. Doch nur ganz kurz. Ueber-
morgen haben wir hier nach endlosen Vorbereitungen die Antigone.
Dem Grabe durch eine Caprice und forcirte Begeisterung für das
alte Hellenenthum entrissen, hat die griechische Dame bei uns keine
allzu glühende Huldigungen zu erwarten. Daß sie die Hamburger
bei einiger Trefflichkeit der Darstellung zu verblüffen wissen und an
einigen Abenden bei allgemeiner Neugier das große Schauspielhaus
füllen wird, ist eher zu glauben. Gleich dem Berliner sich zu einem
künstlichen Enthusiasmus hinaufzuschrauben, auf der Stirn Tropfen
der Erregung zu schwitzen, wenn auch das Herz kalt bleibt, derglei¬
chen toui-s 6e den-ce treibt der Hamburger nicht. — Wir haben auch
dem Sommernachtstraum ziemlich kalt unseren Respect bezeigt. -


36 »
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0291" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/180850"/>
            <p xml:id="ID_689" prev="#ID_688"> ten gelinden Graus und Schreck. Haben wir doch an der Altonaer<lb/>
Concurrenz hinlänglich genug. Mit uns an derselben Elbseite belegen,<lb/>
kann man der Stadt, die allnahe ist, die hundertjährigen Rechte so<lb/>
wenig wegstreiten, wie die Tiefe und Sicherheit des Hafcnbassins.<lb/>
Doch da drüben am anderen Elbufer soll und darf es nicht geheuer<lb/>
sein. Daher sammelt man mit emsigster Sorgfalt alle Notizen über<lb/>
beschädigte und fcstgerannte Schisse, die am hannöverschen Gegenüber<lb/>
vorbeisegeln wollten, und veröffentlicht Alles in unseren Localblättern.<lb/>
Ob aber die starrköpfige hannöver'sche Regierung das Haarburger Ha-<lb/>
fenproject deshalb fahren lassen wird? &#x2014; Da wir uns gerade auf<lb/>
dem Wasser befinden, so muß ich einer entsetzlichen Gefahr erwähnen,<lb/>
der sämmtliche an der Hamburger Seite vor Anker liegenden Schiffe<lb/>
in voriger Woche ausgesetzt waren. Der englische Schooner Veritas<lb/>
lief ein, nachdem er angezeigt, fünf Tonnen Schießpulver am Bord<lb/>
zu haben, und auch für diese, bei welchen man sich fünf kleine Tönn-<lb/>
chen, nicht aber das Tonnengewicht, also mehrere hundert Fasser ge¬<lb/>
dacht haben mochte, die Autorisation der Einführung erhalten hatte.<lb/>
Das Schiff, geschwängert mit dem unwiderstehlichsten Elemente des<lb/>
Todes und Verderbens, legt sich vor Anker, und kaum einige Schritte<lb/>
weit von den Pulvcrmassen lodert das Feuer der Schiffsküche, und<lb/>
die Funken sprühen an die lockere Bretterwand. Ohne den Besuch<lb/>
der Jollofsizianten am Bord des Höllenschisses wäre seine mörderische<lb/>
Ladung entweder unentdeckt geblieben, oder mit der eingetretenen Er¬<lb/>
plosion wäre eine ganze Stadt von Schiffen nicht in 'das Fahrwas¬<lb/>
ser, sondern gen Himmel gesegelt. Selbst nach gemachter Entdeckung<lb/>
der Gefahr kostete es, da das englische Pulverschiff bereits inclarirt<lb/>
war und zu seiner Entfernung neue Formalitäten erforderlich wurden,<lb/>
viel Zeit und Mühe, ehe es elbabwärts auf dem breiten Rücken des<lb/>
Stromes zum beliebigen Verweilen die Anker auswerfen, konnte.<lb/>
Wäre hier nicht ein schöner Stoss für eine Scene in einem Sec-<lb/>
oder Flußroman -i w Marrvat und Cooper?</p><lb/>
            <p xml:id="ID_690" next="#ID_691"> Um schleunig wieder aufs Trockene zu kommen, rede ich &#x2014; er¬<lb/>
schrecken Sie nicht &#x2014; vom Theater. Doch nur ganz kurz. Ueber-<lb/>
morgen haben wir hier nach endlosen Vorbereitungen die Antigone.<lb/>
Dem Grabe durch eine Caprice und forcirte Begeisterung für das<lb/>
alte Hellenenthum entrissen, hat die griechische Dame bei uns keine<lb/>
allzu glühende Huldigungen zu erwarten. Daß sie die Hamburger<lb/>
bei einiger Trefflichkeit der Darstellung zu verblüffen wissen und an<lb/>
einigen Abenden bei allgemeiner Neugier das große Schauspielhaus<lb/>
füllen wird, ist eher zu glauben. Gleich dem Berliner sich zu einem<lb/>
künstlichen Enthusiasmus hinaufzuschrauben, auf der Stirn Tropfen<lb/>
der Erregung zu schwitzen, wenn auch das Herz kalt bleibt, derglei¬<lb/>
chen toui-s 6e den-ce treibt der Hamburger nicht. &#x2014; Wir haben auch<lb/>
dem Sommernachtstraum ziemlich kalt unseren Respect bezeigt. -</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> 36 »</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0291] ten gelinden Graus und Schreck. Haben wir doch an der Altonaer Concurrenz hinlänglich genug. Mit uns an derselben Elbseite belegen, kann man der Stadt, die allnahe ist, die hundertjährigen Rechte so wenig wegstreiten, wie die Tiefe und Sicherheit des Hafcnbassins. Doch da drüben am anderen Elbufer soll und darf es nicht geheuer sein. Daher sammelt man mit emsigster Sorgfalt alle Notizen über beschädigte und fcstgerannte Schisse, die am hannöverschen Gegenüber vorbeisegeln wollten, und veröffentlicht Alles in unseren Localblättern. Ob aber die starrköpfige hannöver'sche Regierung das Haarburger Ha- fenproject deshalb fahren lassen wird? — Da wir uns gerade auf dem Wasser befinden, so muß ich einer entsetzlichen Gefahr erwähnen, der sämmtliche an der Hamburger Seite vor Anker liegenden Schiffe in voriger Woche ausgesetzt waren. Der englische Schooner Veritas lief ein, nachdem er angezeigt, fünf Tonnen Schießpulver am Bord zu haben, und auch für diese, bei welchen man sich fünf kleine Tönn- chen, nicht aber das Tonnengewicht, also mehrere hundert Fasser ge¬ dacht haben mochte, die Autorisation der Einführung erhalten hatte. Das Schiff, geschwängert mit dem unwiderstehlichsten Elemente des Todes und Verderbens, legt sich vor Anker, und kaum einige Schritte weit von den Pulvcrmassen lodert das Feuer der Schiffsküche, und die Funken sprühen an die lockere Bretterwand. Ohne den Besuch der Jollofsizianten am Bord des Höllenschisses wäre seine mörderische Ladung entweder unentdeckt geblieben, oder mit der eingetretenen Er¬ plosion wäre eine ganze Stadt von Schiffen nicht in 'das Fahrwas¬ ser, sondern gen Himmel gesegelt. Selbst nach gemachter Entdeckung der Gefahr kostete es, da das englische Pulverschiff bereits inclarirt war und zu seiner Entfernung neue Formalitäten erforderlich wurden, viel Zeit und Mühe, ehe es elbabwärts auf dem breiten Rücken des Stromes zum beliebigen Verweilen die Anker auswerfen, konnte. Wäre hier nicht ein schöner Stoss für eine Scene in einem Sec- oder Flußroman -i w Marrvat und Cooper? Um schleunig wieder aufs Trockene zu kommen, rede ich — er¬ schrecken Sie nicht — vom Theater. Doch nur ganz kurz. Ueber- morgen haben wir hier nach endlosen Vorbereitungen die Antigone. Dem Grabe durch eine Caprice und forcirte Begeisterung für das alte Hellenenthum entrissen, hat die griechische Dame bei uns keine allzu glühende Huldigungen zu erwarten. Daß sie die Hamburger bei einiger Trefflichkeit der Darstellung zu verblüffen wissen und an einigen Abenden bei allgemeiner Neugier das große Schauspielhaus füllen wird, ist eher zu glauben. Gleich dem Berliner sich zu einem künstlichen Enthusiasmus hinaufzuschrauben, auf der Stirn Tropfen der Erregung zu schwitzen, wenn auch das Herz kalt bleibt, derglei¬ chen toui-s 6e den-ce treibt der Hamburger nicht. — Wir haben auch dem Sommernachtstraum ziemlich kalt unseren Respect bezeigt. - 36 »

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/291
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/291>, abgerufen am 23.12.2024.