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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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hat mich den Judenhaß bei den Webern anzuschüren gesucht, und
zwar durch die lächerliche Anklage in den Zeitungen, daß die Juden
auf daS allgemeine, für die Weber angeregte Mitleid speculiren und
den Flachs aufkaufen und vertheuern wollten; gegen diese Tendenzen
Welp's hat keine offizielle Feder geschrien, Niemand hat daran gedacht, die
Juden gegen die falsche Anklage zu vertheidigen, und doch haben sie keine Un¬
bill erfahren. Es kann als ehrenvolles Zeugniß für beide Theile gelten,
für die Weber und für die jüdischen Fabrikanten, deren es im schle-
sischen Gebirge viele gibt, daß der Ausbruch sich eben nur gegen
solche richtete, die, auch ohne Juden zu sein, ihnen besondere Veran¬
lassung hierzu gegeben; während in Prag, wo ein Schriftsteller, wie
Welv, ganz unmöglich ist, der Aufruhr, wie ein Blitz, von seinem
ersten natürlichen Leiter ab-und auf die GesammtheitderJuden sprang; --
nicht weil er mehr Grund dazu als dort hatte, sondern aus dem Man¬
gel an jener Volksbildung, die in Schlesien doch etwas größer ist, als in
Böhmen, und daher auch die Diatriben einer zu heftigen Feder leicht
verwindet oder gar nicht beachtet.

Einige Brutalität der Fabrikanten, namentlich aber die Habsucht
derjenigen, die den Weber ganz als ihren Sklaven betrachteten und
mit allen seinen Bedürfnissen von sich abhängig machten, gab wohl
den ersten äußerlichen Impuls bei den Banmwollenwebern. Ihnen
schlössen sich dann erst die Leinenweber an, die an und für sich wohl
nie den Muth und die Kraft dazu gehabt hätten, und die eben nur
die furchtbarste Noth zu dem verzweiflungsvollen Schritt hinreißen
konnte. Wodurch aber diese Noth gerade jetzt eine so entsetzliche Höhe
erreicht, obgleich so ziemlich seit dem Jahre 1826 die Leinen--' und
Baumwollenfabrikation, wenigstens für die armen Weber, nur selten
einträglicher war, glauben wir leicht nachweisen zu können. Doch
halt! Noch sind wir mit dem Capitel von der Presse nicht zu Ende.
Die Presse hat wohl geschadet med hätte, wäre das Vertrauen des
Volkes zur Regierung nicht so groß, noch mehr schaden können. Nicht
aber durch das, was sie gedruckt, sondern durch das, was sie nicht
gedruckt hat. Die Zeitungen der Hauptstadt durften nämlich, wie es
heißt, auf Hoheit Befehl, kein Wort von den vorgekommenen Unruhen
veröffentlichen. -- Darum konnte man allgemein in Schlesien als die
Hauptveranlassung zum Aufstande die angeben, daß man bei der


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hat mich den Judenhaß bei den Webern anzuschüren gesucht, und
zwar durch die lächerliche Anklage in den Zeitungen, daß die Juden
auf daS allgemeine, für die Weber angeregte Mitleid speculiren und
den Flachs aufkaufen und vertheuern wollten; gegen diese Tendenzen
Welp's hat keine offizielle Feder geschrien, Niemand hat daran gedacht, die
Juden gegen die falsche Anklage zu vertheidigen, und doch haben sie keine Un¬
bill erfahren. Es kann als ehrenvolles Zeugniß für beide Theile gelten,
für die Weber und für die jüdischen Fabrikanten, deren es im schle-
sischen Gebirge viele gibt, daß der Ausbruch sich eben nur gegen
solche richtete, die, auch ohne Juden zu sein, ihnen besondere Veran¬
lassung hierzu gegeben; während in Prag, wo ein Schriftsteller, wie
Welv, ganz unmöglich ist, der Aufruhr, wie ein Blitz, von seinem
ersten natürlichen Leiter ab-und auf die GesammtheitderJuden sprang; —
nicht weil er mehr Grund dazu als dort hatte, sondern aus dem Man¬
gel an jener Volksbildung, die in Schlesien doch etwas größer ist, als in
Böhmen, und daher auch die Diatriben einer zu heftigen Feder leicht
verwindet oder gar nicht beachtet.

Einige Brutalität der Fabrikanten, namentlich aber die Habsucht
derjenigen, die den Weber ganz als ihren Sklaven betrachteten und
mit allen seinen Bedürfnissen von sich abhängig machten, gab wohl
den ersten äußerlichen Impuls bei den Banmwollenwebern. Ihnen
schlössen sich dann erst die Leinenweber an, die an und für sich wohl
nie den Muth und die Kraft dazu gehabt hätten, und die eben nur
die furchtbarste Noth zu dem verzweiflungsvollen Schritt hinreißen
konnte. Wodurch aber diese Noth gerade jetzt eine so entsetzliche Höhe
erreicht, obgleich so ziemlich seit dem Jahre 1826 die Leinen--' und
Baumwollenfabrikation, wenigstens für die armen Weber, nur selten
einträglicher war, glauben wir leicht nachweisen zu können. Doch
halt! Noch sind wir mit dem Capitel von der Presse nicht zu Ende.
Die Presse hat wohl geschadet med hätte, wäre das Vertrauen des
Volkes zur Regierung nicht so groß, noch mehr schaden können. Nicht
aber durch das, was sie gedruckt, sondern durch das, was sie nicht
gedruckt hat. Die Zeitungen der Hauptstadt durften nämlich, wie es
heißt, auf Hoheit Befehl, kein Wort von den vorgekommenen Unruhen
veröffentlichen. — Darum konnte man allgemein in Schlesien als die
Hauptveranlassung zum Aufstande die angeben, daß man bei der


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[0227] hat mich den Judenhaß bei den Webern anzuschüren gesucht, und zwar durch die lächerliche Anklage in den Zeitungen, daß die Juden auf daS allgemeine, für die Weber angeregte Mitleid speculiren und den Flachs aufkaufen und vertheuern wollten; gegen diese Tendenzen Welp's hat keine offizielle Feder geschrien, Niemand hat daran gedacht, die Juden gegen die falsche Anklage zu vertheidigen, und doch haben sie keine Un¬ bill erfahren. Es kann als ehrenvolles Zeugniß für beide Theile gelten, für die Weber und für die jüdischen Fabrikanten, deren es im schle- sischen Gebirge viele gibt, daß der Ausbruch sich eben nur gegen solche richtete, die, auch ohne Juden zu sein, ihnen besondere Veran¬ lassung hierzu gegeben; während in Prag, wo ein Schriftsteller, wie Welv, ganz unmöglich ist, der Aufruhr, wie ein Blitz, von seinem ersten natürlichen Leiter ab-und auf die GesammtheitderJuden sprang; — nicht weil er mehr Grund dazu als dort hatte, sondern aus dem Man¬ gel an jener Volksbildung, die in Schlesien doch etwas größer ist, als in Böhmen, und daher auch die Diatriben einer zu heftigen Feder leicht verwindet oder gar nicht beachtet. Einige Brutalität der Fabrikanten, namentlich aber die Habsucht derjenigen, die den Weber ganz als ihren Sklaven betrachteten und mit allen seinen Bedürfnissen von sich abhängig machten, gab wohl den ersten äußerlichen Impuls bei den Banmwollenwebern. Ihnen schlössen sich dann erst die Leinenweber an, die an und für sich wohl nie den Muth und die Kraft dazu gehabt hätten, und die eben nur die furchtbarste Noth zu dem verzweiflungsvollen Schritt hinreißen konnte. Wodurch aber diese Noth gerade jetzt eine so entsetzliche Höhe erreicht, obgleich so ziemlich seit dem Jahre 1826 die Leinen--' und Baumwollenfabrikation, wenigstens für die armen Weber, nur selten einträglicher war, glauben wir leicht nachweisen zu können. Doch halt! Noch sind wir mit dem Capitel von der Presse nicht zu Ende. Die Presse hat wohl geschadet med hätte, wäre das Vertrauen des Volkes zur Regierung nicht so groß, noch mehr schaden können. Nicht aber durch das, was sie gedruckt, sondern durch das, was sie nicht gedruckt hat. Die Zeitungen der Hauptstadt durften nämlich, wie es heißt, auf Hoheit Befehl, kein Wort von den vorgekommenen Unruhen veröffentlichen. — Darum konnte man allgemein in Schlesien als die Hauptveranlassung zum Aufstande die angeben, daß man bei der 28

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/227>, abgerufen am 23.12.2024.