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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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den Nationalbewußtseins fehlte es nicht; denn als der Kölner Dom
von einer freien deutschen Kirche zu einer preußisch-katholischen, zum
königlich preußischen privilegirten Einheitsmonumcnt herabgchmkcn war,
und die einst ganz ernste und würdige Sache in's Komische, ja Aer-
gerliche sich zu ziehen begann, da sollte die Sache Jordan's (zuerst in
weiteren Kreisen durch Welcker und E. E. Hoffmann angeregt) das
Flammenzeichen der echten deutschen Einheit werden -- freilich ohne
hochobrigkcitliche Bewilligung.

Diese durchgreifenden, vielfach neu gestaltenden Impulse unseres
öffentlichen Lebens markten selbst der philosophischen und belletristischen
Journalistik ein neues Gebiet ab. Die Jahrbücher der Gegen¬
wart (seit dem I. Juli) wollten vermitteln zwischen dem Leben und
der Wissenschaft und haben sich durch strenges Festhalten dieses Grund¬
satzes jetzt schon einen weit größeren Wirkungskreis eröffnet, als die
Deutschen Jahrbücher, obgleich sie die Welt viel weniger mit Geschrei
erfüllen.

Das rein belletristische Element vermochte selbst die Eristenz der
betreffenden Blätter nicht mehr genügend zu sichern. Th. Hell, der
Almanachsonnetten- und Näthseldichter, sah sich genöthigt, die Redac-
tion des Prototyps dieser Gattung im schlimmen Sinne, der Dr es-
t euer Abendzeitung, aufzugeben, nachdem sie binnen kurzer Zeit
von tausend Abonnenten auf fünfhundert heruntergekommen war.
Schmieder kaufte das Blatt und hat eine Regeneration desselben ver¬
sucht. Der Pilot, von Mundt gegründet, zuletzt von F. Saß re-
digirt, einst ein tüchtiges Blatt, ging ein, und daß Saß vergessen
hatte, eine Aufenthaltskarte zu lösen, war sicherlich nicht der einzige
Grund der Katastrophe. Die besseren übrigen Vertreter der periodi¬
schen Belletristik dagegen wußten ihren Platz zu behaupten, indem sie
sich mit größerer oder geringerer Entschiedenheit der Besprechung so¬
cialer Interessen zuwandten; die literarischen Feuilletons der politi¬
schen Blätter nahmen dagegen merklich zu an Reichthum des Stoffes,
an gediegener Haltung, überhaupt an Bedeutsamkeit, so daß sich hier
eine gefährliche Rivalität für die belletristischen Blätter zu ent¬
falten scheint. Nur Laube machte bei der Uebernahme der
Eleganten (aus Kühne's Händen) geflissentlich eine Ausnahme
von der allgemeinen Neuerung. Er erließ nämlich in dem Prospec-
tus zu Beginn des Jahres 1843 ein förmliches Manifest gegen die


den Nationalbewußtseins fehlte es nicht; denn als der Kölner Dom
von einer freien deutschen Kirche zu einer preußisch-katholischen, zum
königlich preußischen privilegirten Einheitsmonumcnt herabgchmkcn war,
und die einst ganz ernste und würdige Sache in's Komische, ja Aer-
gerliche sich zu ziehen begann, da sollte die Sache Jordan's (zuerst in
weiteren Kreisen durch Welcker und E. E. Hoffmann angeregt) das
Flammenzeichen der echten deutschen Einheit werden — freilich ohne
hochobrigkcitliche Bewilligung.

Diese durchgreifenden, vielfach neu gestaltenden Impulse unseres
öffentlichen Lebens markten selbst der philosophischen und belletristischen
Journalistik ein neues Gebiet ab. Die Jahrbücher der Gegen¬
wart (seit dem I. Juli) wollten vermitteln zwischen dem Leben und
der Wissenschaft und haben sich durch strenges Festhalten dieses Grund¬
satzes jetzt schon einen weit größeren Wirkungskreis eröffnet, als die
Deutschen Jahrbücher, obgleich sie die Welt viel weniger mit Geschrei
erfüllen.

Das rein belletristische Element vermochte selbst die Eristenz der
betreffenden Blätter nicht mehr genügend zu sichern. Th. Hell, der
Almanachsonnetten- und Näthseldichter, sah sich genöthigt, die Redac-
tion des Prototyps dieser Gattung im schlimmen Sinne, der Dr es-
t euer Abendzeitung, aufzugeben, nachdem sie binnen kurzer Zeit
von tausend Abonnenten auf fünfhundert heruntergekommen war.
Schmieder kaufte das Blatt und hat eine Regeneration desselben ver¬
sucht. Der Pilot, von Mundt gegründet, zuletzt von F. Saß re-
digirt, einst ein tüchtiges Blatt, ging ein, und daß Saß vergessen
hatte, eine Aufenthaltskarte zu lösen, war sicherlich nicht der einzige
Grund der Katastrophe. Die besseren übrigen Vertreter der periodi¬
schen Belletristik dagegen wußten ihren Platz zu behaupten, indem sie
sich mit größerer oder geringerer Entschiedenheit der Besprechung so¬
cialer Interessen zuwandten; die literarischen Feuilletons der politi¬
schen Blätter nahmen dagegen merklich zu an Reichthum des Stoffes,
an gediegener Haltung, überhaupt an Bedeutsamkeit, so daß sich hier
eine gefährliche Rivalität für die belletristischen Blätter zu ent¬
falten scheint. Nur Laube machte bei der Uebernahme der
Eleganten (aus Kühne's Händen) geflissentlich eine Ausnahme
von der allgemeinen Neuerung. Er erließ nämlich in dem Prospec-
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[0223] den Nationalbewußtseins fehlte es nicht; denn als der Kölner Dom von einer freien deutschen Kirche zu einer preußisch-katholischen, zum königlich preußischen privilegirten Einheitsmonumcnt herabgchmkcn war, und die einst ganz ernste und würdige Sache in's Komische, ja Aer- gerliche sich zu ziehen begann, da sollte die Sache Jordan's (zuerst in weiteren Kreisen durch Welcker und E. E. Hoffmann angeregt) das Flammenzeichen der echten deutschen Einheit werden — freilich ohne hochobrigkcitliche Bewilligung. Diese durchgreifenden, vielfach neu gestaltenden Impulse unseres öffentlichen Lebens markten selbst der philosophischen und belletristischen Journalistik ein neues Gebiet ab. Die Jahrbücher der Gegen¬ wart (seit dem I. Juli) wollten vermitteln zwischen dem Leben und der Wissenschaft und haben sich durch strenges Festhalten dieses Grund¬ satzes jetzt schon einen weit größeren Wirkungskreis eröffnet, als die Deutschen Jahrbücher, obgleich sie die Welt viel weniger mit Geschrei erfüllen. Das rein belletristische Element vermochte selbst die Eristenz der betreffenden Blätter nicht mehr genügend zu sichern. Th. Hell, der Almanachsonnetten- und Näthseldichter, sah sich genöthigt, die Redac- tion des Prototyps dieser Gattung im schlimmen Sinne, der Dr es- t euer Abendzeitung, aufzugeben, nachdem sie binnen kurzer Zeit von tausend Abonnenten auf fünfhundert heruntergekommen war. Schmieder kaufte das Blatt und hat eine Regeneration desselben ver¬ sucht. Der Pilot, von Mundt gegründet, zuletzt von F. Saß re- digirt, einst ein tüchtiges Blatt, ging ein, und daß Saß vergessen hatte, eine Aufenthaltskarte zu lösen, war sicherlich nicht der einzige Grund der Katastrophe. Die besseren übrigen Vertreter der periodi¬ schen Belletristik dagegen wußten ihren Platz zu behaupten, indem sie sich mit größerer oder geringerer Entschiedenheit der Besprechung so¬ cialer Interessen zuwandten; die literarischen Feuilletons der politi¬ schen Blätter nahmen dagegen merklich zu an Reichthum des Stoffes, an gediegener Haltung, überhaupt an Bedeutsamkeit, so daß sich hier eine gefährliche Rivalität für die belletristischen Blätter zu ent¬ falten scheint. Nur Laube machte bei der Uebernahme der Eleganten (aus Kühne's Händen) geflissentlich eine Ausnahme von der allgemeinen Neuerung. Er erließ nämlich in dem Prospec- tus zu Beginn des Jahres 1843 ein förmliches Manifest gegen die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/223>, abgerufen am 23.12.2024.