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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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müsse, ein thatkräftiger Finanzier bevormundet und bewacht, sondern
ihm vielmehr ausgedehnte Befugniß zu Theil werden, damit die
Reorganisation, die keine partielle bleiben soll, in allen ihren Theilen
rasch und besonnen, kühn und durchdacht in's Werk gesetzt werden
könne. Was nützt die Einsicht des Ministers, daß sich viel ersparen
ließe, wenn nicht solche Anordnungen in's Leben treten, welche diese
Ersparungen bezielen? Wenn ein herrschendes politisches System auf¬
recht erhalten und zugleich das Staatseinkommen gehoben werden
soll, so entsteht nothwendig ein natürlicher Conflict mit der Kasse des
Staates, der nach der Stärke der vertretenen Interessen sich entschei¬
det. Ueberwiegt der politische Einfluß, so greift die Finanzmacht zu
Auskunftsmitteln, d. h. zu modernen Staatsanleihen. Baron Kübeck
ist anfangs mit Entschiedenheit gegen die Geldaristokratie aufgetreten,
er fühlte besser, als das gesammte Publicum, die Aufgabe des Staats¬
mannes, der einen Blick in die Zukunft hat, nämlich den Krieg des Vol¬
kes gegen die Banquiers, der in Frankreich bereits begonnen hat und
den die kommenden Geschlechter ausfechten werden, um Staat und
Volk aus den goldenen Klauen dieser modernen Harpyen zu befreien,
die sich mit dem Volksschweiß mästen und Regierungen und Natio¬
nen gleichmäßig prellen. Allein bald sah er sich genöthigt, wieder
einzulenken, weil das Anleihensystem nicht aufgegeben werden konnte,
und mit diesem System eine strenge Behandlung der Makler unver¬
trälii.

Selbst die weise Maßregel, die auf eine Ermäßigung der Ein¬
fuhrzölle ausgeht und im vorigen Jahre so großen Lärm erregte,
konnte nicht durchdringen. Es mag unentschieden bleiben, ob es
nicht billig sei, die durch das vom Staate adoptirte Prohibitivsystem
hervorgerufene Industrie, in der viele Capitalien stecken und bei wel¬
cher eine Anzahl von Interessen betheiligt sind, nicht so mit einem
Male durch ungehinderte Concurrenz von Außen zu bedrohen, son¬
dern sie vielmehr durch allmälige Zollreduction an größere Han¬
delsfreiheit zu gewöhnen, aber in Betreff der Colonialwaaren unter¬
liegt die Verdienstlichkeit der Sache gar keinem Zweifel, und gleich¬
wohl ist bisher Nichts geschehen. Man hat es bis zum Ueberdruß
wiederholt, daß hohe Eingangszölle nur eine Prämie für den
Schmuggel seien und die Zollkasse bei niedrigern Abgaben besser fahre,
indem die Verlockung zum schmuggeln wegfalle und der Verbrauch


müsse, ein thatkräftiger Finanzier bevormundet und bewacht, sondern
ihm vielmehr ausgedehnte Befugniß zu Theil werden, damit die
Reorganisation, die keine partielle bleiben soll, in allen ihren Theilen
rasch und besonnen, kühn und durchdacht in's Werk gesetzt werden
könne. Was nützt die Einsicht des Ministers, daß sich viel ersparen
ließe, wenn nicht solche Anordnungen in's Leben treten, welche diese
Ersparungen bezielen? Wenn ein herrschendes politisches System auf¬
recht erhalten und zugleich das Staatseinkommen gehoben werden
soll, so entsteht nothwendig ein natürlicher Conflict mit der Kasse des
Staates, der nach der Stärke der vertretenen Interessen sich entschei¬
det. Ueberwiegt der politische Einfluß, so greift die Finanzmacht zu
Auskunftsmitteln, d. h. zu modernen Staatsanleihen. Baron Kübeck
ist anfangs mit Entschiedenheit gegen die Geldaristokratie aufgetreten,
er fühlte besser, als das gesammte Publicum, die Aufgabe des Staats¬
mannes, der einen Blick in die Zukunft hat, nämlich den Krieg des Vol¬
kes gegen die Banquiers, der in Frankreich bereits begonnen hat und
den die kommenden Geschlechter ausfechten werden, um Staat und
Volk aus den goldenen Klauen dieser modernen Harpyen zu befreien,
die sich mit dem Volksschweiß mästen und Regierungen und Natio¬
nen gleichmäßig prellen. Allein bald sah er sich genöthigt, wieder
einzulenken, weil das Anleihensystem nicht aufgegeben werden konnte,
und mit diesem System eine strenge Behandlung der Makler unver¬
trälii.

Selbst die weise Maßregel, die auf eine Ermäßigung der Ein¬
fuhrzölle ausgeht und im vorigen Jahre so großen Lärm erregte,
konnte nicht durchdringen. Es mag unentschieden bleiben, ob es
nicht billig sei, die durch das vom Staate adoptirte Prohibitivsystem
hervorgerufene Industrie, in der viele Capitalien stecken und bei wel¬
cher eine Anzahl von Interessen betheiligt sind, nicht so mit einem
Male durch ungehinderte Concurrenz von Außen zu bedrohen, son¬
dern sie vielmehr durch allmälige Zollreduction an größere Han¬
delsfreiheit zu gewöhnen, aber in Betreff der Colonialwaaren unter¬
liegt die Verdienstlichkeit der Sache gar keinem Zweifel, und gleich¬
wohl ist bisher Nichts geschehen. Man hat es bis zum Ueberdruß
wiederholt, daß hohe Eingangszölle nur eine Prämie für den
Schmuggel seien und die Zollkasse bei niedrigern Abgaben besser fahre,
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[0173] müsse, ein thatkräftiger Finanzier bevormundet und bewacht, sondern ihm vielmehr ausgedehnte Befugniß zu Theil werden, damit die Reorganisation, die keine partielle bleiben soll, in allen ihren Theilen rasch und besonnen, kühn und durchdacht in's Werk gesetzt werden könne. Was nützt die Einsicht des Ministers, daß sich viel ersparen ließe, wenn nicht solche Anordnungen in's Leben treten, welche diese Ersparungen bezielen? Wenn ein herrschendes politisches System auf¬ recht erhalten und zugleich das Staatseinkommen gehoben werden soll, so entsteht nothwendig ein natürlicher Conflict mit der Kasse des Staates, der nach der Stärke der vertretenen Interessen sich entschei¬ det. Ueberwiegt der politische Einfluß, so greift die Finanzmacht zu Auskunftsmitteln, d. h. zu modernen Staatsanleihen. Baron Kübeck ist anfangs mit Entschiedenheit gegen die Geldaristokratie aufgetreten, er fühlte besser, als das gesammte Publicum, die Aufgabe des Staats¬ mannes, der einen Blick in die Zukunft hat, nämlich den Krieg des Vol¬ kes gegen die Banquiers, der in Frankreich bereits begonnen hat und den die kommenden Geschlechter ausfechten werden, um Staat und Volk aus den goldenen Klauen dieser modernen Harpyen zu befreien, die sich mit dem Volksschweiß mästen und Regierungen und Natio¬ nen gleichmäßig prellen. Allein bald sah er sich genöthigt, wieder einzulenken, weil das Anleihensystem nicht aufgegeben werden konnte, und mit diesem System eine strenge Behandlung der Makler unver¬ trälii. Selbst die weise Maßregel, die auf eine Ermäßigung der Ein¬ fuhrzölle ausgeht und im vorigen Jahre so großen Lärm erregte, konnte nicht durchdringen. Es mag unentschieden bleiben, ob es nicht billig sei, die durch das vom Staate adoptirte Prohibitivsystem hervorgerufene Industrie, in der viele Capitalien stecken und bei wel¬ cher eine Anzahl von Interessen betheiligt sind, nicht so mit einem Male durch ungehinderte Concurrenz von Außen zu bedrohen, son¬ dern sie vielmehr durch allmälige Zollreduction an größere Han¬ delsfreiheit zu gewöhnen, aber in Betreff der Colonialwaaren unter¬ liegt die Verdienstlichkeit der Sache gar keinem Zweifel, und gleich¬ wohl ist bisher Nichts geschehen. Man hat es bis zum Ueberdruß wiederholt, daß hohe Eingangszölle nur eine Prämie für den Schmuggel seien und die Zollkasse bei niedrigern Abgaben besser fahre, indem die Verlockung zum schmuggeln wegfalle und der Verbrauch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/173>, abgerufen am 23.07.2024.