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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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kürzlich, ich erinnere mich nicht recht, von welchem Monarchen, mit
einem Orden belohnt, wie sein großes Vorbild Duncker zu Berlin --
nach Tönningen, um das Erscheinen des zweiten Heftes der Ansprache
Werner's an Hamburgs Bürger und die vom Gebiet zu verhindern.
In der That hat die von Vielen mit Begier erwartete Fortsetzung
nie das Licht der Welt erblickt. Das Auftreten des Herrn Werner
als politischer Schriftsteller und Reformator würde übrigens größeres
Gewicht erhalten haben, seine Behandlung während der Haft -- worin
man ihn vierundzwanzig Stunden ließ, ohne ihm nur einmal die Ur¬
sache derselben mitzutheilen -- würde eine achtungsvollere gewesen
sein, ohne gewisse Vorfalle früherer Zeit, die ihn nicht in einen Staats¬
prozeß, sondern in eine polizeiliche Untersuchung gewöhnlicher Art ver¬
wickelt hatten. Doch aus Achtung für einen Mann von Talent und
Gesinnung sollten Dinge, welche übrigens durch eine neuere Erklärung
der dabei Betheiligten sich wesentlich anders darstellten, als es früher
der Fall gewesen, keine weitere Beachtung finden.

Unser Neubau schreitet vorwärts, daß Einem dabei das Herz im
Leibe lacht. Man sieht ordentlich die Häuser wachsen, und nament¬
lich bietet die Alstergegend mit dem Jungfernstieg, von dessen neuen
Gasthöfen ich allen Reisenden besonders das in großartigem Styl er¬
baute und vortrefflich geführte Hotel Se. Petersburg empfehle, eine
wahre Ix-Ho vu", deren Reize eine prächtige Brücke aus Granitstei-
nen, kürzlich aus Norwegen hier angelangt, binnen einiger Zeit in
nicht geringem Grade erhöhen wird. Dir Neubauten führen mich auf
das fürchterliche Brandunglück zurück und auf die Unterstützungsgeldcr,
die aus allen Weltgegenden bis zum Betrage von fast drei Millionen
Thalern einliefen, und von denen jüngst das letzte Verzeichnis) ausge¬
geben ward. Es enthält eine Art Rechnungsablegung über die Ver¬
wendung der Hauptsumme jener Gelder, doch bei Weitem nicht in so
detaillirter Art, wie sie von Vielen gewünscht und von Andern fast
herrisch gefordert wurde. Es dürfte das Ausland interessiren, zu er¬
fahren, daß die vom Hilfsverein eingeforderte Rückzahlung der Unter¬
stützungsgelder Gegenstand lebhafter öffentlicher Debatten geworden,
zunächst veranlaßt durch einen hochbegüterten Buchdruckern- und Leih¬
bibliothekbesitzer, den der Brand vielleicht wirklich in einige finanzielle
Verlegenheiten gebracht hatte, und der nun, als es sich um Rückgabe
der bezogenen Gelder handelte, mit althansestädtischer Starrköpfigkeit
unter dem Beistande eines unserer tüchtigsten Rechtsgelehrten, die
Meinung verfolgt, er brauche Nichts zurückzuzahlen. Und er bezahlte
auch Nichts. Heftigkeit oder Eigensinn ist ein solides Panzerhemd.
Ein bedauerliches Mißverhältniß träte nun ein, wollte man die wirk¬
lich Armen ganz in der Stille zu eben der Rückzahlung zwingen,
welcher sich ein Wohlhabender durch entschlossenes Weigern und Ap¬
pellation an die Oeffentlichkeit zu entziehen gewußt hat.


kürzlich, ich erinnere mich nicht recht, von welchem Monarchen, mit
einem Orden belohnt, wie sein großes Vorbild Duncker zu Berlin —
nach Tönningen, um das Erscheinen des zweiten Heftes der Ansprache
Werner's an Hamburgs Bürger und die vom Gebiet zu verhindern.
In der That hat die von Vielen mit Begier erwartete Fortsetzung
nie das Licht der Welt erblickt. Das Auftreten des Herrn Werner
als politischer Schriftsteller und Reformator würde übrigens größeres
Gewicht erhalten haben, seine Behandlung während der Haft — worin
man ihn vierundzwanzig Stunden ließ, ohne ihm nur einmal die Ur¬
sache derselben mitzutheilen — würde eine achtungsvollere gewesen
sein, ohne gewisse Vorfalle früherer Zeit, die ihn nicht in einen Staats¬
prozeß, sondern in eine polizeiliche Untersuchung gewöhnlicher Art ver¬
wickelt hatten. Doch aus Achtung für einen Mann von Talent und
Gesinnung sollten Dinge, welche übrigens durch eine neuere Erklärung
der dabei Betheiligten sich wesentlich anders darstellten, als es früher
der Fall gewesen, keine weitere Beachtung finden.

Unser Neubau schreitet vorwärts, daß Einem dabei das Herz im
Leibe lacht. Man sieht ordentlich die Häuser wachsen, und nament¬
lich bietet die Alstergegend mit dem Jungfernstieg, von dessen neuen
Gasthöfen ich allen Reisenden besonders das in großartigem Styl er¬
baute und vortrefflich geführte Hotel Se. Petersburg empfehle, eine
wahre Ix-Ho vu«, deren Reize eine prächtige Brücke aus Granitstei-
nen, kürzlich aus Norwegen hier angelangt, binnen einiger Zeit in
nicht geringem Grade erhöhen wird. Dir Neubauten führen mich auf
das fürchterliche Brandunglück zurück und auf die Unterstützungsgeldcr,
die aus allen Weltgegenden bis zum Betrage von fast drei Millionen
Thalern einliefen, und von denen jüngst das letzte Verzeichnis) ausge¬
geben ward. Es enthält eine Art Rechnungsablegung über die Ver¬
wendung der Hauptsumme jener Gelder, doch bei Weitem nicht in so
detaillirter Art, wie sie von Vielen gewünscht und von Andern fast
herrisch gefordert wurde. Es dürfte das Ausland interessiren, zu er¬
fahren, daß die vom Hilfsverein eingeforderte Rückzahlung der Unter¬
stützungsgelder Gegenstand lebhafter öffentlicher Debatten geworden,
zunächst veranlaßt durch einen hochbegüterten Buchdruckern- und Leih¬
bibliothekbesitzer, den der Brand vielleicht wirklich in einige finanzielle
Verlegenheiten gebracht hatte, und der nun, als es sich um Rückgabe
der bezogenen Gelder handelte, mit althansestädtischer Starrköpfigkeit
unter dem Beistande eines unserer tüchtigsten Rechtsgelehrten, die
Meinung verfolgt, er brauche Nichts zurückzuzahlen. Und er bezahlte
auch Nichts. Heftigkeit oder Eigensinn ist ein solides Panzerhemd.
Ein bedauerliches Mißverhältniß träte nun ein, wollte man die wirk¬
lich Armen ganz in der Stille zu eben der Rückzahlung zwingen,
welcher sich ein Wohlhabender durch entschlossenes Weigern und Ap¬
pellation an die Oeffentlichkeit zu entziehen gewußt hat.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/196>, abgerufen am 23.07.2024.