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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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den Hut nicht nach Vorschrift aufgesetzt hat, mil fünfundzwanzig
Stockstreichen belegen laßt, den ein anderer human denkender entwe¬
der mit einigen Stunden Krummschließcn oder mit etlichen Tagen
Hausarrest bestraft halte. Die Tyrannei wird verhältinßmäßig in
den Artillerieregimentern von den Compagniecommandanten häufiger
ausgeübt, als in der Infanterie, weil sich die Hauptleute wegen der.
zerstreuten Dislocirungen mehr überlassen sind und ihr Thun nicht
immer von Stabsoffizieren überwacht werden kann. Freilich sollte
auch hier der Willkür durch die Anordnung, daß jeder Schuldige oder
Angeschuldigte beim öffentlichen Rapport in Gegenwart eines Offi¬
ziers und der Unteroffiziere über sein Vergehen vernommen werden
soll, ein Kappzaum angelegt sein. Allein diese weise Anordnung, wenn
sie auch wirklich befolgt wird, verhindert nur so viel, daß ein Haupt¬
mann, wenn derselbe ein Tyrann ist, nicht ohne Anlaß den ersten
Besten, der ihm unterkomme, zu seinem Vergnügen krumm schließen
oder mit Stockstreichen belegen lassen kann. Sein Pouvoir erstreckt sich
von gänzlicher Freisprechung von einer Strafe bis zu fünfundzwanzig
Stockstreichen. -- Er bewegt sich daher immer gesetzmäßig in seinem
Pouvoir, wenn er auch das Marimum eintreten läßt. -- Wenn da¬
her der beim Rapport anwesende Offizier mit der vom Hauptmann
abgemessenen Bestrafung unzufrieden oder eigentlich nicht einver¬
standen wäre, so steht es ihm wohl frei, dem Letzteren mit aller Ehr¬
erbietung eine Vorstellung zu machen, aber wenn der Hauptmann
auf seiner Sentenz beharrt, so wird selbe doch vollzogen. Dem Of¬
fizier steht dann allerdings frei, im Dienstwege die Anzeige davon zu
machen. Aber, Du lieber Gott, da gibt's eine Menge nisi! --

Erstens wird eine solche Anzeige über einen Vorgesetzten als De¬
nunciation betrachtet, und der betreffende Untergebene,
wenn er wirklich Recht erhielte, wird von seinen Obern
nicht anders, als für einen gefährlichen Menschen ge¬
halten.
Zweitens besteht >ohnehin der Grundsatz, daß der Vorgesetzte, selbst
wenn er Unrecht hätte, zur Erhaltung seines Ansehens,
scheinbar doch Recht erhält. Er wird heimlich rcpriman-
dirt und der Untergebene öffentlich wegen seines Unrechts
zurechtgewiesen.

den Hut nicht nach Vorschrift aufgesetzt hat, mil fünfundzwanzig
Stockstreichen belegen laßt, den ein anderer human denkender entwe¬
der mit einigen Stunden Krummschließcn oder mit etlichen Tagen
Hausarrest bestraft halte. Die Tyrannei wird verhältinßmäßig in
den Artillerieregimentern von den Compagniecommandanten häufiger
ausgeübt, als in der Infanterie, weil sich die Hauptleute wegen der.
zerstreuten Dislocirungen mehr überlassen sind und ihr Thun nicht
immer von Stabsoffizieren überwacht werden kann. Freilich sollte
auch hier der Willkür durch die Anordnung, daß jeder Schuldige oder
Angeschuldigte beim öffentlichen Rapport in Gegenwart eines Offi¬
ziers und der Unteroffiziere über sein Vergehen vernommen werden
soll, ein Kappzaum angelegt sein. Allein diese weise Anordnung, wenn
sie auch wirklich befolgt wird, verhindert nur so viel, daß ein Haupt¬
mann, wenn derselbe ein Tyrann ist, nicht ohne Anlaß den ersten
Besten, der ihm unterkomme, zu seinem Vergnügen krumm schließen
oder mit Stockstreichen belegen lassen kann. Sein Pouvoir erstreckt sich
von gänzlicher Freisprechung von einer Strafe bis zu fünfundzwanzig
Stockstreichen. — Er bewegt sich daher immer gesetzmäßig in seinem
Pouvoir, wenn er auch das Marimum eintreten läßt. — Wenn da¬
her der beim Rapport anwesende Offizier mit der vom Hauptmann
abgemessenen Bestrafung unzufrieden oder eigentlich nicht einver¬
standen wäre, so steht es ihm wohl frei, dem Letzteren mit aller Ehr¬
erbietung eine Vorstellung zu machen, aber wenn der Hauptmann
auf seiner Sentenz beharrt, so wird selbe doch vollzogen. Dem Of¬
fizier steht dann allerdings frei, im Dienstwege die Anzeige davon zu
machen. Aber, Du lieber Gott, da gibt's eine Menge nisi! —

Erstens wird eine solche Anzeige über einen Vorgesetzten als De¬
nunciation betrachtet, und der betreffende Untergebene,
wenn er wirklich Recht erhielte, wird von seinen Obern
nicht anders, als für einen gefährlichen Menschen ge¬
halten.
Zweitens besteht >ohnehin der Grundsatz, daß der Vorgesetzte, selbst
wenn er Unrecht hätte, zur Erhaltung seines Ansehens,
scheinbar doch Recht erhält. Er wird heimlich rcpriman-
dirt und der Untergebene öffentlich wegen seines Unrechts
zurechtgewiesen.

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[0202] den Hut nicht nach Vorschrift aufgesetzt hat, mil fünfundzwanzig Stockstreichen belegen laßt, den ein anderer human denkender entwe¬ der mit einigen Stunden Krummschließcn oder mit etlichen Tagen Hausarrest bestraft halte. Die Tyrannei wird verhältinßmäßig in den Artillerieregimentern von den Compagniecommandanten häufiger ausgeübt, als in der Infanterie, weil sich die Hauptleute wegen der. zerstreuten Dislocirungen mehr überlassen sind und ihr Thun nicht immer von Stabsoffizieren überwacht werden kann. Freilich sollte auch hier der Willkür durch die Anordnung, daß jeder Schuldige oder Angeschuldigte beim öffentlichen Rapport in Gegenwart eines Offi¬ ziers und der Unteroffiziere über sein Vergehen vernommen werden soll, ein Kappzaum angelegt sein. Allein diese weise Anordnung, wenn sie auch wirklich befolgt wird, verhindert nur so viel, daß ein Haupt¬ mann, wenn derselbe ein Tyrann ist, nicht ohne Anlaß den ersten Besten, der ihm unterkomme, zu seinem Vergnügen krumm schließen oder mit Stockstreichen belegen lassen kann. Sein Pouvoir erstreckt sich von gänzlicher Freisprechung von einer Strafe bis zu fünfundzwanzig Stockstreichen. — Er bewegt sich daher immer gesetzmäßig in seinem Pouvoir, wenn er auch das Marimum eintreten läßt. — Wenn da¬ her der beim Rapport anwesende Offizier mit der vom Hauptmann abgemessenen Bestrafung unzufrieden oder eigentlich nicht einver¬ standen wäre, so steht es ihm wohl frei, dem Letzteren mit aller Ehr¬ erbietung eine Vorstellung zu machen, aber wenn der Hauptmann auf seiner Sentenz beharrt, so wird selbe doch vollzogen. Dem Of¬ fizier steht dann allerdings frei, im Dienstwege die Anzeige davon zu machen. Aber, Du lieber Gott, da gibt's eine Menge nisi! — Erstens wird eine solche Anzeige über einen Vorgesetzten als De¬ nunciation betrachtet, und der betreffende Untergebene, wenn er wirklich Recht erhielte, wird von seinen Obern nicht anders, als für einen gefährlichen Menschen ge¬ halten. Zweitens besteht >ohnehin der Grundsatz, daß der Vorgesetzte, selbst wenn er Unrecht hätte, zur Erhaltung seines Ansehens, scheinbar doch Recht erhält. Er wird heimlich rcpriman- dirt und der Untergebene öffentlich wegen seines Unrechts zurechtgewiesen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/202>, abgerufen am 23.07.2024.