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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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allein zum Frommen, was ihn, allein zur Stütze dienen konnte. Statt
dessen griff er übermüthig in die rollenden Speichen der Zeit und
wollte den Gang der französischen Revolution hemmen. Nun war
er zum Verderben reif, doch nicht von Seiten der Volkspartei, gegen
die er sich gewendet, sondern vom Adel kam ihm der Tod.

Am Abend des 16. März 1792 glänzten die Fenster des Opern¬
hauses hell, Trompeten schmetterten drin -- es gab einen Masken--
halt. Der König war von anonymer Hand gewarnt worden, aber
das galt ja persönlichen Muth, und Gustav bat sich nie gefürchtet.
Gegen Mitternacht betrat er, am Arm seines treuen Stallmeisters,
des Grafen Essen, im schwarzen Domino den Saal. Augenblicklich
erkannte man ihn, ein Gedränge entstand und Masken umringten
den König. Die eine rührte feine Schulter an, sie wollte sich über¬
zeugen , daß unter dem seidenen Gewände kein Harnisch verborgen
sei, und flüsterte dann: Gute Nacht, schöne Maske! --Gustav wurde
unruhig und wollte sich zurückziehen. Da fiel ein Schuß. ^" suis
Liess"! rief der König und sank in Essen's Arm. Es stürmte plötz¬
lich ein Geschrei: "Feuer! Feuer!" durch den Saal und Alles drängte
sich den Thüren zu. Aber man schloß dieselben und Niemand kam
hinaus, ohne dem Polizeiminister seinen Namen genannt zu haben.
Nachdem der König verbunden war, wurde er auf einer Bahre in's
Schloß gebracht, und wie der Zug, von Trabanten und Fackelträgern
begleitet, den Löwenberg hinanstieg, sagte der Verwundete lächelnd
zu seinem Arzte: Ich muß dem heiligen Vater ähnlich sein, denn ich
werde ja in Prozession getragen.

Vierzehn Tage später starb König Gustav und bat auf dein
Todtenbette, man möchte seinen Mörder begnadigen. Doch Ankarström
hatte das Verbrechen eingestanden und er blutete auf dem Schaf-
fot Schmach über ihn, er war ein Meuchelmörder! Wie viel eS
auch Häßliches gibt in der Welt, das Häßlichste ist der Mord. --
Vorbei! Vorbei!

Jenseits des Gustav-Adolphs-Marktes liegt der Nordermalm,
dort ziehen sich die längsten Straßen Stockholms hin und steigen zum
Theil am Bergrücken empor, wodurch schöne Perspectiven und Aus¬
sichten gewonnen werden. Namentlich zeichnet sich Drottning-Galan
aus, doch läßt sich hier so wenig, als von der Bauart Stockholms
im Allgemeinen etwas Lobendes sagen. Die Privathäuser sind flach,


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allein zum Frommen, was ihn, allein zur Stütze dienen konnte. Statt
dessen griff er übermüthig in die rollenden Speichen der Zeit und
wollte den Gang der französischen Revolution hemmen. Nun war
er zum Verderben reif, doch nicht von Seiten der Volkspartei, gegen
die er sich gewendet, sondern vom Adel kam ihm der Tod.

Am Abend des 16. März 1792 glänzten die Fenster des Opern¬
hauses hell, Trompeten schmetterten drin — es gab einen Masken--
halt. Der König war von anonymer Hand gewarnt worden, aber
das galt ja persönlichen Muth, und Gustav bat sich nie gefürchtet.
Gegen Mitternacht betrat er, am Arm seines treuen Stallmeisters,
des Grafen Essen, im schwarzen Domino den Saal. Augenblicklich
erkannte man ihn, ein Gedränge entstand und Masken umringten
den König. Die eine rührte feine Schulter an, sie wollte sich über¬
zeugen , daß unter dem seidenen Gewände kein Harnisch verborgen
sei, und flüsterte dann: Gute Nacht, schöne Maske! —Gustav wurde
unruhig und wollte sich zurückziehen. Da fiel ein Schuß. ^« suis
Liess«! rief der König und sank in Essen's Arm. Es stürmte plötz¬
lich ein Geschrei: „Feuer! Feuer!" durch den Saal und Alles drängte
sich den Thüren zu. Aber man schloß dieselben und Niemand kam
hinaus, ohne dem Polizeiminister seinen Namen genannt zu haben.
Nachdem der König verbunden war, wurde er auf einer Bahre in's
Schloß gebracht, und wie der Zug, von Trabanten und Fackelträgern
begleitet, den Löwenberg hinanstieg, sagte der Verwundete lächelnd
zu seinem Arzte: Ich muß dem heiligen Vater ähnlich sein, denn ich
werde ja in Prozession getragen.

Vierzehn Tage später starb König Gustav und bat auf dein
Todtenbette, man möchte seinen Mörder begnadigen. Doch Ankarström
hatte das Verbrechen eingestanden und er blutete auf dem Schaf-
fot Schmach über ihn, er war ein Meuchelmörder! Wie viel eS
auch Häßliches gibt in der Welt, das Häßlichste ist der Mord. —
Vorbei! Vorbei!

Jenseits des Gustav-Adolphs-Marktes liegt der Nordermalm,
dort ziehen sich die längsten Straßen Stockholms hin und steigen zum
Theil am Bergrücken empor, wodurch schöne Perspectiven und Aus¬
sichten gewonnen werden. Namentlich zeichnet sich Drottning-Galan
aus, doch läßt sich hier so wenig, als von der Bauart Stockholms
im Allgemeinen etwas Lobendes sagen. Die Privathäuser sind flach,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/267>, abgerufen am 23.07.2024.