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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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lich verliebt ("der erste Augenblick dieses verhängnißvollen Zusammen¬
treffens war der erste einer Leidenschaft"); wenn die Gelegenheit
günstig ist und sein Rang es ihm erlaubt, so redet er die Heldin
mit galanter Miene und leidenschaftlicher Wärme an ("Wir erröthe-
ten Beide, als ich sie anredete, aber gewiß aus verschiedenen Em¬
pfindungen, denn Verschämtheit rief bei ihr hervor, was bei mir die
Liebe verursachte."). Unsere modernen Helden haben eine bessere Mei¬
nung von sich.

Wieder in seinem Palast angekommen, macht der Prinz, der
natürlich seinen Vertrauten, wie die Prinzessin eine Vertraute hat.
seiner Leidenschaft in glühenden Lobpreisungen der Schönheiten Lust,
die sein Auge gesehen hat, und legt seinem Herzen zahllose Fragen
vor ("aber endlich, nachdem ich eine Zeit lang schweigend dagestan¬
den hatte, entschied ich mich plötzlich und rief aus: Nein, nein, mein
Herz, schwanke nicht länger, gestehe, daß wir AmestriS achten, daß
wir sie lieben, daß wir sie anbeten"). Ist die Sache endlich einmal
so weit entschieden, so entwickelt der Held, um die Liebe seiner Schö¬
nen zu gewinnen, wahrhaft übermenschliche Eigenschaften und Ta¬
lente. Er übertrifft die zwölf Arbeiten des Herkules, er besiegt Ar¬
meen, er nimmt Städte ein; er fordert seine Nebenbuhler zum Zwei-
kampf heraus, er entwaffnet oder verwundet sie und erobert sich ihre
Achtung. Er ist tapfer wie Achill, menschlich und edel wie Bayard,
enthaltsam wie Scipio, und bald wird im ganzen Reiche nur von
ihm allein gesprochen.

Bei der Heldin macht die Leidenschaft viel langsamere Fort¬
schritte; am Ende des ersten Theiles ist sie erst bei der Achtung; in
den fünf folgenden Theilen wird sie nach und nach von einem hal¬
ben Dutzend Nebenbuhlern entführt, die alle von gutem Herkommen
und guter Erziehung, sehr verliebt oder sehr bescheiden sind und sich
damit begnügen, sie über Berg und Thal, über Land und Meer zu
schleppen, sie immer sehr demüthig und sehr weitläufig von ihrer Lei¬
denschaft unterhaltend. Es versteht sich von selbst, daß sie ihnen derb
die Wahrheit sagt, und da sie regelmäßig von dem befreit wird, der
bereits ihre Achtung besitzt, läßt die Dankbarkeit nicht lange auf sich
warten. Der Held benutzt die günstige Gelegenheit und verbraucht
eine Menge von rhetorischen Umschweifen, um ein Wort von seiner
Liebe zu sagen. Im Anfange wird er zurückgewiesen, bald, weil sein


lich verliebt („der erste Augenblick dieses verhängnißvollen Zusammen¬
treffens war der erste einer Leidenschaft"); wenn die Gelegenheit
günstig ist und sein Rang es ihm erlaubt, so redet er die Heldin
mit galanter Miene und leidenschaftlicher Wärme an („Wir erröthe-
ten Beide, als ich sie anredete, aber gewiß aus verschiedenen Em¬
pfindungen, denn Verschämtheit rief bei ihr hervor, was bei mir die
Liebe verursachte."). Unsere modernen Helden haben eine bessere Mei¬
nung von sich.

Wieder in seinem Palast angekommen, macht der Prinz, der
natürlich seinen Vertrauten, wie die Prinzessin eine Vertraute hat.
seiner Leidenschaft in glühenden Lobpreisungen der Schönheiten Lust,
die sein Auge gesehen hat, und legt seinem Herzen zahllose Fragen
vor („aber endlich, nachdem ich eine Zeit lang schweigend dagestan¬
den hatte, entschied ich mich plötzlich und rief aus: Nein, nein, mein
Herz, schwanke nicht länger, gestehe, daß wir AmestriS achten, daß
wir sie lieben, daß wir sie anbeten"). Ist die Sache endlich einmal
so weit entschieden, so entwickelt der Held, um die Liebe seiner Schö¬
nen zu gewinnen, wahrhaft übermenschliche Eigenschaften und Ta¬
lente. Er übertrifft die zwölf Arbeiten des Herkules, er besiegt Ar¬
meen, er nimmt Städte ein; er fordert seine Nebenbuhler zum Zwei-
kampf heraus, er entwaffnet oder verwundet sie und erobert sich ihre
Achtung. Er ist tapfer wie Achill, menschlich und edel wie Bayard,
enthaltsam wie Scipio, und bald wird im ganzen Reiche nur von
ihm allein gesprochen.

Bei der Heldin macht die Leidenschaft viel langsamere Fort¬
schritte; am Ende des ersten Theiles ist sie erst bei der Achtung; in
den fünf folgenden Theilen wird sie nach und nach von einem hal¬
ben Dutzend Nebenbuhlern entführt, die alle von gutem Herkommen
und guter Erziehung, sehr verliebt oder sehr bescheiden sind und sich
damit begnügen, sie über Berg und Thal, über Land und Meer zu
schleppen, sie immer sehr demüthig und sehr weitläufig von ihrer Lei¬
denschaft unterhaltend. Es versteht sich von selbst, daß sie ihnen derb
die Wahrheit sagt, und da sie regelmäßig von dem befreit wird, der
bereits ihre Achtung besitzt, läßt die Dankbarkeit nicht lange auf sich
warten. Der Held benutzt die günstige Gelegenheit und verbraucht
eine Menge von rhetorischen Umschweifen, um ein Wort von seiner
Liebe zu sagen. Im Anfange wird er zurückgewiesen, bald, weil sein


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/28>, abgerufen am 23.12.2024.