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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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den wollte, als bis dasselbe die Genehmigung der Regierung erhalten.
Diese Genehmigung soll jedoch eben so wenig zu erwarten sein, wie
die des ebenfalls vrojecnrten Vereins zur Hebung der niederen Volks-
classen, welcher zunächst für dieselben eine neue Zeitschrift herausge¬
ben wollte, um dadurch wo möglich die zahllosen kleinen Blatter zu
verdrängen, die hier ohne allen Plan und höheren Zweck, blos zur
Befriedigung der schalsten Lesesucht herausgegeben werden.

In diesen Tagen sind hier vor dem königlichen Schlosse, dem
sogenannten Lustgarten gegenüber, die beiden in Erz gegossenen Rosse
mit ihren russischen Führern aufgestellt worden, welche der Kaiser Ni¬
kolaus unserem Könige zum Geschenke gemacht hat. Die Rosse, eine
Arbeit des bekannten Pferde-Sculptors, Baron Klot von Jürgenburg,
werden allgemein bewundert, nicht so jedoch die Russen, die hier mit¬
ten in Deutschland den Zügel führen. Die Heldengestalt des großen
Kurfürsten, die auf der anderen Seite des Schlosses hoch zu Rosse
sitzt, soll, seitdem die Russen ihm so nahe stehen, die eherne Hand
an das Schwert gelegt haben.


Justus.
2. *)

KunstzustSnde. -- Die Professoren der Akademie. -- Der alte Titian und
seine Schüler; jiut i>i>,>I!c"t><>! -- Die Ausstellung des Kunstvereins. -- Land¬
schaften, Genrebilder und Studien. -- Die Bossischc Zeitung und "die be¬
schmutzte Leinwand." -- De Biefve und Lessing.

Seit der großen Ausstellung von 1842 war es fast ganz still
im Kunstleben, nur zuweilen kam ein Fremdling aus Düsseldorf, Bel¬
gien, Frankreich, der eine Zeit lang die Aufmerksamkeit der Kunst¬
freunde in Anspruch nahm. Sonst aber konnte man nicht bemerken,
daß man in einer Stadt lebe, welche eine Akademie hat, die noch an
vierhundert Maler zahlt, von denen beinahe die Hälfte Professo¬
ren sind, und daß man in Berlin sei, der Hauptstadt von Nord¬
deutschland, wo ein kunstsinniger Herrscher ......die Künste zu erhe¬
ben suchen soll zu der Höhe einstiger Bedeutsamkeit! -- Wenn
ich Die sehen könnte, welche diese Worte lesen, so würde ich ein
schmerzlich bitteres Lächeln bemerken, das ihre Lippen umspielt, wenn
sie nämlich Eingeweihte in den Kunstzuständen der Gegenwart, d. h.
wenn sie Künstler oder wahre Kunstliebhaber sind.

Berlin hat kein Kunstleben, wenn es auch Freskogemälde
und Christusse in der Vorhölle malt, und Berlin wird kein
Kunstleben haben, ehe man nicht zu der Ueberzeugung kommt, daß
junge kräftige Talente, welche in die Zeit hinein gehören, bedeutsamer
und gewaltiger für den Fortschritt sind, als alte, welche einst groß



Von einem andern Correspondenten.

den wollte, als bis dasselbe die Genehmigung der Regierung erhalten.
Diese Genehmigung soll jedoch eben so wenig zu erwarten sein, wie
die des ebenfalls vrojecnrten Vereins zur Hebung der niederen Volks-
classen, welcher zunächst für dieselben eine neue Zeitschrift herausge¬
ben wollte, um dadurch wo möglich die zahllosen kleinen Blatter zu
verdrängen, die hier ohne allen Plan und höheren Zweck, blos zur
Befriedigung der schalsten Lesesucht herausgegeben werden.

In diesen Tagen sind hier vor dem königlichen Schlosse, dem
sogenannten Lustgarten gegenüber, die beiden in Erz gegossenen Rosse
mit ihren russischen Führern aufgestellt worden, welche der Kaiser Ni¬
kolaus unserem Könige zum Geschenke gemacht hat. Die Rosse, eine
Arbeit des bekannten Pferde-Sculptors, Baron Klot von Jürgenburg,
werden allgemein bewundert, nicht so jedoch die Russen, die hier mit¬
ten in Deutschland den Zügel führen. Die Heldengestalt des großen
Kurfürsten, die auf der anderen Seite des Schlosses hoch zu Rosse
sitzt, soll, seitdem die Russen ihm so nahe stehen, die eherne Hand
an das Schwert gelegt haben.


Justus.
2. *)

KunstzustSnde. — Die Professoren der Akademie. — Der alte Titian und
seine Schüler; jiut i>i>,>I!c»t><>! — Die Ausstellung des Kunstvereins. — Land¬
schaften, Genrebilder und Studien. — Die Bossischc Zeitung und „die be¬
schmutzte Leinwand." — De Biefve und Lessing.

Seit der großen Ausstellung von 1842 war es fast ganz still
im Kunstleben, nur zuweilen kam ein Fremdling aus Düsseldorf, Bel¬
gien, Frankreich, der eine Zeit lang die Aufmerksamkeit der Kunst¬
freunde in Anspruch nahm. Sonst aber konnte man nicht bemerken,
daß man in einer Stadt lebe, welche eine Akademie hat, die noch an
vierhundert Maler zahlt, von denen beinahe die Hälfte Professo¬
ren sind, und daß man in Berlin sei, der Hauptstadt von Nord¬
deutschland, wo ein kunstsinniger Herrscher ......die Künste zu erhe¬
ben suchen soll zu der Höhe einstiger Bedeutsamkeit! — Wenn
ich Die sehen könnte, welche diese Worte lesen, so würde ich ein
schmerzlich bitteres Lächeln bemerken, das ihre Lippen umspielt, wenn
sie nämlich Eingeweihte in den Kunstzuständen der Gegenwart, d. h.
wenn sie Künstler oder wahre Kunstliebhaber sind.

Berlin hat kein Kunstleben, wenn es auch Freskogemälde
und Christusse in der Vorhölle malt, und Berlin wird kein
Kunstleben haben, ehe man nicht zu der Ueberzeugung kommt, daß
junge kräftige Talente, welche in die Zeit hinein gehören, bedeutsamer
und gewaltiger für den Fortschritt sind, als alte, welche einst groß



Von einem andern Correspondenten.
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[0237] den wollte, als bis dasselbe die Genehmigung der Regierung erhalten. Diese Genehmigung soll jedoch eben so wenig zu erwarten sein, wie die des ebenfalls vrojecnrten Vereins zur Hebung der niederen Volks- classen, welcher zunächst für dieselben eine neue Zeitschrift herausge¬ ben wollte, um dadurch wo möglich die zahllosen kleinen Blatter zu verdrängen, die hier ohne allen Plan und höheren Zweck, blos zur Befriedigung der schalsten Lesesucht herausgegeben werden. In diesen Tagen sind hier vor dem königlichen Schlosse, dem sogenannten Lustgarten gegenüber, die beiden in Erz gegossenen Rosse mit ihren russischen Führern aufgestellt worden, welche der Kaiser Ni¬ kolaus unserem Könige zum Geschenke gemacht hat. Die Rosse, eine Arbeit des bekannten Pferde-Sculptors, Baron Klot von Jürgenburg, werden allgemein bewundert, nicht so jedoch die Russen, die hier mit¬ ten in Deutschland den Zügel führen. Die Heldengestalt des großen Kurfürsten, die auf der anderen Seite des Schlosses hoch zu Rosse sitzt, soll, seitdem die Russen ihm so nahe stehen, die eherne Hand an das Schwert gelegt haben. Justus. 2. *) KunstzustSnde. — Die Professoren der Akademie. — Der alte Titian und seine Schüler; jiut i>i>,>I!c»t><>! — Die Ausstellung des Kunstvereins. — Land¬ schaften, Genrebilder und Studien. — Die Bossischc Zeitung und „die be¬ schmutzte Leinwand." — De Biefve und Lessing. Seit der großen Ausstellung von 1842 war es fast ganz still im Kunstleben, nur zuweilen kam ein Fremdling aus Düsseldorf, Bel¬ gien, Frankreich, der eine Zeit lang die Aufmerksamkeit der Kunst¬ freunde in Anspruch nahm. Sonst aber konnte man nicht bemerken, daß man in einer Stadt lebe, welche eine Akademie hat, die noch an vierhundert Maler zahlt, von denen beinahe die Hälfte Professo¬ ren sind, und daß man in Berlin sei, der Hauptstadt von Nord¬ deutschland, wo ein kunstsinniger Herrscher ......die Künste zu erhe¬ ben suchen soll zu der Höhe einstiger Bedeutsamkeit! — Wenn ich Die sehen könnte, welche diese Worte lesen, so würde ich ein schmerzlich bitteres Lächeln bemerken, das ihre Lippen umspielt, wenn sie nämlich Eingeweihte in den Kunstzuständen der Gegenwart, d. h. wenn sie Künstler oder wahre Kunstliebhaber sind. Berlin hat kein Kunstleben, wenn es auch Freskogemälde und Christusse in der Vorhölle malt, und Berlin wird kein Kunstleben haben, ehe man nicht zu der Ueberzeugung kommt, daß junge kräftige Talente, welche in die Zeit hinein gehören, bedeutsamer und gewaltiger für den Fortschritt sind, als alte, welche einst groß Von einem andern Correspondenten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/237>, abgerufen am 22.12.2024.