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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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Fleiß, der Geschicklichkeit und der Sparsamkeit des Einzelnen ab¬
hängen.

Diese heilsame Abwechselung zwischen der Arbeit im Felde und
am Stuhle dürste auch für die Zukunft die Folge haben, daß man
selbst bei den Webern nicht mehr so viel hohlwangige und hohlciu-
gige Gestalten sähe, wie man sie jetzt allenthalben auf liliputanischen
Unterkörpern mit keuchender Brust herumschleichen sieht.

Wünschenswert!) wäre es auch noch, wenn von Seiten des
Staates die niedrigsten Steuerclassen von ein bis zwei guten Gro¬
schen pr. Person monatlich Denen, die etwa das fünfzigste Jahr er¬
reicht haben, erlassen würden. Wahrlich, der arme Weber hat bis
zum funfzigsten Jahre, wenn er so alt wird, mehr gearbeitet, als der
Reiche, und wenn er ein hundertjähriges Alter erreichte!

Ein schnell hereinbrechendes Alter ist aber auch meist die Folge
der übergroßen Anstrengung, der Erwerb wird noch beschwerlicher,
die Berichtigung der Steller immer weiter hinausgeschoben, bis der
Erecutor an die Thür der niedern Hütte pocht und mit ihm der
Wendepunkt des ganzen Lebens eintritt.

Das Ehrgefühl, nie den Erecutor unter seinem Dache gehabt
zu haben, ist zerstört, die Kosten der Erecution aber den Verhält¬
nissen nach so bedeutend, daß der Arme sie nicht erschwingen kann,
sein bestes, sauer erworbenes Habe pfänden lassen muß, so immer
mehr und mehr in Armuth sinkt und Nichts in der Hand behält als
den Bettelstab. -- Welcher Art die Dismembration am zweckmäßig¬
sten vorgenommen werden könnte? Zumeist wohl durch eine Commis¬
sion sachverständiger und uneigennütziger Leute, die besonders darauf
sähen, Güter von anerkannt gutem Boden zu acquiriren, in kleine
gleichmäßige Felder einzutheilen und den Preis den Verhältnissen gemäß
anzusetzen. Obgleich ich nicht, wie Herr Alberti in Schmiedeberg,
die Unrechtmäßigkeit des Dismcmbrirens überhaupt, oder des einem
Privatmann sich hierbei ergebenden Gewinnes einsehen kann; --
jedenfalls fährt der einzelne Käufer, und wenn er gar den Morgen
um einige Thaler zu theuer bezahlte, was doch ganz von ihm ab¬
hängt, noch immer besser dabei, als bei dem früher angeführten in
Erbpachtnchmen vieler Morgen Urlands -- so muß es doch im In¬
teresse der Armen wünschenswert!) sein, jeder kaufmännischen specu-


Fleiß, der Geschicklichkeit und der Sparsamkeit des Einzelnen ab¬
hängen.

Diese heilsame Abwechselung zwischen der Arbeit im Felde und
am Stuhle dürste auch für die Zukunft die Folge haben, daß man
selbst bei den Webern nicht mehr so viel hohlwangige und hohlciu-
gige Gestalten sähe, wie man sie jetzt allenthalben auf liliputanischen
Unterkörpern mit keuchender Brust herumschleichen sieht.

Wünschenswert!) wäre es auch noch, wenn von Seiten des
Staates die niedrigsten Steuerclassen von ein bis zwei guten Gro¬
schen pr. Person monatlich Denen, die etwa das fünfzigste Jahr er¬
reicht haben, erlassen würden. Wahrlich, der arme Weber hat bis
zum funfzigsten Jahre, wenn er so alt wird, mehr gearbeitet, als der
Reiche, und wenn er ein hundertjähriges Alter erreichte!

Ein schnell hereinbrechendes Alter ist aber auch meist die Folge
der übergroßen Anstrengung, der Erwerb wird noch beschwerlicher,
die Berichtigung der Steller immer weiter hinausgeschoben, bis der
Erecutor an die Thür der niedern Hütte pocht und mit ihm der
Wendepunkt des ganzen Lebens eintritt.

Das Ehrgefühl, nie den Erecutor unter seinem Dache gehabt
zu haben, ist zerstört, die Kosten der Erecution aber den Verhält¬
nissen nach so bedeutend, daß der Arme sie nicht erschwingen kann,
sein bestes, sauer erworbenes Habe pfänden lassen muß, so immer
mehr und mehr in Armuth sinkt und Nichts in der Hand behält als
den Bettelstab. — Welcher Art die Dismembration am zweckmäßig¬
sten vorgenommen werden könnte? Zumeist wohl durch eine Commis¬
sion sachverständiger und uneigennütziger Leute, die besonders darauf
sähen, Güter von anerkannt gutem Boden zu acquiriren, in kleine
gleichmäßige Felder einzutheilen und den Preis den Verhältnissen gemäß
anzusetzen. Obgleich ich nicht, wie Herr Alberti in Schmiedeberg,
die Unrechtmäßigkeit des Dismcmbrirens überhaupt, oder des einem
Privatmann sich hierbei ergebenden Gewinnes einsehen kann; —
jedenfalls fährt der einzelne Käufer, und wenn er gar den Morgen
um einige Thaler zu theuer bezahlte, was doch ganz von ihm ab¬
hängt, noch immer besser dabei, als bei dem früher angeführten in
Erbpachtnchmen vieler Morgen Urlands — so muß es doch im In¬
teresse der Armen wünschenswert!) sein, jeder kaufmännischen specu-


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[0231] Fleiß, der Geschicklichkeit und der Sparsamkeit des Einzelnen ab¬ hängen. Diese heilsame Abwechselung zwischen der Arbeit im Felde und am Stuhle dürste auch für die Zukunft die Folge haben, daß man selbst bei den Webern nicht mehr so viel hohlwangige und hohlciu- gige Gestalten sähe, wie man sie jetzt allenthalben auf liliputanischen Unterkörpern mit keuchender Brust herumschleichen sieht. Wünschenswert!) wäre es auch noch, wenn von Seiten des Staates die niedrigsten Steuerclassen von ein bis zwei guten Gro¬ schen pr. Person monatlich Denen, die etwa das fünfzigste Jahr er¬ reicht haben, erlassen würden. Wahrlich, der arme Weber hat bis zum funfzigsten Jahre, wenn er so alt wird, mehr gearbeitet, als der Reiche, und wenn er ein hundertjähriges Alter erreichte! Ein schnell hereinbrechendes Alter ist aber auch meist die Folge der übergroßen Anstrengung, der Erwerb wird noch beschwerlicher, die Berichtigung der Steller immer weiter hinausgeschoben, bis der Erecutor an die Thür der niedern Hütte pocht und mit ihm der Wendepunkt des ganzen Lebens eintritt. Das Ehrgefühl, nie den Erecutor unter seinem Dache gehabt zu haben, ist zerstört, die Kosten der Erecution aber den Verhält¬ nissen nach so bedeutend, daß der Arme sie nicht erschwingen kann, sein bestes, sauer erworbenes Habe pfänden lassen muß, so immer mehr und mehr in Armuth sinkt und Nichts in der Hand behält als den Bettelstab. — Welcher Art die Dismembration am zweckmäßig¬ sten vorgenommen werden könnte? Zumeist wohl durch eine Commis¬ sion sachverständiger und uneigennütziger Leute, die besonders darauf sähen, Güter von anerkannt gutem Boden zu acquiriren, in kleine gleichmäßige Felder einzutheilen und den Preis den Verhältnissen gemäß anzusetzen. Obgleich ich nicht, wie Herr Alberti in Schmiedeberg, die Unrechtmäßigkeit des Dismcmbrirens überhaupt, oder des einem Privatmann sich hierbei ergebenden Gewinnes einsehen kann; — jedenfalls fährt der einzelne Käufer, und wenn er gar den Morgen um einige Thaler zu theuer bezahlte, was doch ganz von ihm ab¬ hängt, noch immer besser dabei, als bei dem früher angeführten in Erbpachtnchmen vieler Morgen Urlands — so muß es doch im In¬ teresse der Armen wünschenswert!) sein, jeder kaufmännischen specu-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/231>, abgerufen am 23.07.2024.