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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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ren müssen. Sie geben Ihren Degen ab, den Sie nicht mehr tra¬
gen werden, und jetzt gehen Sie zum Garnisonsprofoß!"

Beiläufig zwei Stunden mochte ich bet demselben gewesen sein,
als ich zum Garnisonsauditor gerufen wurde, welcher vorläufig von
mir die näheren Umstände meines Vergehens erfahren wollte. Wir
waren jederzeit gute Freunde. Als ich ihm alle Details erklärte und
das Zeugniß des Stabsarztes producirte, rief er: Victoria! Nichts
geschieht Ihnen, und Sie sind heute noch auf freiem Fuße. Höher
als Gehorsam steht die Pflicht, eine Strafe von einem Unschuldigen
abzuwenden; aber gesetzt den umgekehrten Fall, so haben Sie ja
Alles früher gethan, um nicht ungehorsam werden zu müssen; folg¬
lich ist es ja die Schuld Derjenigen, die Sie hierzu gezwungen ha¬
ben, und überdies ist das Vergehen des Kanoniers keinesweges
von solcher Art, daß eine körperliche Strafe hätte eintreten sollen
und dürfen.

Mein Degen wurde mir den folgenden Tag auf höhern Be¬
fehl mit der Weisung zurückgegeben, daß ich mich als meines Arrestes
entlassen bei meinen Vorgesetzten melden solle. Mein Commandant
schien schon von meiner gewonnenen Freiheit in Kenntniß zu sein,
sagte mir jedoch, daß ich, um nicht in weitere Kollisionen mit dem
Hauptmann zu gerathen, bis auf weitere Befehle keine Dienste zu ver¬
richten habe. Nach zehn Tagen kam von der General-Artillerie-
Direction ein Befehl, und ich wurde in eine entfernte Provinz ver¬
setzt. Was der höchsten Stelle über mich berichtet wurde, ist mir
unbekannt geblieben, nur so viel weiß ich, daß dieser Vorfall mich
in großen Nachtheil bei der öffentlichen Meinung und bei allen
Vorgesetzten brachte.


IV.
Eine Criminalgeschichte.

Noch eine Begebenheit muß ich zum Belege des Vorigen er¬
wähnen, die in der ganzen Armee großes Aufsehen erregte. Um
deren Authenticität herzustellen, werde ich auch die.Hauptpersonen,
die mir bekannt sind, ohne Scheu nennen.

In den dreißiger Jahren marschirten mehrere Compagnien von


Grmzbotc" 1844. II. 26

ren müssen. Sie geben Ihren Degen ab, den Sie nicht mehr tra¬
gen werden, und jetzt gehen Sie zum Garnisonsprofoß!"

Beiläufig zwei Stunden mochte ich bet demselben gewesen sein,
als ich zum Garnisonsauditor gerufen wurde, welcher vorläufig von
mir die näheren Umstände meines Vergehens erfahren wollte. Wir
waren jederzeit gute Freunde. Als ich ihm alle Details erklärte und
das Zeugniß des Stabsarztes producirte, rief er: Victoria! Nichts
geschieht Ihnen, und Sie sind heute noch auf freiem Fuße. Höher
als Gehorsam steht die Pflicht, eine Strafe von einem Unschuldigen
abzuwenden; aber gesetzt den umgekehrten Fall, so haben Sie ja
Alles früher gethan, um nicht ungehorsam werden zu müssen; folg¬
lich ist es ja die Schuld Derjenigen, die Sie hierzu gezwungen ha¬
ben, und überdies ist das Vergehen des Kanoniers keinesweges
von solcher Art, daß eine körperliche Strafe hätte eintreten sollen
und dürfen.

Mein Degen wurde mir den folgenden Tag auf höhern Be¬
fehl mit der Weisung zurückgegeben, daß ich mich als meines Arrestes
entlassen bei meinen Vorgesetzten melden solle. Mein Commandant
schien schon von meiner gewonnenen Freiheit in Kenntniß zu sein,
sagte mir jedoch, daß ich, um nicht in weitere Kollisionen mit dem
Hauptmann zu gerathen, bis auf weitere Befehle keine Dienste zu ver¬
richten habe. Nach zehn Tagen kam von der General-Artillerie-
Direction ein Befehl, und ich wurde in eine entfernte Provinz ver¬
setzt. Was der höchsten Stelle über mich berichtet wurde, ist mir
unbekannt geblieben, nur so viel weiß ich, daß dieser Vorfall mich
in großen Nachtheil bei der öffentlichen Meinung und bei allen
Vorgesetzten brachte.


IV.
Eine Criminalgeschichte.

Noch eine Begebenheit muß ich zum Belege des Vorigen er¬
wähnen, die in der ganzen Armee großes Aufsehen erregte. Um
deren Authenticität herzustellen, werde ich auch die.Hauptpersonen,
die mir bekannt sind, ohne Scheu nennen.

In den dreißiger Jahren marschirten mehrere Compagnien von


Grmzbotc» 1844. II. 26
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[0209] ren müssen. Sie geben Ihren Degen ab, den Sie nicht mehr tra¬ gen werden, und jetzt gehen Sie zum Garnisonsprofoß!" Beiläufig zwei Stunden mochte ich bet demselben gewesen sein, als ich zum Garnisonsauditor gerufen wurde, welcher vorläufig von mir die näheren Umstände meines Vergehens erfahren wollte. Wir waren jederzeit gute Freunde. Als ich ihm alle Details erklärte und das Zeugniß des Stabsarztes producirte, rief er: Victoria! Nichts geschieht Ihnen, und Sie sind heute noch auf freiem Fuße. Höher als Gehorsam steht die Pflicht, eine Strafe von einem Unschuldigen abzuwenden; aber gesetzt den umgekehrten Fall, so haben Sie ja Alles früher gethan, um nicht ungehorsam werden zu müssen; folg¬ lich ist es ja die Schuld Derjenigen, die Sie hierzu gezwungen ha¬ ben, und überdies ist das Vergehen des Kanoniers keinesweges von solcher Art, daß eine körperliche Strafe hätte eintreten sollen und dürfen. Mein Degen wurde mir den folgenden Tag auf höhern Be¬ fehl mit der Weisung zurückgegeben, daß ich mich als meines Arrestes entlassen bei meinen Vorgesetzten melden solle. Mein Commandant schien schon von meiner gewonnenen Freiheit in Kenntniß zu sein, sagte mir jedoch, daß ich, um nicht in weitere Kollisionen mit dem Hauptmann zu gerathen, bis auf weitere Befehle keine Dienste zu ver¬ richten habe. Nach zehn Tagen kam von der General-Artillerie- Direction ein Befehl, und ich wurde in eine entfernte Provinz ver¬ setzt. Was der höchsten Stelle über mich berichtet wurde, ist mir unbekannt geblieben, nur so viel weiß ich, daß dieser Vorfall mich in großen Nachtheil bei der öffentlichen Meinung und bei allen Vorgesetzten brachte. IV. Eine Criminalgeschichte. Noch eine Begebenheit muß ich zum Belege des Vorigen er¬ wähnen, die in der ganzen Armee großes Aufsehen erregte. Um deren Authenticität herzustellen, werde ich auch die.Hauptpersonen, die mir bekannt sind, ohne Scheu nennen. In den dreißiger Jahren marschirten mehrere Compagnien von Grmzbotc» 1844. II. 26

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/209>, abgerufen am 22.12.2024.