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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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und deshalb beschränken wir uns vorerst blos darauf, die Stellung
des neuen Präsidenten und die Schwierigkeiten derselben anzudeuten,
wobei es nicht unzweckmäßig sein wird, seine Persönlichkeit und nä¬
heren Verhältnisse im Auge zu behalten.

Baron Kübeck zählt gegenwärtig zweiundsechszig Jahre und hat
ein gesundes, kräftiges Aussehen, eine leichte Haltung und einen fe¬
sten Gang. Seine Züge sind feingeschnitten und verrathen viel Geist;
eine lächelnde Freundlichkeit läßt beinahe eher einen Hofmann, als
einen Staatsmann vermuthen, wenn nicht in absoluten Monarchien
Beides beisammen sein müßte. Er ist sehr höflich und von erempla-
rischer Geduld, was ihm bei seinen alle vierzehn Tage stattfindenden
Audienzen wohl zu Statten kommen mag; nie unterbricht er den
Bittsteller in seiner Rede, und kein Zeichen der Mißstimmung läßt
den Sprecher fühlen, wie albern sein Vortrag, wie unvernünftig sein
Begehren, wie lästig seine Weitschweifigkeit auch sein mag. Wenn
er spricht, geschieht es lispelnd und bündig. Dabei ist seine Haltung
voll Anstand, das Auge freundlich, aber scharf, die eine Hand ruht
auf dem grünen Schreibtisch, oder auf der Stullchne. Auf der lin¬
ken Seite des schwarzen Fracks blitzt ein großer Stern von Brillan¬
ten, um den Hals schlingt sich ein rothes Band mit dem Kreuz des
Leopoldordens. Baron Kübeck ist zum zweiten Male vermählt, und
auch bei der Wahl seiner zweiten Gemahlin zeigte er seine unabhän¬
gige Denkungsweise. Die Frau Baronin Kübeck ist die Tochter ei¬
nes angesehenen Wiener Bürgers, eine hohe, schlanke, blasse Gestalt,
voll Geist und Anmuth und mit einer entschiedenen Vorliebe für
englische Sitte. Letzteres erinnert unwillkürlich, daß die Stellung und
der Charakter unseres Hofkammerpräsidenten mehr denen eines eng¬
lischen, als eines österreichischen Ministers gleichen. Von bürgerlicher
Herkunft so hoch emporzusteigen, kenntnißreich und doch voll prakti¬
schen Geistes, Hofmann und doch unabhängigen Charakters, dies
ist in Oesterreich wenigstens nicht Regel. Das Haus dieses Staats¬
mannes wird außerdem durch die Anwesenheit seiner jugendlichen
Tochter geziert, einer der anmuthigsten und lieblichsten Erscheinungen
der Wiener Damenwelt.

Bei seinen rastlosen Arbeiten wird der Baron Kübeck vorzüglich
von dem Viceprästdenten, Ritter von Breyer, unterstützt, der sich gleich
ihm durch Eifer und Kenntnisse aus mittellosen Stande zu einem


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und deshalb beschränken wir uns vorerst blos darauf, die Stellung
des neuen Präsidenten und die Schwierigkeiten derselben anzudeuten,
wobei es nicht unzweckmäßig sein wird, seine Persönlichkeit und nä¬
heren Verhältnisse im Auge zu behalten.

Baron Kübeck zählt gegenwärtig zweiundsechszig Jahre und hat
ein gesundes, kräftiges Aussehen, eine leichte Haltung und einen fe¬
sten Gang. Seine Züge sind feingeschnitten und verrathen viel Geist;
eine lächelnde Freundlichkeit läßt beinahe eher einen Hofmann, als
einen Staatsmann vermuthen, wenn nicht in absoluten Monarchien
Beides beisammen sein müßte. Er ist sehr höflich und von erempla-
rischer Geduld, was ihm bei seinen alle vierzehn Tage stattfindenden
Audienzen wohl zu Statten kommen mag; nie unterbricht er den
Bittsteller in seiner Rede, und kein Zeichen der Mißstimmung läßt
den Sprecher fühlen, wie albern sein Vortrag, wie unvernünftig sein
Begehren, wie lästig seine Weitschweifigkeit auch sein mag. Wenn
er spricht, geschieht es lispelnd und bündig. Dabei ist seine Haltung
voll Anstand, das Auge freundlich, aber scharf, die eine Hand ruht
auf dem grünen Schreibtisch, oder auf der Stullchne. Auf der lin¬
ken Seite des schwarzen Fracks blitzt ein großer Stern von Brillan¬
ten, um den Hals schlingt sich ein rothes Band mit dem Kreuz des
Leopoldordens. Baron Kübeck ist zum zweiten Male vermählt, und
auch bei der Wahl seiner zweiten Gemahlin zeigte er seine unabhän¬
gige Denkungsweise. Die Frau Baronin Kübeck ist die Tochter ei¬
nes angesehenen Wiener Bürgers, eine hohe, schlanke, blasse Gestalt,
voll Geist und Anmuth und mit einer entschiedenen Vorliebe für
englische Sitte. Letzteres erinnert unwillkürlich, daß die Stellung und
der Charakter unseres Hofkammerpräsidenten mehr denen eines eng¬
lischen, als eines österreichischen Ministers gleichen. Von bürgerlicher
Herkunft so hoch emporzusteigen, kenntnißreich und doch voll prakti¬
schen Geistes, Hofmann und doch unabhängigen Charakters, dies
ist in Oesterreich wenigstens nicht Regel. Das Haus dieses Staats¬
mannes wird außerdem durch die Anwesenheit seiner jugendlichen
Tochter geziert, einer der anmuthigsten und lieblichsten Erscheinungen
der Wiener Damenwelt.

Bei seinen rastlosen Arbeiten wird der Baron Kübeck vorzüglich
von dem Viceprästdenten, Ritter von Breyer, unterstützt, der sich gleich
ihm durch Eifer und Kenntnisse aus mittellosen Stande zu einem


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[0171] und deshalb beschränken wir uns vorerst blos darauf, die Stellung des neuen Präsidenten und die Schwierigkeiten derselben anzudeuten, wobei es nicht unzweckmäßig sein wird, seine Persönlichkeit und nä¬ heren Verhältnisse im Auge zu behalten. Baron Kübeck zählt gegenwärtig zweiundsechszig Jahre und hat ein gesundes, kräftiges Aussehen, eine leichte Haltung und einen fe¬ sten Gang. Seine Züge sind feingeschnitten und verrathen viel Geist; eine lächelnde Freundlichkeit läßt beinahe eher einen Hofmann, als einen Staatsmann vermuthen, wenn nicht in absoluten Monarchien Beides beisammen sein müßte. Er ist sehr höflich und von erempla- rischer Geduld, was ihm bei seinen alle vierzehn Tage stattfindenden Audienzen wohl zu Statten kommen mag; nie unterbricht er den Bittsteller in seiner Rede, und kein Zeichen der Mißstimmung läßt den Sprecher fühlen, wie albern sein Vortrag, wie unvernünftig sein Begehren, wie lästig seine Weitschweifigkeit auch sein mag. Wenn er spricht, geschieht es lispelnd und bündig. Dabei ist seine Haltung voll Anstand, das Auge freundlich, aber scharf, die eine Hand ruht auf dem grünen Schreibtisch, oder auf der Stullchne. Auf der lin¬ ken Seite des schwarzen Fracks blitzt ein großer Stern von Brillan¬ ten, um den Hals schlingt sich ein rothes Band mit dem Kreuz des Leopoldordens. Baron Kübeck ist zum zweiten Male vermählt, und auch bei der Wahl seiner zweiten Gemahlin zeigte er seine unabhän¬ gige Denkungsweise. Die Frau Baronin Kübeck ist die Tochter ei¬ nes angesehenen Wiener Bürgers, eine hohe, schlanke, blasse Gestalt, voll Geist und Anmuth und mit einer entschiedenen Vorliebe für englische Sitte. Letzteres erinnert unwillkürlich, daß die Stellung und der Charakter unseres Hofkammerpräsidenten mehr denen eines eng¬ lischen, als eines österreichischen Ministers gleichen. Von bürgerlicher Herkunft so hoch emporzusteigen, kenntnißreich und doch voll prakti¬ schen Geistes, Hofmann und doch unabhängigen Charakters, dies ist in Oesterreich wenigstens nicht Regel. Das Haus dieses Staats¬ mannes wird außerdem durch die Anwesenheit seiner jugendlichen Tochter geziert, einer der anmuthigsten und lieblichsten Erscheinungen der Wiener Damenwelt. Bei seinen rastlosen Arbeiten wird der Baron Kübeck vorzüglich von dem Viceprästdenten, Ritter von Breyer, unterstützt, der sich gleich ihm durch Eifer und Kenntnisse aus mittellosen Stande zu einem 2I-i-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/171>, abgerufen am 23.07.2024.