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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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im eigenen Land sich steigere, und überdem hat Oesterreich nicht das
Interesse von Colonien zu wahren, denn es besitzt keine; den Fabri¬
kanten ist Frist gegeben worden, warum aber auch den fremden
Kaufleuten, die uns Kaffee, Zucker, Gewürz u. s. w. zuführen?
Diese braucht Oesterreich wohl nicht zu schützen?

Das Ausland hat gar keinen Begriff von dem Umfang, in
welchem an Oesterreichs Grenzen der Schmuggel bis in die letzte
Zeit betrieben worden ist, besonders in Italien und in Böhmen.
Auch die Behörden hatten lange Zeit keine richtige Vorstellung von
der Ausdehnung dieses Schleichhandels, der den Staatsschatz jähr-,
lich um Millionen betrügt, bis endlich umfassende Denunciationen
das Unwesen aufdeckten und amtliche Untersuchungen die furchtbare
Wahrheit an's Licht brachten. In Böhmen dienten die Stollen der
Bergwerke zu heimlichen Wegen für'das lichtscheue Pascherwesen, und
in Prag befanden sich ganze Niederlagen, aus denen man mittelst
Anweisungen von Wien aus jede Waare beziehen konnte. Gegen
zwei Millionen Bewohner sind theils thätige Beförderer, theils wis¬
sentliche Konsumenten geschwärzter Handelsgüter gewesen. Im Ge¬
birge knallen die Büchsen der Bewaffneten lustig um die Wette, und
in Venedig befolgen Gondoliere im Dienste von Kaufleuten eine ganz
eigenthümliche Taktik, um Waaren hineinzuschaffen. Eine Anzahl
von fünfzig bis sechszig Kähnen rudert plötzlich zugleich auf die Ein¬
fahrt beim Zollamte los, wo man nur einzeln einfahren soll, und
während ein Theil davon leer ist, >beladet man den anderen mit
Waaren. Werden nun auch einige dieser Kähne angehalten, so trifft
eS nicht selten solche, die keine Waaren geladen haben, und deshalb
blos in die Ordnungsstrafe verfallen. Die übrigen Gondeln eilen
einstweilen fort und sind bald in Sicherheit. Die Kaufleute hatten
eine förmliche Schadenversicherungsgesellschast gebildet, bei der sie recht
gut bestehen mochten.

Die Zollfrage und der Fortbau der großen Staatseisenbahn¬
linie dürften die nächsten und wichtigsten Fragen bilden, mit denen
sich Baron Kübeck beschäftigen wird; auch ist die Rede von einem
allgemeinen Maß-, Gewichts- und Münzsystem für alle Provinzen
der Monarchie, das der Berathung unterliegen soll, und wobei man
entweder das Decimalsystem, oder den Vereinsfuß zu Grunde legen
wird. Jedenfalls zeigt die Hofkammer zu Wien eine anerkenncns-


im eigenen Land sich steigere, und überdem hat Oesterreich nicht das
Interesse von Colonien zu wahren, denn es besitzt keine; den Fabri¬
kanten ist Frist gegeben worden, warum aber auch den fremden
Kaufleuten, die uns Kaffee, Zucker, Gewürz u. s. w. zuführen?
Diese braucht Oesterreich wohl nicht zu schützen?

Das Ausland hat gar keinen Begriff von dem Umfang, in
welchem an Oesterreichs Grenzen der Schmuggel bis in die letzte
Zeit betrieben worden ist, besonders in Italien und in Böhmen.
Auch die Behörden hatten lange Zeit keine richtige Vorstellung von
der Ausdehnung dieses Schleichhandels, der den Staatsschatz jähr-,
lich um Millionen betrügt, bis endlich umfassende Denunciationen
das Unwesen aufdeckten und amtliche Untersuchungen die furchtbare
Wahrheit an's Licht brachten. In Böhmen dienten die Stollen der
Bergwerke zu heimlichen Wegen für'das lichtscheue Pascherwesen, und
in Prag befanden sich ganze Niederlagen, aus denen man mittelst
Anweisungen von Wien aus jede Waare beziehen konnte. Gegen
zwei Millionen Bewohner sind theils thätige Beförderer, theils wis¬
sentliche Konsumenten geschwärzter Handelsgüter gewesen. Im Ge¬
birge knallen die Büchsen der Bewaffneten lustig um die Wette, und
in Venedig befolgen Gondoliere im Dienste von Kaufleuten eine ganz
eigenthümliche Taktik, um Waaren hineinzuschaffen. Eine Anzahl
von fünfzig bis sechszig Kähnen rudert plötzlich zugleich auf die Ein¬
fahrt beim Zollamte los, wo man nur einzeln einfahren soll, und
während ein Theil davon leer ist, >beladet man den anderen mit
Waaren. Werden nun auch einige dieser Kähne angehalten, so trifft
eS nicht selten solche, die keine Waaren geladen haben, und deshalb
blos in die Ordnungsstrafe verfallen. Die übrigen Gondeln eilen
einstweilen fort und sind bald in Sicherheit. Die Kaufleute hatten
eine förmliche Schadenversicherungsgesellschast gebildet, bei der sie recht
gut bestehen mochten.

Die Zollfrage und der Fortbau der großen Staatseisenbahn¬
linie dürften die nächsten und wichtigsten Fragen bilden, mit denen
sich Baron Kübeck beschäftigen wird; auch ist die Rede von einem
allgemeinen Maß-, Gewichts- und Münzsystem für alle Provinzen
der Monarchie, das der Berathung unterliegen soll, und wobei man
entweder das Decimalsystem, oder den Vereinsfuß zu Grunde legen
wird. Jedenfalls zeigt die Hofkammer zu Wien eine anerkenncns-


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[0174] im eigenen Land sich steigere, und überdem hat Oesterreich nicht das Interesse von Colonien zu wahren, denn es besitzt keine; den Fabri¬ kanten ist Frist gegeben worden, warum aber auch den fremden Kaufleuten, die uns Kaffee, Zucker, Gewürz u. s. w. zuführen? Diese braucht Oesterreich wohl nicht zu schützen? Das Ausland hat gar keinen Begriff von dem Umfang, in welchem an Oesterreichs Grenzen der Schmuggel bis in die letzte Zeit betrieben worden ist, besonders in Italien und in Böhmen. Auch die Behörden hatten lange Zeit keine richtige Vorstellung von der Ausdehnung dieses Schleichhandels, der den Staatsschatz jähr-, lich um Millionen betrügt, bis endlich umfassende Denunciationen das Unwesen aufdeckten und amtliche Untersuchungen die furchtbare Wahrheit an's Licht brachten. In Böhmen dienten die Stollen der Bergwerke zu heimlichen Wegen für'das lichtscheue Pascherwesen, und in Prag befanden sich ganze Niederlagen, aus denen man mittelst Anweisungen von Wien aus jede Waare beziehen konnte. Gegen zwei Millionen Bewohner sind theils thätige Beförderer, theils wis¬ sentliche Konsumenten geschwärzter Handelsgüter gewesen. Im Ge¬ birge knallen die Büchsen der Bewaffneten lustig um die Wette, und in Venedig befolgen Gondoliere im Dienste von Kaufleuten eine ganz eigenthümliche Taktik, um Waaren hineinzuschaffen. Eine Anzahl von fünfzig bis sechszig Kähnen rudert plötzlich zugleich auf die Ein¬ fahrt beim Zollamte los, wo man nur einzeln einfahren soll, und während ein Theil davon leer ist, >beladet man den anderen mit Waaren. Werden nun auch einige dieser Kähne angehalten, so trifft eS nicht selten solche, die keine Waaren geladen haben, und deshalb blos in die Ordnungsstrafe verfallen. Die übrigen Gondeln eilen einstweilen fort und sind bald in Sicherheit. Die Kaufleute hatten eine förmliche Schadenversicherungsgesellschast gebildet, bei der sie recht gut bestehen mochten. Die Zollfrage und der Fortbau der großen Staatseisenbahn¬ linie dürften die nächsten und wichtigsten Fragen bilden, mit denen sich Baron Kübeck beschäftigen wird; auch ist die Rede von einem allgemeinen Maß-, Gewichts- und Münzsystem für alle Provinzen der Monarchie, das der Berathung unterliegen soll, und wobei man entweder das Decimalsystem, oder den Vereinsfuß zu Grunde legen wird. Jedenfalls zeigt die Hofkammer zu Wien eine anerkenncns-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/174>, abgerufen am 23.12.2024.