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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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sagen. Aus Haß gegen den Herzog von Guise verschafft ihnen Ka¬
tharina von Medicis eine Zusammenkunft bei dem Astrologen Rug-
gieri. Saint-Mvgrin erklärt seine Liebe; die Herzogin hört ihn an
und verschwindet dann, um dem Herzog Platz zu machen, der an¬
kommt, ein Taschentuch seiner Gattin findet, wieder nach Hause eilt,
die Herzogin zwingt -- er droht ihr die Hand zu zerquetschen --
eine Einladung an Saint-Mvgrin zu einem Rendezvous in ihren
Zimmern im Palast Guise zu schreiben. Der getäuschte Liebhaber
eilt zum Rendezvous, und der Herzog läßt ihn ermorden. Das ist
die ganze Intrigue; sie verschwindet fast unter dem überreichlicher
Beiwerke und den Tableaur, die Henri III. und seinen Hof darstel¬
len. In seiner Freude, endlich einmal statt der ewigen Griechen und
Römer die Höflinge Henri's III. in Wams und t>init-av8-ekiui8"eil,
Bilboauet oder Sarbacane spielend und 8auA-I)im fluchend, zu se¬
hen, verzieh das Publicum gern die Armuth der Erfindung, die Lang¬
samkeit der Handlung, die pomphaften, trivialen, oder schleppenden
Dialoge, den Mangel an Festigkeit und Ausführung in der Zeich¬
nung der Charaktere. ES that noch mehr; das Stück hatte zwei
oder drei sehr dramatische Situationen, vorzüglich im dritten und im
fünften Act; das Publicum war entzückt davon, erklärte das Ganze
für erhaben und Dumas für den französischen Shakspeare.

Inmitten der Zerstreuungen seines jungen Glückes fand Dumas
keinen Muth, ein neues Werk zu schreiben; um das Publicum zu
befriedigen, kam er auf den Einfall, seine alte Tragödie Christine
nach dem Geschmack deö Tages umzuarbeiten. So wurde daraus
ein romantisches Drama, das er StocKIwIm, ^ootainedleitu et Kome
eine dramatische Trilogie nannte. Das Stück wurde im Odeon
am 30. März 1830 aufgeführt und hatte zweifelhaften Erfolg. Diese
Trilogie (in Versen) bietet einige schöne Scenen, einige Detailschön¬
heiten dar, aber man kann sich keine sinnlosere Lectüre denken; es ist
eine Zusammenstellung von einzelnen Theilen, denen es an Einheit,
an Bewegung und an Leben fehlt; außerdem sind mit wenigen Aus¬
nahmen die Verse hart und hölzern, ohne daß Gedankenreichthum den
Mangel der Form ersetzte.

Nach Christine brachte Dumas nach einander Antony (1831)
Teresa (1832), Richard d'Arlington und Angvle (1833) auf die
Bühne. Richard d'Arlington, das Dumas gemeinschaftlich mit


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sagen. Aus Haß gegen den Herzog von Guise verschafft ihnen Ka¬
tharina von Medicis eine Zusammenkunft bei dem Astrologen Rug-
gieri. Saint-Mvgrin erklärt seine Liebe; die Herzogin hört ihn an
und verschwindet dann, um dem Herzog Platz zu machen, der an¬
kommt, ein Taschentuch seiner Gattin findet, wieder nach Hause eilt,
die Herzogin zwingt — er droht ihr die Hand zu zerquetschen —
eine Einladung an Saint-Mvgrin zu einem Rendezvous in ihren
Zimmern im Palast Guise zu schreiben. Der getäuschte Liebhaber
eilt zum Rendezvous, und der Herzog läßt ihn ermorden. Das ist
die ganze Intrigue; sie verschwindet fast unter dem überreichlicher
Beiwerke und den Tableaur, die Henri III. und seinen Hof darstel¬
len. In seiner Freude, endlich einmal statt der ewigen Griechen und
Römer die Höflinge Henri's III. in Wams und t>init-av8-ekiui8«eil,
Bilboauet oder Sarbacane spielend und 8auA-I)im fluchend, zu se¬
hen, verzieh das Publicum gern die Armuth der Erfindung, die Lang¬
samkeit der Handlung, die pomphaften, trivialen, oder schleppenden
Dialoge, den Mangel an Festigkeit und Ausführung in der Zeich¬
nung der Charaktere. ES that noch mehr; das Stück hatte zwei
oder drei sehr dramatische Situationen, vorzüglich im dritten und im
fünften Act; das Publicum war entzückt davon, erklärte das Ganze
für erhaben und Dumas für den französischen Shakspeare.

Inmitten der Zerstreuungen seines jungen Glückes fand Dumas
keinen Muth, ein neues Werk zu schreiben; um das Publicum zu
befriedigen, kam er auf den Einfall, seine alte Tragödie Christine
nach dem Geschmack deö Tages umzuarbeiten. So wurde daraus
ein romantisches Drama, das er StocKIwIm, ^ootainedleitu et Kome
eine dramatische Trilogie nannte. Das Stück wurde im Odeon
am 30. März 1830 aufgeführt und hatte zweifelhaften Erfolg. Diese
Trilogie (in Versen) bietet einige schöne Scenen, einige Detailschön¬
heiten dar, aber man kann sich keine sinnlosere Lectüre denken; es ist
eine Zusammenstellung von einzelnen Theilen, denen es an Einheit,
an Bewegung und an Leben fehlt; außerdem sind mit wenigen Aus¬
nahmen die Verse hart und hölzern, ohne daß Gedankenreichthum den
Mangel der Form ersetzte.

Nach Christine brachte Dumas nach einander Antony (1831)
Teresa (1832), Richard d'Arlington und Angvle (1833) auf die
Bühne. Richard d'Arlington, das Dumas gemeinschaftlich mit


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[0283] sagen. Aus Haß gegen den Herzog von Guise verschafft ihnen Ka¬ tharina von Medicis eine Zusammenkunft bei dem Astrologen Rug- gieri. Saint-Mvgrin erklärt seine Liebe; die Herzogin hört ihn an und verschwindet dann, um dem Herzog Platz zu machen, der an¬ kommt, ein Taschentuch seiner Gattin findet, wieder nach Hause eilt, die Herzogin zwingt — er droht ihr die Hand zu zerquetschen — eine Einladung an Saint-Mvgrin zu einem Rendezvous in ihren Zimmern im Palast Guise zu schreiben. Der getäuschte Liebhaber eilt zum Rendezvous, und der Herzog läßt ihn ermorden. Das ist die ganze Intrigue; sie verschwindet fast unter dem überreichlicher Beiwerke und den Tableaur, die Henri III. und seinen Hof darstel¬ len. In seiner Freude, endlich einmal statt der ewigen Griechen und Römer die Höflinge Henri's III. in Wams und t>init-av8-ekiui8«eil, Bilboauet oder Sarbacane spielend und 8auA-I)im fluchend, zu se¬ hen, verzieh das Publicum gern die Armuth der Erfindung, die Lang¬ samkeit der Handlung, die pomphaften, trivialen, oder schleppenden Dialoge, den Mangel an Festigkeit und Ausführung in der Zeich¬ nung der Charaktere. ES that noch mehr; das Stück hatte zwei oder drei sehr dramatische Situationen, vorzüglich im dritten und im fünften Act; das Publicum war entzückt davon, erklärte das Ganze für erhaben und Dumas für den französischen Shakspeare. Inmitten der Zerstreuungen seines jungen Glückes fand Dumas keinen Muth, ein neues Werk zu schreiben; um das Publicum zu befriedigen, kam er auf den Einfall, seine alte Tragödie Christine nach dem Geschmack deö Tages umzuarbeiten. So wurde daraus ein romantisches Drama, das er StocKIwIm, ^ootainedleitu et Kome eine dramatische Trilogie nannte. Das Stück wurde im Odeon am 30. März 1830 aufgeführt und hatte zweifelhaften Erfolg. Diese Trilogie (in Versen) bietet einige schöne Scenen, einige Detailschön¬ heiten dar, aber man kann sich keine sinnlosere Lectüre denken; es ist eine Zusammenstellung von einzelnen Theilen, denen es an Einheit, an Bewegung und an Leben fehlt; außerdem sind mit wenigen Aus¬ nahmen die Verse hart und hölzern, ohne daß Gedankenreichthum den Mangel der Form ersetzte. Nach Christine brachte Dumas nach einander Antony (1831) Teresa (1832), Richard d'Arlington und Angvle (1833) auf die Bühne. Richard d'Arlington, das Dumas gemeinschaftlich mit 35»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/283>, abgerufen am 23.07.2024.