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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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Doch fand er bald, daß er sich darin getäuscht hatte; die alten Freunde
seines Vaters hatten diesen fast vergessen und interessirten sich sehr
wenig für ihn. Seine Prüfungen sollten jedoch weder länger dauern,
noch schwer sein; denn er hatte noch nicht Zeit gehabt, seine dreiund¬
fünfzig Francs zu verzehren, als er sich schon in dem Sekretariats-
bureau des Herzogs von Orleans mit einem jährlichen Gehalte von
zwölfhundert Francs angestellt sah. Er verdankte diesen unverhofften
Fund dem glücklichen Einfall, sich mit einem Empfehlungsbrief von
einem einflußreichen Wähler an den General Foy, den Deputaten
seines Departements, zu versehen. Anfangs war der General wegen
der mangelhaften Kenntnisse seines Schützlings sehr in Verlegenheit,
wie er für ihn sorgen sollte, aber einen Vorzug entdeckte er bei Du¬
mas, eine schöne Handschrift, und diese verschaffte ihm jenen kleinen
Posten. .et'Nil'-Kik hiumtD n-lttüDii? jul-'- .KL rinn hj'u

Kaum hatte der Jüngling seinen Posten angetreten, als er sich
eines Tages entschloß, die literarische Laufbahn einzuschlagen, und zu
diesem Zwecke seine Erziehung von vorne anfing.

Damals, erzählt er, begann der hartnäckige Kampf meines Wil¬
lens, um so seltsamer, da er kein festes Ziel hatte, um so ausdauern¬
der, da ich noch Alles zu lernen hatte. Am Tage stets acht Stunden
in meinem Bureau beschäftigt, genöthigt, jeden Abend noch von sieben
bis zehn Uhr daselbst zu arbeiten, blieben nur die Nächte für mich
übrig. Von diesen aufregenden Nachtwachen schreibt sich die noch
jetzt fortdauernde Gewohnheit her, des Nachts zu arbeiten; eine Ge¬
wohnheit, die meinen Freunden die Menge meiner Arbeiten unbegreif¬
lich macht, da sie nicht errathen können, zu welcher Zeit ich sie voll¬
bringe. Dieses eingezogene Leben, welches Aller Augen entging, dauerte
drei Jahre, ohne daß es zu einem Resultate führte, ohne daß ich
etwas producirte, selbst ohne daß ich das Bedürfniß zu produciren
fühlte. Ich verfolgte allerdings mit einiger Neugier daS Schicksal
der dramatischen Werke jener Zeit; da mich aber weder die dramati¬
sche Constructio", noch die dialogische Ausführung dieser Arbeiten
ansprach, so fühlte ich mich einfach unfähig, dergleichen hervorzubrin¬
gen, ohne zu ahnen, daß es noch ganz Anderes der Art gebe.

Um jene Zeit kamen die englischen Schauspieler in Paris an.
Ich hatte noch nie ein einziges nichtfranzösisches Drama gelesen. Sie
kündigten Hamlet an. Ich kannte nur den von Duciö: ich sollte


Doch fand er bald, daß er sich darin getäuscht hatte; die alten Freunde
seines Vaters hatten diesen fast vergessen und interessirten sich sehr
wenig für ihn. Seine Prüfungen sollten jedoch weder länger dauern,
noch schwer sein; denn er hatte noch nicht Zeit gehabt, seine dreiund¬
fünfzig Francs zu verzehren, als er sich schon in dem Sekretariats-
bureau des Herzogs von Orleans mit einem jährlichen Gehalte von
zwölfhundert Francs angestellt sah. Er verdankte diesen unverhofften
Fund dem glücklichen Einfall, sich mit einem Empfehlungsbrief von
einem einflußreichen Wähler an den General Foy, den Deputaten
seines Departements, zu versehen. Anfangs war der General wegen
der mangelhaften Kenntnisse seines Schützlings sehr in Verlegenheit,
wie er für ihn sorgen sollte, aber einen Vorzug entdeckte er bei Du¬
mas, eine schöne Handschrift, und diese verschaffte ihm jenen kleinen
Posten. .et'Nil'-Kik hiumtD n-lttüDii? jul-'- .KL rinn hj'u

Kaum hatte der Jüngling seinen Posten angetreten, als er sich
eines Tages entschloß, die literarische Laufbahn einzuschlagen, und zu
diesem Zwecke seine Erziehung von vorne anfing.

Damals, erzählt er, begann der hartnäckige Kampf meines Wil¬
lens, um so seltsamer, da er kein festes Ziel hatte, um so ausdauern¬
der, da ich noch Alles zu lernen hatte. Am Tage stets acht Stunden
in meinem Bureau beschäftigt, genöthigt, jeden Abend noch von sieben
bis zehn Uhr daselbst zu arbeiten, blieben nur die Nächte für mich
übrig. Von diesen aufregenden Nachtwachen schreibt sich die noch
jetzt fortdauernde Gewohnheit her, des Nachts zu arbeiten; eine Ge¬
wohnheit, die meinen Freunden die Menge meiner Arbeiten unbegreif¬
lich macht, da sie nicht errathen können, zu welcher Zeit ich sie voll¬
bringe. Dieses eingezogene Leben, welches Aller Augen entging, dauerte
drei Jahre, ohne daß es zu einem Resultate führte, ohne daß ich
etwas producirte, selbst ohne daß ich das Bedürfniß zu produciren
fühlte. Ich verfolgte allerdings mit einiger Neugier daS Schicksal
der dramatischen Werke jener Zeit; da mich aber weder die dramati¬
sche Constructio», noch die dialogische Ausführung dieser Arbeiten
ansprach, so fühlte ich mich einfach unfähig, dergleichen hervorzubrin¬
gen, ohne zu ahnen, daß es noch ganz Anderes der Art gebe.

Um jene Zeit kamen die englischen Schauspieler in Paris an.
Ich hatte noch nie ein einziges nichtfranzösisches Drama gelesen. Sie
kündigten Hamlet an. Ich kannte nur den von Duciö: ich sollte


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/278>, abgerufen am 23.07.2024.