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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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Deutschlands (gegen Russen oder blos gegen Wälsche?) zu schützen,
so wie die confessionelle Duldung (blos gegen Katholiken, oder auch
gegen Protestanten?) im Innern des Vaterlandes zu befördern. Der
Hauptgründer des Vereins ist ein Günstling des gewesenen Kronprin¬
zen, eine allerhöchste Aufmunterung, vielleicht sogar erste Anregung
ist daher mehr als wahrscheinlich; und schon soll eine ganze Schaar
hochgestellter Beamten und Professoren dem Verein beigetreten sein.
Wie aber soll der patriotische Zweck erreicht werden? Auf ruhige, an¬
ständige Weise, d. h. vielleicht auch gar nicht. Die Gründer sind,
nach der "Würzburger Zeitung", der Regierung eine Bürgschaft, daß
der Verein nicht "ausarten", d. h. wohl, daß er Spaß verstehen,
daß er nicht etwa die Deutschen in den Ostseeprovinzen oder die Po¬
len in Warschau gegen Rußland aufwiegeln, daß er überhaupt nicht
mehr als zweckessen und mit vollen Gläsern schönredend toastiren werde.
Wem soll das frommen? Soll der Nation dadurch wirklich eine hei¬
lige Legion für Einheit und Freiheit herangebildet, sollen nur einige
Sorgenstühle für invalide politische Nachtwächter herbeigeschafft, oder
gar so eine Art kleine Tafelrunde für die um ihren Spaß gekomme¬
nen Ritter des Schwanenordens hergerichtet werden? Ist es aber
Ernst damit, ja spricht sich, wie Einige behaupten, der mit Noth un¬
terdrückte Ekel vor dem östlichen Nachbar darin aus, wozu die Ge-
heimthuerei der Protectoren? Wozu die Faust im Sacke, wozu 'ohn¬
mächtige Jncognito-Demonstrationen machen, die mit allen offenen
Schritten in der auswärtigen Politik im vollsten Widerspruch stehen?
Wer so national fühlt, um Vereine jener Art im Ernst zu erfinden,
wird nicht so sehr Schwächling sein, um blos hinter den Coulissen ein
Bischen Hofdemagogie und Nationalität zu spielen. Die Zeiten sind
^ja nicht so gefährlich; die Gegner Deutschlands (die auswärtigen näm¬
lich) nicht so übermächtig, wir leben nicht im Jahre 1809. Oder
will man es weder Draußen, noch Innen verderben? Will man den
Ideen der Nation durch Privatdilertanterei vergüten, was man in
nur zu berechneter, trocken ernsthafter und praktischer Politik ihnen
wegnimmt ? Nein, das kann nicht Ernst sein. Warum ließe man
sonst nicht den natürlichsten offenen Nationalverein ungehindert wal¬
ten? Warum würde man sonst das Volk überall in seinem Triebe
nach freier Association beschränken? Ist die deutsche Presse nicht
auch ein Verein für Deutschlands Wohl ? Hatte die in Mainz pro-
jecrirte Advocatenversammlung etwa nicht nationale Zwecke? Wahrlich,
es ist zu wünschen, daß die Spielerei gar nicht begonnen werde; bes¬
ser trostlose Langeweile, als neue Illusionen. Die einzige Frucht da¬
von wäre, daß sich das Ausland wieder einmal auf unsere Un¬
kosten lustig machte. Se. Petersburg hätte keine Furcht vor diesem
Verein, es wäre vielleicht nicht einmal darüber böse; Paris würde


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Deutschlands (gegen Russen oder blos gegen Wälsche?) zu schützen,
so wie die confessionelle Duldung (blos gegen Katholiken, oder auch
gegen Protestanten?) im Innern des Vaterlandes zu befördern. Der
Hauptgründer des Vereins ist ein Günstling des gewesenen Kronprin¬
zen, eine allerhöchste Aufmunterung, vielleicht sogar erste Anregung
ist daher mehr als wahrscheinlich; und schon soll eine ganze Schaar
hochgestellter Beamten und Professoren dem Verein beigetreten sein.
Wie aber soll der patriotische Zweck erreicht werden? Auf ruhige, an¬
ständige Weise, d. h. vielleicht auch gar nicht. Die Gründer sind,
nach der „Würzburger Zeitung", der Regierung eine Bürgschaft, daß
der Verein nicht „ausarten", d. h. wohl, daß er Spaß verstehen,
daß er nicht etwa die Deutschen in den Ostseeprovinzen oder die Po¬
len in Warschau gegen Rußland aufwiegeln, daß er überhaupt nicht
mehr als zweckessen und mit vollen Gläsern schönredend toastiren werde.
Wem soll das frommen? Soll der Nation dadurch wirklich eine hei¬
lige Legion für Einheit und Freiheit herangebildet, sollen nur einige
Sorgenstühle für invalide politische Nachtwächter herbeigeschafft, oder
gar so eine Art kleine Tafelrunde für die um ihren Spaß gekomme¬
nen Ritter des Schwanenordens hergerichtet werden? Ist es aber
Ernst damit, ja spricht sich, wie Einige behaupten, der mit Noth un¬
terdrückte Ekel vor dem östlichen Nachbar darin aus, wozu die Ge-
heimthuerei der Protectoren? Wozu die Faust im Sacke, wozu 'ohn¬
mächtige Jncognito-Demonstrationen machen, die mit allen offenen
Schritten in der auswärtigen Politik im vollsten Widerspruch stehen?
Wer so national fühlt, um Vereine jener Art im Ernst zu erfinden,
wird nicht so sehr Schwächling sein, um blos hinter den Coulissen ein
Bischen Hofdemagogie und Nationalität zu spielen. Die Zeiten sind
^ja nicht so gefährlich; die Gegner Deutschlands (die auswärtigen näm¬
lich) nicht so übermächtig, wir leben nicht im Jahre 1809. Oder
will man es weder Draußen, noch Innen verderben? Will man den
Ideen der Nation durch Privatdilertanterei vergüten, was man in
nur zu berechneter, trocken ernsthafter und praktischer Politik ihnen
wegnimmt ? Nein, das kann nicht Ernst sein. Warum ließe man
sonst nicht den natürlichsten offenen Nationalverein ungehindert wal¬
ten? Warum würde man sonst das Volk überall in seinem Triebe
nach freier Association beschränken? Ist die deutsche Presse nicht
auch ein Verein für Deutschlands Wohl ? Hatte die in Mainz pro-
jecrirte Advocatenversammlung etwa nicht nationale Zwecke? Wahrlich,
es ist zu wünschen, daß die Spielerei gar nicht begonnen werde; bes¬
ser trostlose Langeweile, als neue Illusionen. Die einzige Frucht da¬
von wäre, daß sich das Ausland wieder einmal auf unsere Un¬
kosten lustig machte. Se. Petersburg hätte keine Furcht vor diesem
Verein, es wäre vielleicht nicht einmal darüber böse; Paris würde


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[0243] Deutschlands (gegen Russen oder blos gegen Wälsche?) zu schützen, so wie die confessionelle Duldung (blos gegen Katholiken, oder auch gegen Protestanten?) im Innern des Vaterlandes zu befördern. Der Hauptgründer des Vereins ist ein Günstling des gewesenen Kronprin¬ zen, eine allerhöchste Aufmunterung, vielleicht sogar erste Anregung ist daher mehr als wahrscheinlich; und schon soll eine ganze Schaar hochgestellter Beamten und Professoren dem Verein beigetreten sein. Wie aber soll der patriotische Zweck erreicht werden? Auf ruhige, an¬ ständige Weise, d. h. vielleicht auch gar nicht. Die Gründer sind, nach der „Würzburger Zeitung", der Regierung eine Bürgschaft, daß der Verein nicht „ausarten", d. h. wohl, daß er Spaß verstehen, daß er nicht etwa die Deutschen in den Ostseeprovinzen oder die Po¬ len in Warschau gegen Rußland aufwiegeln, daß er überhaupt nicht mehr als zweckessen und mit vollen Gläsern schönredend toastiren werde. Wem soll das frommen? Soll der Nation dadurch wirklich eine hei¬ lige Legion für Einheit und Freiheit herangebildet, sollen nur einige Sorgenstühle für invalide politische Nachtwächter herbeigeschafft, oder gar so eine Art kleine Tafelrunde für die um ihren Spaß gekomme¬ nen Ritter des Schwanenordens hergerichtet werden? Ist es aber Ernst damit, ja spricht sich, wie Einige behaupten, der mit Noth un¬ terdrückte Ekel vor dem östlichen Nachbar darin aus, wozu die Ge- heimthuerei der Protectoren? Wozu die Faust im Sacke, wozu 'ohn¬ mächtige Jncognito-Demonstrationen machen, die mit allen offenen Schritten in der auswärtigen Politik im vollsten Widerspruch stehen? Wer so national fühlt, um Vereine jener Art im Ernst zu erfinden, wird nicht so sehr Schwächling sein, um blos hinter den Coulissen ein Bischen Hofdemagogie und Nationalität zu spielen. Die Zeiten sind ^ja nicht so gefährlich; die Gegner Deutschlands (die auswärtigen näm¬ lich) nicht so übermächtig, wir leben nicht im Jahre 1809. Oder will man es weder Draußen, noch Innen verderben? Will man den Ideen der Nation durch Privatdilertanterei vergüten, was man in nur zu berechneter, trocken ernsthafter und praktischer Politik ihnen wegnimmt ? Nein, das kann nicht Ernst sein. Warum ließe man sonst nicht den natürlichsten offenen Nationalverein ungehindert wal¬ ten? Warum würde man sonst das Volk überall in seinem Triebe nach freier Association beschränken? Ist die deutsche Presse nicht auch ein Verein für Deutschlands Wohl ? Hatte die in Mainz pro- jecrirte Advocatenversammlung etwa nicht nationale Zwecke? Wahrlich, es ist zu wünschen, daß die Spielerei gar nicht begonnen werde; bes¬ ser trostlose Langeweile, als neue Illusionen. Die einzige Frucht da¬ von wäre, daß sich das Ausland wieder einmal auf unsere Un¬ kosten lustig machte. Se. Petersburg hätte keine Furcht vor diesem Verein, es wäre vielleicht nicht einmal darüber böse; Paris würde 3v-i-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/243>, abgerufen am 23.07.2024.