Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.die siebzehn Meilen bis Stockholm hin. Hoch ragen sie aus der Steffens nennt diese Scheeren die höchste Potenz einer trüb¬ Als wir weiter in das granitne Tohuwabohu vordrangen, krüp- die siebzehn Meilen bis Stockholm hin. Hoch ragen sie aus der Steffens nennt diese Scheeren die höchste Potenz einer trüb¬ Als wir weiter in das granitne Tohuwabohu vordrangen, krüp- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0183" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/180742"/> <p xml:id="ID_426" prev="#ID_425"> die siebzehn Meilen bis Stockholm hin. Hoch ragen sie aus der<lb/> Muth empor, die sich überall durch dies Felsenlabyrinth in ge¬<lb/> bogenen Strömungen windet. Doch keine keckromantischen Formen<lb/> bilden diese Jnselklippeii. Jahrtausende ruhten sie unter dem Mee¬<lb/> resspiegel, und da haben die rastlosen Wellen alle Ecken und Kan¬<lb/> ten abgespült. Sie sind langweilig glatt geworden, wie Leute des<lb/> Hofes; nur rothe und gelbe Kryptogamen bringen zuweilen einen<lb/> Wechsel in ihren trüben, graubraunen Farbenton. Also stehen sie da,<lb/> eine unbesiegbare steinerne Wachtarmee, den Weg nach Stockholm<lb/> vertheidigend, und wo ein Schiff es versuchen wollte, zwischen nam<lb/> durchzuschleichen, müßte es rettungslos zu Grunde gehen. Nur zwei<lb/> fahrbare Wasserstraßen gibt es, und beide werden von starken Forts<lb/> gedeckt.</p><lb/> <p xml:id="ID_427"> Steffens nennt diese Scheeren die höchste Potenz einer trüb¬<lb/> seligen, poesielosen Gegend, doch möchte ich nicht unbedingt in das<lb/> Urtheil einstimmen. Von den Eingebornen kann dabei keine Rede sein,<lb/> denn ihnen hat gewiß dies unschöne Chaos einen heimathlichen Reiz ver¬<lb/> liehen, und sie würden es wohl kaum mit Anderm vertauschen. Dem<lb/> Reisenden bietet die wilde, niegesehene See- und Felsenöde so viel<lb/> Ueberraschendes und Unerwartetes, sie regt seine Phantasie so gewal¬<lb/> tig auf, daß er den Mangel der Vegetation und des blühenden Le¬<lb/> bens beinahe vergißt. Nur der Fremde, dessen Vaterland im schönen<lb/> Süden liegt, und der, hierher verbannt, seine Tage vertrauern muß<lb/> — er mag wohl vor Sehnsucht und Heimweh sterben können.</p><lb/> <p xml:id="ID_428"> Als wir weiter in das granitne Tohuwabohu vordrangen, krüp-<lb/> pelte zuweilen eine einzelne Fichte auf den Scheeren, und es hatten<lb/> Fischerfamilien ihre grauen Holzbaracken an den harten Fels geklebt.<lb/> Dort wohnen die Armen, sind in Nach: und Sturm auf der See,<lb/> stets von Gefahren umringt und verzehren die Fische, oder tauschen<lb/> in Warholm ihren Fang gegen etwas Gemüse um. Ihnen wächst<lb/> kein Grün, sie wissen Nichts von Bildung, sie leben mit dem See¬<lb/> hund auf derselben Klippe und haben nicht viel mehr Bedürfnisse<lb/> als er. — Ob sie wohl glücklich sein können? Gewiß! Wenn es<lb/> uns, deren behagliches Dasein von tausend künstlichen, mannigfach<lb/> complimten Bedingungen abhängt, auch fast unmöglich scheinen<lb/> will.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0183]
die siebzehn Meilen bis Stockholm hin. Hoch ragen sie aus der
Muth empor, die sich überall durch dies Felsenlabyrinth in ge¬
bogenen Strömungen windet. Doch keine keckromantischen Formen
bilden diese Jnselklippeii. Jahrtausende ruhten sie unter dem Mee¬
resspiegel, und da haben die rastlosen Wellen alle Ecken und Kan¬
ten abgespült. Sie sind langweilig glatt geworden, wie Leute des
Hofes; nur rothe und gelbe Kryptogamen bringen zuweilen einen
Wechsel in ihren trüben, graubraunen Farbenton. Also stehen sie da,
eine unbesiegbare steinerne Wachtarmee, den Weg nach Stockholm
vertheidigend, und wo ein Schiff es versuchen wollte, zwischen nam
durchzuschleichen, müßte es rettungslos zu Grunde gehen. Nur zwei
fahrbare Wasserstraßen gibt es, und beide werden von starken Forts
gedeckt.
Steffens nennt diese Scheeren die höchste Potenz einer trüb¬
seligen, poesielosen Gegend, doch möchte ich nicht unbedingt in das
Urtheil einstimmen. Von den Eingebornen kann dabei keine Rede sein,
denn ihnen hat gewiß dies unschöne Chaos einen heimathlichen Reiz ver¬
liehen, und sie würden es wohl kaum mit Anderm vertauschen. Dem
Reisenden bietet die wilde, niegesehene See- und Felsenöde so viel
Ueberraschendes und Unerwartetes, sie regt seine Phantasie so gewal¬
tig auf, daß er den Mangel der Vegetation und des blühenden Le¬
bens beinahe vergißt. Nur der Fremde, dessen Vaterland im schönen
Süden liegt, und der, hierher verbannt, seine Tage vertrauern muß
— er mag wohl vor Sehnsucht und Heimweh sterben können.
Als wir weiter in das granitne Tohuwabohu vordrangen, krüp-
pelte zuweilen eine einzelne Fichte auf den Scheeren, und es hatten
Fischerfamilien ihre grauen Holzbaracken an den harten Fels geklebt.
Dort wohnen die Armen, sind in Nach: und Sturm auf der See,
stets von Gefahren umringt und verzehren die Fische, oder tauschen
in Warholm ihren Fang gegen etwas Gemüse um. Ihnen wächst
kein Grün, sie wissen Nichts von Bildung, sie leben mit dem See¬
hund auf derselben Klippe und haben nicht viel mehr Bedürfnisse
als er. — Ob sie wohl glücklich sein können? Gewiß! Wenn es
uns, deren behagliches Dasein von tausend künstlichen, mannigfach
complimten Bedingungen abhängt, auch fast unmöglich scheinen
will.
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