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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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werthe Regsamkeit, die nicht ohne segenreiche Folgen bleiben kann,
wenn auch die Früchte nicht über Nacht reifen.

Diese Hofstelle besitzt eine bedeutende Zahl guter Kopfe, wie es
denn auffallen muß, daß in ihren Bureaur viele Literaten und Dich¬
ter angestellt sind. Das Personale ist sehr groß und besteht außer
dem Präsidenten aus vier Vicepräsidenten, fünfundzwanzig Hofräthen,
einunddreißig Hofsecretären und fünfzig Hofkanzlisten nebst einer
Menge Unterbeamten. Hofrath nett, der im vorigen Sommer in
postalischer Mission längere Zeit in Berlin gewesen, hat elegante No¬
vellen geschrieben und gegen den Hofrath Hammer einen linguistischen
Federkampf geführt, der seiner Zeit viel Aufsehen erregte; Hofrath
Kraus ist der Verfasser des "Christlichen Staats Prinzips",
das bereits die zweite Auflage erlebte, der modernen Partei aber nicht
recht behagen will. Zwei andere Hofräthe, Graf Sermage und Ba¬
ron schlechta haben Gedichte drucken lassen. Hofrath Habermann
ist seit Jahren Vorstand des Wiener Kunstvereins, und übt als sol¬
cher einen wichtigen Einfluß auf die österreichischen Kunstzustände.
Grillparzer, dessen Werth man in Deutschland noch immer nicht ge¬
nug würdigt, ist gleichfalls bei der allgemeinen Hofkammer angestellt
und bekleidet die Stelle eines Archivdirectors. Der bekannte Reifende,
Bergrath Rußegger, welcher derzeit zu Hall in Tyrol ist, und von
dem in Stuttgart ein großes Werk über Aegypten im Druck erscheint,
wozu der österreichische Generalstab die Karten lieferte, war längere
Zeit ein Mitglied dieses ausgezeichneten Amtskörpers, wie es der
bekannte Bergrath Haidinger und der zu Konstantinopel den türki¬
schen Bergbau leitende Bergrath Paulini noch jetzt sind.

Der Lustspieldichter Bauernfeld, der vierzig Jahre alt wurde, ehe
er eine Anstellung erhielt, diente auch bei der Hofkammer in Wien,
desgleichen ein Graf Heuscnstam, der am Burgtheater unter dem
Namen Theodor Stamm die Tragödie "ein weibliches Herz" (sie ist
bet Cotta im Drucke erschienen) ausführen ließ, und so eben ein
Epos "Hesperus" herausgab. Auch der bekannte Operntertdichter
Otto Prechtler ist Beamter der Hofkammcr. An jungen Poeten und
Journalisten fehlt es noch weniger, und es gibt nach meiner Ansicht
vielleicht keine andere Behörde in der gesammten österreichischen Mo¬
narchie, die so viele schriftstellerische Federn aufzuweisen hätte, wenn
dies auch nicht eben von allen Seiten gut vermerkt wird.


werthe Regsamkeit, die nicht ohne segenreiche Folgen bleiben kann,
wenn auch die Früchte nicht über Nacht reifen.

Diese Hofstelle besitzt eine bedeutende Zahl guter Kopfe, wie es
denn auffallen muß, daß in ihren Bureaur viele Literaten und Dich¬
ter angestellt sind. Das Personale ist sehr groß und besteht außer
dem Präsidenten aus vier Vicepräsidenten, fünfundzwanzig Hofräthen,
einunddreißig Hofsecretären und fünfzig Hofkanzlisten nebst einer
Menge Unterbeamten. Hofrath nett, der im vorigen Sommer in
postalischer Mission längere Zeit in Berlin gewesen, hat elegante No¬
vellen geschrieben und gegen den Hofrath Hammer einen linguistischen
Federkampf geführt, der seiner Zeit viel Aufsehen erregte; Hofrath
Kraus ist der Verfasser des „Christlichen Staats Prinzips",
das bereits die zweite Auflage erlebte, der modernen Partei aber nicht
recht behagen will. Zwei andere Hofräthe, Graf Sermage und Ba¬
ron schlechta haben Gedichte drucken lassen. Hofrath Habermann
ist seit Jahren Vorstand des Wiener Kunstvereins, und übt als sol¬
cher einen wichtigen Einfluß auf die österreichischen Kunstzustände.
Grillparzer, dessen Werth man in Deutschland noch immer nicht ge¬
nug würdigt, ist gleichfalls bei der allgemeinen Hofkammer angestellt
und bekleidet die Stelle eines Archivdirectors. Der bekannte Reifende,
Bergrath Rußegger, welcher derzeit zu Hall in Tyrol ist, und von
dem in Stuttgart ein großes Werk über Aegypten im Druck erscheint,
wozu der österreichische Generalstab die Karten lieferte, war längere
Zeit ein Mitglied dieses ausgezeichneten Amtskörpers, wie es der
bekannte Bergrath Haidinger und der zu Konstantinopel den türki¬
schen Bergbau leitende Bergrath Paulini noch jetzt sind.

Der Lustspieldichter Bauernfeld, der vierzig Jahre alt wurde, ehe
er eine Anstellung erhielt, diente auch bei der Hofkammer in Wien,
desgleichen ein Graf Heuscnstam, der am Burgtheater unter dem
Namen Theodor Stamm die Tragödie „ein weibliches Herz" (sie ist
bet Cotta im Drucke erschienen) ausführen ließ, und so eben ein
Epos „Hesperus" herausgab. Auch der bekannte Operntertdichter
Otto Prechtler ist Beamter der Hofkammcr. An jungen Poeten und
Journalisten fehlt es noch weniger, und es gibt nach meiner Ansicht
vielleicht keine andere Behörde in der gesammten österreichischen Mo¬
narchie, die so viele schriftstellerische Federn aufzuweisen hätte, wenn
dies auch nicht eben von allen Seiten gut vermerkt wird.


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[0175] werthe Regsamkeit, die nicht ohne segenreiche Folgen bleiben kann, wenn auch die Früchte nicht über Nacht reifen. Diese Hofstelle besitzt eine bedeutende Zahl guter Kopfe, wie es denn auffallen muß, daß in ihren Bureaur viele Literaten und Dich¬ ter angestellt sind. Das Personale ist sehr groß und besteht außer dem Präsidenten aus vier Vicepräsidenten, fünfundzwanzig Hofräthen, einunddreißig Hofsecretären und fünfzig Hofkanzlisten nebst einer Menge Unterbeamten. Hofrath nett, der im vorigen Sommer in postalischer Mission längere Zeit in Berlin gewesen, hat elegante No¬ vellen geschrieben und gegen den Hofrath Hammer einen linguistischen Federkampf geführt, der seiner Zeit viel Aufsehen erregte; Hofrath Kraus ist der Verfasser des „Christlichen Staats Prinzips", das bereits die zweite Auflage erlebte, der modernen Partei aber nicht recht behagen will. Zwei andere Hofräthe, Graf Sermage und Ba¬ ron schlechta haben Gedichte drucken lassen. Hofrath Habermann ist seit Jahren Vorstand des Wiener Kunstvereins, und übt als sol¬ cher einen wichtigen Einfluß auf die österreichischen Kunstzustände. Grillparzer, dessen Werth man in Deutschland noch immer nicht ge¬ nug würdigt, ist gleichfalls bei der allgemeinen Hofkammer angestellt und bekleidet die Stelle eines Archivdirectors. Der bekannte Reifende, Bergrath Rußegger, welcher derzeit zu Hall in Tyrol ist, und von dem in Stuttgart ein großes Werk über Aegypten im Druck erscheint, wozu der österreichische Generalstab die Karten lieferte, war längere Zeit ein Mitglied dieses ausgezeichneten Amtskörpers, wie es der bekannte Bergrath Haidinger und der zu Konstantinopel den türki¬ schen Bergbau leitende Bergrath Paulini noch jetzt sind. Der Lustspieldichter Bauernfeld, der vierzig Jahre alt wurde, ehe er eine Anstellung erhielt, diente auch bei der Hofkammer in Wien, desgleichen ein Graf Heuscnstam, der am Burgtheater unter dem Namen Theodor Stamm die Tragödie „ein weibliches Herz" (sie ist bet Cotta im Drucke erschienen) ausführen ließ, und so eben ein Epos „Hesperus" herausgab. Auch der bekannte Operntertdichter Otto Prechtler ist Beamter der Hofkammcr. An jungen Poeten und Journalisten fehlt es noch weniger, und es gibt nach meiner Ansicht vielleicht keine andere Behörde in der gesammten österreichischen Mo¬ narchie, die so viele schriftstellerische Federn aufzuweisen hätte, wenn dies auch nicht eben von allen Seiten gut vermerkt wird.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/175>, abgerufen am 03.07.2024.