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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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derer, kluger Knabe, und ihn erzog der jüngere Graf Tessin, ein
wahrhaft braver Mann, dem unser Wieland in, "Agathon" das eh-
rendste Denkmal errichtet hat. Gustav besaß feuriges Blut, ein wei¬
ches Gemüth und war sinnlich durch und durch. Als er zur Negie¬
rung kam, fand er ein entkräftetes Reich, die Parteien der Hüte und
der Mützen standen sich gegenüber, Bürgerkrieg drohte, und nicht der
König hatte die Gewalt, sondern der Adel. Gustav aber brach seine
Macht und das brachte ihm tödtliche, unversöhnliche Feinde, denn
ein Bürger kann Beleidigungen wohl vergessen, ein Aristokrat aber
nie. --

Nun entfaltete sich an seinem Hofe die üppigste Pracht. Er
pflegte die Künste mit freier weicher Hand; Alles, was Geist, Kunst,
Liebenswürdigkeit und Laune besaß, sammelte er um sich, und aus
diesem seltenen Kreise ragte Gustav hoch und stolz empor. Meister
in allen ritterlichen Uebungen, war er zugleich ein trefflicher Redner,
dichtete Trauerspiele, und sprühender Witz schwebte auf seinen Lippen.
Man erzählt noch viele überraschende Impromptus von ihm, und
ein Pröbchen wird deren Geist am besten schildern. -- Die Gattin
des Landeshauptmanns Schröderhcim hatte Gustav's Pläne zu durch¬
kreuzen gesucht; sie wußte auch, daß er ihr deßhalb nicht gewogen
war, und wollte einen Schritt zur Versöhnung thun. Als der König
eines Tages nach Stockholm zurückkehrte, veranstaltete sie ihm den
feierlichsten Empfang. Des Hofes Damen, welche eben nicht im
Rufe besonderer Sitte und Tugend standen, waren in Amazonenklei¬
dung zu Pferde und an ihrer Spitze paradirte die Schröderheim.
Bei Gustav's Erscheinen wollte sie eine EmpfangSrede halten und
begann mit den Worten: Majestät! Wir Alle sind ausgeritten --

-- Ja, ja! Das weiß ich! rief der König, ließ sie gar nicht
ausreden und ritt vorbei.

Trotz des ungezügelten Wesens und trotz der Ueppigkeit des
Hoflebens vergaß Gustav sein Volk nicht. Er reiste durch's Land,
sah selbst und'half, wo es Noth that. Künste und Wissenschaften
blühten, wie der Norden sie noch nie gekannt hatte. Aber heimlich
unterminirte der Adel, und als zufällig Hungersnoth in Schweden
ausbrach, da murrte das Volk, da drohte die Aristokratie mit einer
Schilderhebung. Auch Krieg kam noch dazu, die Lage Schwedens
war bedrängt, und Gustav hätte wohl fühlen sollen, was dein Reiche


derer, kluger Knabe, und ihn erzog der jüngere Graf Tessin, ein
wahrhaft braver Mann, dem unser Wieland in, „Agathon" das eh-
rendste Denkmal errichtet hat. Gustav besaß feuriges Blut, ein wei¬
ches Gemüth und war sinnlich durch und durch. Als er zur Negie¬
rung kam, fand er ein entkräftetes Reich, die Parteien der Hüte und
der Mützen standen sich gegenüber, Bürgerkrieg drohte, und nicht der
König hatte die Gewalt, sondern der Adel. Gustav aber brach seine
Macht und das brachte ihm tödtliche, unversöhnliche Feinde, denn
ein Bürger kann Beleidigungen wohl vergessen, ein Aristokrat aber
nie. —

Nun entfaltete sich an seinem Hofe die üppigste Pracht. Er
pflegte die Künste mit freier weicher Hand; Alles, was Geist, Kunst,
Liebenswürdigkeit und Laune besaß, sammelte er um sich, und aus
diesem seltenen Kreise ragte Gustav hoch und stolz empor. Meister
in allen ritterlichen Uebungen, war er zugleich ein trefflicher Redner,
dichtete Trauerspiele, und sprühender Witz schwebte auf seinen Lippen.
Man erzählt noch viele überraschende Impromptus von ihm, und
ein Pröbchen wird deren Geist am besten schildern. — Die Gattin
des Landeshauptmanns Schröderhcim hatte Gustav's Pläne zu durch¬
kreuzen gesucht; sie wußte auch, daß er ihr deßhalb nicht gewogen
war, und wollte einen Schritt zur Versöhnung thun. Als der König
eines Tages nach Stockholm zurückkehrte, veranstaltete sie ihm den
feierlichsten Empfang. Des Hofes Damen, welche eben nicht im
Rufe besonderer Sitte und Tugend standen, waren in Amazonenklei¬
dung zu Pferde und an ihrer Spitze paradirte die Schröderheim.
Bei Gustav's Erscheinen wollte sie eine EmpfangSrede halten und
begann mit den Worten: Majestät! Wir Alle sind ausgeritten —

— Ja, ja! Das weiß ich! rief der König, ließ sie gar nicht
ausreden und ritt vorbei.

Trotz des ungezügelten Wesens und trotz der Ueppigkeit des
Hoflebens vergaß Gustav sein Volk nicht. Er reiste durch's Land,
sah selbst und'half, wo es Noth that. Künste und Wissenschaften
blühten, wie der Norden sie noch nie gekannt hatte. Aber heimlich
unterminirte der Adel, und als zufällig Hungersnoth in Schweden
ausbrach, da murrte das Volk, da drohte die Aristokratie mit einer
Schilderhebung. Auch Krieg kam noch dazu, die Lage Schwedens
war bedrängt, und Gustav hätte wohl fühlen sollen, was dein Reiche


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[0266] derer, kluger Knabe, und ihn erzog der jüngere Graf Tessin, ein wahrhaft braver Mann, dem unser Wieland in, „Agathon" das eh- rendste Denkmal errichtet hat. Gustav besaß feuriges Blut, ein wei¬ ches Gemüth und war sinnlich durch und durch. Als er zur Negie¬ rung kam, fand er ein entkräftetes Reich, die Parteien der Hüte und der Mützen standen sich gegenüber, Bürgerkrieg drohte, und nicht der König hatte die Gewalt, sondern der Adel. Gustav aber brach seine Macht und das brachte ihm tödtliche, unversöhnliche Feinde, denn ein Bürger kann Beleidigungen wohl vergessen, ein Aristokrat aber nie. — Nun entfaltete sich an seinem Hofe die üppigste Pracht. Er pflegte die Künste mit freier weicher Hand; Alles, was Geist, Kunst, Liebenswürdigkeit und Laune besaß, sammelte er um sich, und aus diesem seltenen Kreise ragte Gustav hoch und stolz empor. Meister in allen ritterlichen Uebungen, war er zugleich ein trefflicher Redner, dichtete Trauerspiele, und sprühender Witz schwebte auf seinen Lippen. Man erzählt noch viele überraschende Impromptus von ihm, und ein Pröbchen wird deren Geist am besten schildern. — Die Gattin des Landeshauptmanns Schröderhcim hatte Gustav's Pläne zu durch¬ kreuzen gesucht; sie wußte auch, daß er ihr deßhalb nicht gewogen war, und wollte einen Schritt zur Versöhnung thun. Als der König eines Tages nach Stockholm zurückkehrte, veranstaltete sie ihm den feierlichsten Empfang. Des Hofes Damen, welche eben nicht im Rufe besonderer Sitte und Tugend standen, waren in Amazonenklei¬ dung zu Pferde und an ihrer Spitze paradirte die Schröderheim. Bei Gustav's Erscheinen wollte sie eine EmpfangSrede halten und begann mit den Worten: Majestät! Wir Alle sind ausgeritten — — Ja, ja! Das weiß ich! rief der König, ließ sie gar nicht ausreden und ritt vorbei. Trotz des ungezügelten Wesens und trotz der Ueppigkeit des Hoflebens vergaß Gustav sein Volk nicht. Er reiste durch's Land, sah selbst und'half, wo es Noth that. Künste und Wissenschaften blühten, wie der Norden sie noch nie gekannt hatte. Aber heimlich unterminirte der Adel, und als zufällig Hungersnoth in Schweden ausbrach, da murrte das Volk, da drohte die Aristokratie mit einer Schilderhebung. Auch Krieg kam noch dazu, die Lage Schwedens war bedrängt, und Gustav hätte wohl fühlen sollen, was dein Reiche

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/266>, abgerufen am 23.12.2024.