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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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politischer Interessen abgezogen wird; eben so wenig in den französischen
Sympathien, die das Monstrebuch beim Leihbibliothekenpublicum anfa¬
chen kann: sondern vorzugsweise indem unseligen Hader, der mit einem
Male wieder zwischen den zwei deutschen Vettagsherren ausgebrochen ist;
zwischen Cotta und Vrockhaus. Die Häuser Cotta und Brockhaus,
die modernsten Repräsentanten des uralten Zwiespaltes, der seit den
Guelfen und Ghibellinen in mannigfachen Gestalten durch die
Geschichte des Reiches geht, hatten seit kaum zwei Jahren die alte
Fehde einschlafen lassen. Nichts schien die Uneinigkeit wieder wecken
zu können; weder die Ehescheidungs-, noch die Gustav-Adolphvereins-,
noch die Cattelfrage, selbst die Hoheitsfrage wurde beigelegt. Deutsch¬
land war ruhig, die Einheit schien eine Wahrheit zu werden. Welsen
und Gibellinen, Oesterreich und Preußen, Süd- und Norddeutschland,
hatten sich versöhnt. Da kommt derjml' en-und, und das Band,
woran Jahre lang gesponnen wurde, hat einen Riß. Wir müssen
bemerken, daß das Cabinet der Augsburgec Allgemeinen die Feind¬
seligkeiten eröffnete, indem es mit hämischen Zeigefinger auf den Mit
"-ri'und in der Deutschen Allgemeinen, einer von "dem deutschen Ge-
schichtschreiber Butan geleiteten"Zeitung hinwies. DasCabinet von Leipzig
gab mit vielleicht erzwungener Ruhe, aber in würdiger Haltung
seine Gegennote; den gewichtigsten Vcrtheidigungsgrund hat es
jedoch, aus diplomatisch-dynastischen Rücksichten, ausgelassen. --
Der jnik tirrimt steht im Feuilleton, nicht in der Zeitung, und man
kann den Chef der politischen Redaction eben so wenig für das Feuil¬
leton verantwortlich machen, wie den Premierminister für die Privctt-
speculationen des regierenden Fürsten. Dies hätte das Cabinet von
Augsburg bedenken sollen.

-- Man erzählt, daß im Nassauischen Heere die Peitschen¬
strafe eingeführt werden soll. Es ist nur gut, daß zwischen den
Bundesstaaten ein unauflösliches Cartel besteht. Sonst dürsten die
an Nassau grenzenden Länder in eine eben so unangenehme Lage
kommen, wie jüngst Preußen an der russischen Grenze; denn in
Folge des harten Strafreglements würden wohl Tausende von Ueber¬
läufern, wo nicht gar das ganze Nassauische Heer, über die Grenze
strömen. Völlig unglaublich dünkt uns das Gerücht von der Peit-
chenrcform nicht, da es wohl möglich ist, daß durch das zarte Fa¬
milienband mit "einem großen nordischen Staat" ein wohlthätig an¬
regender Geist über Nassau gekommen wäre; nur sollte man in die- -1
sein Fall, der Consequenz wegen, statt Peitsche lieber Kantschu und !
Knute setzen. --




Verlag von Fr. Ludw. Herbig. -- Redacteur I. Kuranda.
Druck von Friedrich Andral,

politischer Interessen abgezogen wird; eben so wenig in den französischen
Sympathien, die das Monstrebuch beim Leihbibliothekenpublicum anfa¬
chen kann: sondern vorzugsweise indem unseligen Hader, der mit einem
Male wieder zwischen den zwei deutschen Vettagsherren ausgebrochen ist;
zwischen Cotta und Vrockhaus. Die Häuser Cotta und Brockhaus,
die modernsten Repräsentanten des uralten Zwiespaltes, der seit den
Guelfen und Ghibellinen in mannigfachen Gestalten durch die
Geschichte des Reiches geht, hatten seit kaum zwei Jahren die alte
Fehde einschlafen lassen. Nichts schien die Uneinigkeit wieder wecken
zu können; weder die Ehescheidungs-, noch die Gustav-Adolphvereins-,
noch die Cattelfrage, selbst die Hoheitsfrage wurde beigelegt. Deutsch¬
land war ruhig, die Einheit schien eine Wahrheit zu werden. Welsen
und Gibellinen, Oesterreich und Preußen, Süd- und Norddeutschland,
hatten sich versöhnt. Da kommt derjml' en-und, und das Band,
woran Jahre lang gesponnen wurde, hat einen Riß. Wir müssen
bemerken, daß das Cabinet der Augsburgec Allgemeinen die Feind¬
seligkeiten eröffnete, indem es mit hämischen Zeigefinger auf den Mit
«-ri'und in der Deutschen Allgemeinen, einer von „dem deutschen Ge-
schichtschreiber Butan geleiteten"Zeitung hinwies. DasCabinet von Leipzig
gab mit vielleicht erzwungener Ruhe, aber in würdiger Haltung
seine Gegennote; den gewichtigsten Vcrtheidigungsgrund hat es
jedoch, aus diplomatisch-dynastischen Rücksichten, ausgelassen. —
Der jnik tirrimt steht im Feuilleton, nicht in der Zeitung, und man
kann den Chef der politischen Redaction eben so wenig für das Feuil¬
leton verantwortlich machen, wie den Premierminister für die Privctt-
speculationen des regierenden Fürsten. Dies hätte das Cabinet von
Augsburg bedenken sollen.

— Man erzählt, daß im Nassauischen Heere die Peitschen¬
strafe eingeführt werden soll. Es ist nur gut, daß zwischen den
Bundesstaaten ein unauflösliches Cartel besteht. Sonst dürsten die
an Nassau grenzenden Länder in eine eben so unangenehme Lage
kommen, wie jüngst Preußen an der russischen Grenze; denn in
Folge des harten Strafreglements würden wohl Tausende von Ueber¬
läufern, wo nicht gar das ganze Nassauische Heer, über die Grenze
strömen. Völlig unglaublich dünkt uns das Gerücht von der Peit-
chenrcform nicht, da es wohl möglich ist, daß durch das zarte Fa¬
milienband mit „einem großen nordischen Staat" ein wohlthätig an¬
regender Geist über Nassau gekommen wäre; nur sollte man in die- -1
sein Fall, der Consequenz wegen, statt Peitsche lieber Kantschu und !
Knute setzen. —




Verlag von Fr. Ludw. Herbig. — Redacteur I. Kuranda.
Druck von Friedrich Andral,
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[0200] politischer Interessen abgezogen wird; eben so wenig in den französischen Sympathien, die das Monstrebuch beim Leihbibliothekenpublicum anfa¬ chen kann: sondern vorzugsweise indem unseligen Hader, der mit einem Male wieder zwischen den zwei deutschen Vettagsherren ausgebrochen ist; zwischen Cotta und Vrockhaus. Die Häuser Cotta und Brockhaus, die modernsten Repräsentanten des uralten Zwiespaltes, der seit den Guelfen und Ghibellinen in mannigfachen Gestalten durch die Geschichte des Reiches geht, hatten seit kaum zwei Jahren die alte Fehde einschlafen lassen. Nichts schien die Uneinigkeit wieder wecken zu können; weder die Ehescheidungs-, noch die Gustav-Adolphvereins-, noch die Cattelfrage, selbst die Hoheitsfrage wurde beigelegt. Deutsch¬ land war ruhig, die Einheit schien eine Wahrheit zu werden. Welsen und Gibellinen, Oesterreich und Preußen, Süd- und Norddeutschland, hatten sich versöhnt. Da kommt derjml' en-und, und das Band, woran Jahre lang gesponnen wurde, hat einen Riß. Wir müssen bemerken, daß das Cabinet der Augsburgec Allgemeinen die Feind¬ seligkeiten eröffnete, indem es mit hämischen Zeigefinger auf den Mit «-ri'und in der Deutschen Allgemeinen, einer von „dem deutschen Ge- schichtschreiber Butan geleiteten"Zeitung hinwies. DasCabinet von Leipzig gab mit vielleicht erzwungener Ruhe, aber in würdiger Haltung seine Gegennote; den gewichtigsten Vcrtheidigungsgrund hat es jedoch, aus diplomatisch-dynastischen Rücksichten, ausgelassen. — Der jnik tirrimt steht im Feuilleton, nicht in der Zeitung, und man kann den Chef der politischen Redaction eben so wenig für das Feuil¬ leton verantwortlich machen, wie den Premierminister für die Privctt- speculationen des regierenden Fürsten. Dies hätte das Cabinet von Augsburg bedenken sollen. — Man erzählt, daß im Nassauischen Heere die Peitschen¬ strafe eingeführt werden soll. Es ist nur gut, daß zwischen den Bundesstaaten ein unauflösliches Cartel besteht. Sonst dürsten die an Nassau grenzenden Länder in eine eben so unangenehme Lage kommen, wie jüngst Preußen an der russischen Grenze; denn in Folge des harten Strafreglements würden wohl Tausende von Ueber¬ läufern, wo nicht gar das ganze Nassauische Heer, über die Grenze strömen. Völlig unglaublich dünkt uns das Gerücht von der Peit- chenrcform nicht, da es wohl möglich ist, daß durch das zarte Fa¬ milienband mit „einem großen nordischen Staat" ein wohlthätig an¬ regender Geist über Nassau gekommen wäre; nur sollte man in die- -1 sein Fall, der Consequenz wegen, statt Peitsche lieber Kantschu und ! Knute setzen. — Verlag von Fr. Ludw. Herbig. — Redacteur I. Kuranda. Druck von Friedrich Andral,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/200>, abgerufen am 23.07.2024.