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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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bedienen, ja sogar Manche in Abkürzungen ausarten, die erst in hö¬
heren Artilleristencursen erlaubt sind.

Zur Erleichterung des Unterrichts in der Artilleriewissenschaft
mußte jeder Unteroffizier mit Fragen versehen sein, von welchen der¬
selbe durchaus nicht abgehen durfte, um nicht durch Querfragen die
Schüler zu verwirren. Der Schüler mußte aber auch genau ohne
alle Abweichung in der Antwort die Frage wiederholen. Zum Be¬
weise dessen, wie sehr dieser Pedantismus beobachtet wird, möge
nachstehendes Beispiel dienen: Um vom Unter- zum Oberkanonier
avanciren zu können, mußte ich aus den vier Artillerie-Unterrichts-
Klassen ein Lx-"men riAc>rü8um in Gegenwart eines Offiziers beste¬
hen. Der Herr Korporal frägt mich: Wie wird das Geschütz, des¬
sen man sich heut zu Tage im Kriege bedient, eingetheilt? Ant¬
wort: Das Geschütz, dessen man sich g egenwartig---Nichts nutz!
noch einmal! Der Korporal wiederholt seine Frage, und ich antwor¬
tete wieder statt heut zu Tage -- gegenwärtig. Ein aberma¬
liges "Nichts nutz! noch einmal!" erschallt, und ich wäre un¬
fehlbar schon bei der ersten Frage durchgefallen, wenn nicht der frei¬
sinnige Offizier diesem Korporal seine Pedanterie mit den Worten:
"Er ist ein Esel" verwiesen und das weitere Prüfen oder vielmehr
Befragen selbst übernommen hätte. Dieser Offizier wurde bald dar¬
auf pensionirt; ob vielleicht sein Liberalismus zu seiner frühzeitigen
Entfernung etwas beigetragen?

Nebst diesen allgemeinen Compagnieschulen wird für die Win¬
terszeit eine sogenannte Vorbereitungöschule aus der Elite der Ober¬
kanoniere zusammengesetzt, welche in den Anfangsgründen der Al¬
gebra und im Zeichnen Unterricht erhalten. Diejenigen, welche diese
Normalschule gut absolviren, haben den Anspruch, in die Stabsschule
übersetzt zu werden. Diese Stabsschulen, die eigentlichen Artillerie-
Gymnasien, haben Offiziere als ordentliche Professoren, welchen Feuer¬
werker und Oberfeuerwerker ><als Supplenten beigegeben sind. Die
Schüler, welche von den Vorbereitungsschulen aller Compagnien zu¬
sammengesetzt sind, heißen Frequentanten und stehen unter dem selb¬
ständigen Commando eines hiezu vom Regimente bestimmten Offi¬
ziers, -- sind von allen Diensten befreit, -- nachdem selbe sogar die
nöthige Küche erhalten, und zerfallen in zwei Abtheilungen, nämlich:
Arithmetiker und Geometristen. Nebst der Mathematik wird in diese"


bedienen, ja sogar Manche in Abkürzungen ausarten, die erst in hö¬
heren Artilleristencursen erlaubt sind.

Zur Erleichterung des Unterrichts in der Artilleriewissenschaft
mußte jeder Unteroffizier mit Fragen versehen sein, von welchen der¬
selbe durchaus nicht abgehen durfte, um nicht durch Querfragen die
Schüler zu verwirren. Der Schüler mußte aber auch genau ohne
alle Abweichung in der Antwort die Frage wiederholen. Zum Be¬
weise dessen, wie sehr dieser Pedantismus beobachtet wird, möge
nachstehendes Beispiel dienen: Um vom Unter- zum Oberkanonier
avanciren zu können, mußte ich aus den vier Artillerie-Unterrichts-
Klassen ein Lx-»men riAc>rü8um in Gegenwart eines Offiziers beste¬
hen. Der Herr Korporal frägt mich: Wie wird das Geschütz, des¬
sen man sich heut zu Tage im Kriege bedient, eingetheilt? Ant¬
wort: Das Geschütz, dessen man sich g egenwartig—-Nichts nutz!
noch einmal! Der Korporal wiederholt seine Frage, und ich antwor¬
tete wieder statt heut zu Tage — gegenwärtig. Ein aberma¬
liges „Nichts nutz! noch einmal!" erschallt, und ich wäre un¬
fehlbar schon bei der ersten Frage durchgefallen, wenn nicht der frei¬
sinnige Offizier diesem Korporal seine Pedanterie mit den Worten:
„Er ist ein Esel" verwiesen und das weitere Prüfen oder vielmehr
Befragen selbst übernommen hätte. Dieser Offizier wurde bald dar¬
auf pensionirt; ob vielleicht sein Liberalismus zu seiner frühzeitigen
Entfernung etwas beigetragen?

Nebst diesen allgemeinen Compagnieschulen wird für die Win¬
terszeit eine sogenannte Vorbereitungöschule aus der Elite der Ober¬
kanoniere zusammengesetzt, welche in den Anfangsgründen der Al¬
gebra und im Zeichnen Unterricht erhalten. Diejenigen, welche diese
Normalschule gut absolviren, haben den Anspruch, in die Stabsschule
übersetzt zu werden. Diese Stabsschulen, die eigentlichen Artillerie-
Gymnasien, haben Offiziere als ordentliche Professoren, welchen Feuer¬
werker und Oberfeuerwerker ><als Supplenten beigegeben sind. Die
Schüler, welche von den Vorbereitungsschulen aller Compagnien zu¬
sammengesetzt sind, heißen Frequentanten und stehen unter dem selb¬
ständigen Commando eines hiezu vom Regimente bestimmten Offi¬
ziers, — sind von allen Diensten befreit, — nachdem selbe sogar die
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[0021] bedienen, ja sogar Manche in Abkürzungen ausarten, die erst in hö¬ heren Artilleristencursen erlaubt sind. Zur Erleichterung des Unterrichts in der Artilleriewissenschaft mußte jeder Unteroffizier mit Fragen versehen sein, von welchen der¬ selbe durchaus nicht abgehen durfte, um nicht durch Querfragen die Schüler zu verwirren. Der Schüler mußte aber auch genau ohne alle Abweichung in der Antwort die Frage wiederholen. Zum Be¬ weise dessen, wie sehr dieser Pedantismus beobachtet wird, möge nachstehendes Beispiel dienen: Um vom Unter- zum Oberkanonier avanciren zu können, mußte ich aus den vier Artillerie-Unterrichts- Klassen ein Lx-»men riAc>rü8um in Gegenwart eines Offiziers beste¬ hen. Der Herr Korporal frägt mich: Wie wird das Geschütz, des¬ sen man sich heut zu Tage im Kriege bedient, eingetheilt? Ant¬ wort: Das Geschütz, dessen man sich g egenwartig—-Nichts nutz! noch einmal! Der Korporal wiederholt seine Frage, und ich antwor¬ tete wieder statt heut zu Tage — gegenwärtig. Ein aberma¬ liges „Nichts nutz! noch einmal!" erschallt, und ich wäre un¬ fehlbar schon bei der ersten Frage durchgefallen, wenn nicht der frei¬ sinnige Offizier diesem Korporal seine Pedanterie mit den Worten: „Er ist ein Esel" verwiesen und das weitere Prüfen oder vielmehr Befragen selbst übernommen hätte. Dieser Offizier wurde bald dar¬ auf pensionirt; ob vielleicht sein Liberalismus zu seiner frühzeitigen Entfernung etwas beigetragen? Nebst diesen allgemeinen Compagnieschulen wird für die Win¬ terszeit eine sogenannte Vorbereitungöschule aus der Elite der Ober¬ kanoniere zusammengesetzt, welche in den Anfangsgründen der Al¬ gebra und im Zeichnen Unterricht erhalten. Diejenigen, welche diese Normalschule gut absolviren, haben den Anspruch, in die Stabsschule übersetzt zu werden. Diese Stabsschulen, die eigentlichen Artillerie- Gymnasien, haben Offiziere als ordentliche Professoren, welchen Feuer¬ werker und Oberfeuerwerker ><als Supplenten beigegeben sind. Die Schüler, welche von den Vorbereitungsschulen aller Compagnien zu¬ sammengesetzt sind, heißen Frequentanten und stehen unter dem selb¬ ständigen Commando eines hiezu vom Regimente bestimmten Offi¬ ziers, — sind von allen Diensten befreit, — nachdem selbe sogar die nöthige Küche erhalten, und zerfallen in zwei Abtheilungen, nämlich: Arithmetiker und Geometristen. Nebst der Mathematik wird in diese»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/21>, abgerufen am 23.12.2024.