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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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zum allgemeinen Beifall verkündigen, daß wir trotz all unserer Phi¬
losophie des achtzehnten und neunzehnten Jahrhunderts von den
Engländern und Franzosen geplündert und an den Rand eines Na-
tionalbankerottcs gebracht worden seien, während im Gegentheile der
deutsche Zoll- und Handclsvercin, nicht von Philosophen erfunden
und verwirklicht, das finanzielle Gleichgewicht unter den Nationen
einigermaßen wieder hergestellt habe und mehr als alle literarischen
Discussionen beigetragen zur Erhebung des Gemeingeistes und Na-
tionalgefühles.

Indem sich diese neue Anschauungsweise Bahn gebrochen, waren
auch von Seiten der Tagespresse neue Bedürfnisse zu befriedigen,
neue Organe mußten sich für dieselbe bilden an der Stelle der ge¬
fallenen Vertreter der früheren Richtung. Drei Zeitschriften aber sind
es, welche, damals neu auftretend, uns als besonders maßgebend er¬
scheinen für den Umschwung unserer Journalliteratur: List's Zoll-
vereinöblatt, Giehne'S deutsche Wochenzeitung undBie-
dermann's deutsche Monatsschrift (seit 1843 in neuer Ge¬
stalt.)

Friedrich List, "der O'Connell der deutschen Industrie", suchte in
seinem Blatte mit eindringlicher Beredsamkeit die materiellen Inter¬
essen der Nation zu verfechten, er sprach von vornherein aus, seine
Obliegenheit finde er dann, "ein Hochwächter der Industrie und des
Ackerbaues, des Handels und der Schifffahrt der Deutschen zu sein,
aber auch überhaupt Referent und Sammler aller in die vorgenann¬
ten Zweige und in die National-, Staats- und Finanzwissenschaft
überhaupt einschlagenden Thatsachen und statistischen Notizen. Unser
Ehrgeiz," fährt er sodann fort, "strebt dahin, Deutschland ein Jour¬
nal zu liefern, wie es bis jetzt noch keines besessen, wie es keine an¬
dere Nation besitzt, ein Centralblatt sämmtlicher materiellen Interessen
des Finanzwesens und der Staatswirthschaft." -- Trefflich geschrie¬
bene Abhandlungen über das nationale Schutzsystem, den Anschluß
Hannovers, die deutsche Flotte, die Auswanderung, ein deutsches Ei¬
senbahnnetz :c., so wie die gediegene, zeitgemäße Tendenz der Zeit¬
schrift überhaupt gewannen ihr in Kurzem so zahlreiche Freunde, daß
sie bereits im Juni ihren Nahmen erweitern konnte und eine zweite
Auflage des ersten Semesters veranstalten mußte bei immer steigender
Abonnentenzahl.


zum allgemeinen Beifall verkündigen, daß wir trotz all unserer Phi¬
losophie des achtzehnten und neunzehnten Jahrhunderts von den
Engländern und Franzosen geplündert und an den Rand eines Na-
tionalbankerottcs gebracht worden seien, während im Gegentheile der
deutsche Zoll- und Handclsvercin, nicht von Philosophen erfunden
und verwirklicht, das finanzielle Gleichgewicht unter den Nationen
einigermaßen wieder hergestellt habe und mehr als alle literarischen
Discussionen beigetragen zur Erhebung des Gemeingeistes und Na-
tionalgefühles.

Indem sich diese neue Anschauungsweise Bahn gebrochen, waren
auch von Seiten der Tagespresse neue Bedürfnisse zu befriedigen,
neue Organe mußten sich für dieselbe bilden an der Stelle der ge¬
fallenen Vertreter der früheren Richtung. Drei Zeitschriften aber sind
es, welche, damals neu auftretend, uns als besonders maßgebend er¬
scheinen für den Umschwung unserer Journalliteratur: List's Zoll-
vereinöblatt, Giehne'S deutsche Wochenzeitung undBie-
dermann's deutsche Monatsschrift (seit 1843 in neuer Ge¬
stalt.)

Friedrich List, „der O'Connell der deutschen Industrie", suchte in
seinem Blatte mit eindringlicher Beredsamkeit die materiellen Inter¬
essen der Nation zu verfechten, er sprach von vornherein aus, seine
Obliegenheit finde er dann, „ein Hochwächter der Industrie und des
Ackerbaues, des Handels und der Schifffahrt der Deutschen zu sein,
aber auch überhaupt Referent und Sammler aller in die vorgenann¬
ten Zweige und in die National-, Staats- und Finanzwissenschaft
überhaupt einschlagenden Thatsachen und statistischen Notizen. Unser
Ehrgeiz," fährt er sodann fort, „strebt dahin, Deutschland ein Jour¬
nal zu liefern, wie es bis jetzt noch keines besessen, wie es keine an¬
dere Nation besitzt, ein Centralblatt sämmtlicher materiellen Interessen
des Finanzwesens und der Staatswirthschaft." — Trefflich geschrie¬
bene Abhandlungen über das nationale Schutzsystem, den Anschluß
Hannovers, die deutsche Flotte, die Auswanderung, ein deutsches Ei¬
senbahnnetz :c., so wie die gediegene, zeitgemäße Tendenz der Zeit¬
schrift überhaupt gewannen ihr in Kurzem so zahlreiche Freunde, daß
sie bereits im Juni ihren Nahmen erweitern konnte und eine zweite
Auflage des ersten Semesters veranstalten mußte bei immer steigender
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[0218] zum allgemeinen Beifall verkündigen, daß wir trotz all unserer Phi¬ losophie des achtzehnten und neunzehnten Jahrhunderts von den Engländern und Franzosen geplündert und an den Rand eines Na- tionalbankerottcs gebracht worden seien, während im Gegentheile der deutsche Zoll- und Handclsvercin, nicht von Philosophen erfunden und verwirklicht, das finanzielle Gleichgewicht unter den Nationen einigermaßen wieder hergestellt habe und mehr als alle literarischen Discussionen beigetragen zur Erhebung des Gemeingeistes und Na- tionalgefühles. Indem sich diese neue Anschauungsweise Bahn gebrochen, waren auch von Seiten der Tagespresse neue Bedürfnisse zu befriedigen, neue Organe mußten sich für dieselbe bilden an der Stelle der ge¬ fallenen Vertreter der früheren Richtung. Drei Zeitschriften aber sind es, welche, damals neu auftretend, uns als besonders maßgebend er¬ scheinen für den Umschwung unserer Journalliteratur: List's Zoll- vereinöblatt, Giehne'S deutsche Wochenzeitung undBie- dermann's deutsche Monatsschrift (seit 1843 in neuer Ge¬ stalt.) Friedrich List, „der O'Connell der deutschen Industrie", suchte in seinem Blatte mit eindringlicher Beredsamkeit die materiellen Inter¬ essen der Nation zu verfechten, er sprach von vornherein aus, seine Obliegenheit finde er dann, „ein Hochwächter der Industrie und des Ackerbaues, des Handels und der Schifffahrt der Deutschen zu sein, aber auch überhaupt Referent und Sammler aller in die vorgenann¬ ten Zweige und in die National-, Staats- und Finanzwissenschaft überhaupt einschlagenden Thatsachen und statistischen Notizen. Unser Ehrgeiz," fährt er sodann fort, „strebt dahin, Deutschland ein Jour¬ nal zu liefern, wie es bis jetzt noch keines besessen, wie es keine an¬ dere Nation besitzt, ein Centralblatt sämmtlicher materiellen Interessen des Finanzwesens und der Staatswirthschaft." — Trefflich geschrie¬ bene Abhandlungen über das nationale Schutzsystem, den Anschluß Hannovers, die deutsche Flotte, die Auswanderung, ein deutsches Ei¬ senbahnnetz :c., so wie die gediegene, zeitgemäße Tendenz der Zeit¬ schrift überhaupt gewannen ihr in Kurzem so zahlreiche Freunde, daß sie bereits im Juni ihren Nahmen erweitern konnte und eine zweite Auflage des ersten Semesters veranstalten mußte bei immer steigender Abonnentenzahl.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/218>, abgerufen am 23.12.2024.