Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.kahl, unschön. Ihre weißen Fronten sehen völlig rasirt aus, denn Gehen wir nun vom Schlosse nach Westen aus, so führen uns Vom Ritterhausmarkte geht man über eine Brücke und hat dann kahl, unschön. Ihre weißen Fronten sehen völlig rasirt aus, denn Gehen wir nun vom Schlosse nach Westen aus, so führen uns Vom Ritterhausmarkte geht man über eine Brücke und hat dann <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0268" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/180827"/> <p xml:id="ID_625" prev="#ID_624"> kahl, unschön. Ihre weißen Fronten sehen völlig rasirt aus, denn<lb/> die Fenster springen bis an die äußerste Fronte vor und kein Ge¬<lb/> bäude besitzt architektonische Zierden, auf denen das Auge ausruhen<lb/> kann. Man will eben nur zum Nutzen bauen, Ebenmaß und Ge¬<lb/> schmack bleiben dabei unberücksichtigt, und der Stadt sehlt jede stei¬<lb/> nerne Poesie, denn überall sieht man, baar und blank, den nächsten<lb/> Zweck.- Findet sich wirklich zuweilen ein Haus, das den Ansprüchen<lb/> moderner Baukunst genügt, das große, helle Fenster, passende Gesimse<lb/> und Karniese hat, so mag man mit Sicherheit schließen, es sei von<lb/> Fremden, hauptsächlich von Deutschen errichtet worden. Die Woh¬<lb/> nungen der Schweden stehen immer in öder Nacktheit da, und sie<lb/> haben nichts Hervorragendes an der Facade, die eisernen Anker aus¬<lb/> genommen, wodurch die Balken verbunden sind.</p><lb/> <p xml:id="ID_626"> Gehen wir nun vom Schlosse nach Westen aus, so führen uns<lb/> enge Straßen zum Nitterhausmarkt. Ernst und geheimnißvoll erhebt<lb/> sich hier das Ritterhaus, in welchem sich bei Reichstagen der Adel<lb/> versammelt. Zur Zeit Christinens gegründet, liegt eine strenge ari¬<lb/> stokratische Verschwiegenheit über dem Bau, der aus röthlichen Back¬<lb/> steinen bestellt, während eine Fülle grauer Flachsäulen und Orna¬<lb/> mente seine Facade bedeckt. Man sieht hinter den halb versteckten<lb/> Fensteraugen etwas lauern, und das dunkle, chinesisch ausgeschweifte<lb/> Metalldach sowohl, als die allegorischen Figuren auf dem Frontispice<lb/> passen zu dem Eindruck. Oben am Gesimse ziehen sich die goldenen<lb/> Buchstaben einer lateinischen Inschrift entlang, welche, nach schwedi¬<lb/> scher Vorliebe, aus Denksprüchen zusammengefügt ist. Zum Beispiel :<lb/> „t'rü'it'mein murus sacer, non 6eel<lit, nec pi-vnita-. — per labo-<lb/> i-of nur ad Iwnores. — (^ivium lortitlläo pi-keci^in»» reAni til><lb/> wainentuin etc."</p><lb/> <p xml:id="ID_627" next="#ID_628"> Vom Ritterhausmarkte geht man über eine Brücke und hat dann<lb/> die Ritterholmskirche vor sich. Sie ist alt, doch wurde sie so oft von<lb/> Blitz und Feuer berührt, daß ihre ursprüngliche Gestalt als unterge¬<lb/> gangen zu betrachten ist. Jetzt erscheint die Kirche als ein spitziges<lb/> Gebäude von Ziegelsteinen, und die vorspringenden Kapellen mit ih¬<lb/> ren kleinen, kupfergedeckten Thüren lassen keinen bestimmten Sept er¬<lb/> kennen. Im Jahre 1835 schlug ein Gewitter in den Thurm und eS<lb/> gab ein prachtvolles Schauspiel, als die Flammen ihn umzüngelten,<lb/> als die Glocken schmolzen, als er dunkelroth glühte und endlich nie-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0268]
kahl, unschön. Ihre weißen Fronten sehen völlig rasirt aus, denn
die Fenster springen bis an die äußerste Fronte vor und kein Ge¬
bäude besitzt architektonische Zierden, auf denen das Auge ausruhen
kann. Man will eben nur zum Nutzen bauen, Ebenmaß und Ge¬
schmack bleiben dabei unberücksichtigt, und der Stadt sehlt jede stei¬
nerne Poesie, denn überall sieht man, baar und blank, den nächsten
Zweck.- Findet sich wirklich zuweilen ein Haus, das den Ansprüchen
moderner Baukunst genügt, das große, helle Fenster, passende Gesimse
und Karniese hat, so mag man mit Sicherheit schließen, es sei von
Fremden, hauptsächlich von Deutschen errichtet worden. Die Woh¬
nungen der Schweden stehen immer in öder Nacktheit da, und sie
haben nichts Hervorragendes an der Facade, die eisernen Anker aus¬
genommen, wodurch die Balken verbunden sind.
Gehen wir nun vom Schlosse nach Westen aus, so führen uns
enge Straßen zum Nitterhausmarkt. Ernst und geheimnißvoll erhebt
sich hier das Ritterhaus, in welchem sich bei Reichstagen der Adel
versammelt. Zur Zeit Christinens gegründet, liegt eine strenge ari¬
stokratische Verschwiegenheit über dem Bau, der aus röthlichen Back¬
steinen bestellt, während eine Fülle grauer Flachsäulen und Orna¬
mente seine Facade bedeckt. Man sieht hinter den halb versteckten
Fensteraugen etwas lauern, und das dunkle, chinesisch ausgeschweifte
Metalldach sowohl, als die allegorischen Figuren auf dem Frontispice
passen zu dem Eindruck. Oben am Gesimse ziehen sich die goldenen
Buchstaben einer lateinischen Inschrift entlang, welche, nach schwedi¬
scher Vorliebe, aus Denksprüchen zusammengefügt ist. Zum Beispiel :
„t'rü'it'mein murus sacer, non 6eel<lit, nec pi-vnita-. — per labo-
i-of nur ad Iwnores. — (^ivium lortitlläo pi-keci^in»» reAni til>
wainentuin etc."
Vom Ritterhausmarkte geht man über eine Brücke und hat dann
die Ritterholmskirche vor sich. Sie ist alt, doch wurde sie so oft von
Blitz und Feuer berührt, daß ihre ursprüngliche Gestalt als unterge¬
gangen zu betrachten ist. Jetzt erscheint die Kirche als ein spitziges
Gebäude von Ziegelsteinen, und die vorspringenden Kapellen mit ih¬
ren kleinen, kupfergedeckten Thüren lassen keinen bestimmten Sept er¬
kennen. Im Jahre 1835 schlug ein Gewitter in den Thurm und eS
gab ein prachtvolles Schauspiel, als die Flammen ihn umzüngelten,
als die Glocken schmolzen, als er dunkelroth glühte und endlich nie-
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