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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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pathien im Volke nicht zur That werden lasse, was bei der Be¬
wegung im stammverwandten Nachbarlande leicht möglich war,
die sogenannte Verzehrungssteuer, welche auf dem Volke als eine
ungewohnte Last ruhte, bis auf Weiteres aufzuheben. Diese Ma߬
regel war an sich recht staatsklug, und vielleicht ist es gerade sie,
welcher man die Erhaltung der Ruhe im österreichischen Polen vor¬
zugsweise verdankt, denn wie zahlreich auch der Uebertritt österreichi¬
scher Unterchanen zu den polnischen Insurgenten stattfand, zumal un¬
ter der Jugend: auf galizischen Boden kam nicht die mindeste
Ruhestörung vor. Allein Lobkowitz hatte sie eigenmächtig durchge¬
führt und erst darnach in Wien Anzeige davon gemacht, wo man
derlei Vorgreiflichkeiten sehr unwillig aufnimmt und den Verwaltern
der Provinz keinen so großen Spielraum gewährt, als ihn solche Be¬
schlüsse erheischen würden. Gleichzeitig beobachtete der Fürst, dem
man ohnedem slavische Sympathien zuschrieb, wahrscheinlich ohne
Grund, an der mit einem bewaffneten Cordon umzogenen Grenze
gegen Nußland und Polen eine strenge Neutralität, die es ihm nicht
erlaubte, die verfolgten Heerestrümmer der polnischen Armee zu des-
avouiren und den russischen Truppen, die als Verfolger das öster¬
reichische Gebiet betraten, ihre Waffen zu lassen. So angemessen
dieses Verfahren auch erscheinen mag, so erhob dennoch der russische
Gesandte am österreichischen Hofe gegen den Gouverneur in Galizien
Klagen über ungebührliche Behandlung der russischen Truppen und
deren demüthigende Gleichstellung mit Rebellenhorden. Dieser Schritt,
so wie jene Einstellung der Accise auf unbestimmte Frist bewogen
die Negierung zur Zurückberufung des Fürsten aus Lemberg, wodurch
zugleich dem russischen Cabinet eine diplomatische Genugthuung ge¬
währt ward. In Wien verlebte der Fürst einige Jahre im Schein
der Ungnade, bis mit Cabinetsschreiben vom 8. November 1834 der
montanistische Theil der Hofkammer als eine besondere Hofstelle hin¬
gestellt und Lobkowitz zu ihrem Präsidenten ernannt wurde. Im
Winter des Jahres 1842 starb der Fürst in Folge einer Verkältung,
und die beiden Kammern kamen wieder unter denselben Leiter, der¬
malen den in der neuesten Zeitgeschichte oft und rühmlich genannten
Baron Kübeck.

Schuselka, welcher in der jüngsten Zeit durch eine Reihe politi¬
scher Flugschriften und durch seinen noch immer unentschiedenen Preß-


pathien im Volke nicht zur That werden lasse, was bei der Be¬
wegung im stammverwandten Nachbarlande leicht möglich war,
die sogenannte Verzehrungssteuer, welche auf dem Volke als eine
ungewohnte Last ruhte, bis auf Weiteres aufzuheben. Diese Ma߬
regel war an sich recht staatsklug, und vielleicht ist es gerade sie,
welcher man die Erhaltung der Ruhe im österreichischen Polen vor¬
zugsweise verdankt, denn wie zahlreich auch der Uebertritt österreichi¬
scher Unterchanen zu den polnischen Insurgenten stattfand, zumal un¬
ter der Jugend: auf galizischen Boden kam nicht die mindeste
Ruhestörung vor. Allein Lobkowitz hatte sie eigenmächtig durchge¬
führt und erst darnach in Wien Anzeige davon gemacht, wo man
derlei Vorgreiflichkeiten sehr unwillig aufnimmt und den Verwaltern
der Provinz keinen so großen Spielraum gewährt, als ihn solche Be¬
schlüsse erheischen würden. Gleichzeitig beobachtete der Fürst, dem
man ohnedem slavische Sympathien zuschrieb, wahrscheinlich ohne
Grund, an der mit einem bewaffneten Cordon umzogenen Grenze
gegen Nußland und Polen eine strenge Neutralität, die es ihm nicht
erlaubte, die verfolgten Heerestrümmer der polnischen Armee zu des-
avouiren und den russischen Truppen, die als Verfolger das öster¬
reichische Gebiet betraten, ihre Waffen zu lassen. So angemessen
dieses Verfahren auch erscheinen mag, so erhob dennoch der russische
Gesandte am österreichischen Hofe gegen den Gouverneur in Galizien
Klagen über ungebührliche Behandlung der russischen Truppen und
deren demüthigende Gleichstellung mit Rebellenhorden. Dieser Schritt,
so wie jene Einstellung der Accise auf unbestimmte Frist bewogen
die Negierung zur Zurückberufung des Fürsten aus Lemberg, wodurch
zugleich dem russischen Cabinet eine diplomatische Genugthuung ge¬
währt ward. In Wien verlebte der Fürst einige Jahre im Schein
der Ungnade, bis mit Cabinetsschreiben vom 8. November 1834 der
montanistische Theil der Hofkammer als eine besondere Hofstelle hin¬
gestellt und Lobkowitz zu ihrem Präsidenten ernannt wurde. Im
Winter des Jahres 1842 starb der Fürst in Folge einer Verkältung,
und die beiden Kammern kamen wieder unter denselben Leiter, der¬
malen den in der neuesten Zeitgeschichte oft und rühmlich genannten
Baron Kübeck.

Schuselka, welcher in der jüngsten Zeit durch eine Reihe politi¬
scher Flugschriften und durch seinen noch immer unentschiedenen Preß-


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[0168] pathien im Volke nicht zur That werden lasse, was bei der Be¬ wegung im stammverwandten Nachbarlande leicht möglich war, die sogenannte Verzehrungssteuer, welche auf dem Volke als eine ungewohnte Last ruhte, bis auf Weiteres aufzuheben. Diese Ma߬ regel war an sich recht staatsklug, und vielleicht ist es gerade sie, welcher man die Erhaltung der Ruhe im österreichischen Polen vor¬ zugsweise verdankt, denn wie zahlreich auch der Uebertritt österreichi¬ scher Unterchanen zu den polnischen Insurgenten stattfand, zumal un¬ ter der Jugend: auf galizischen Boden kam nicht die mindeste Ruhestörung vor. Allein Lobkowitz hatte sie eigenmächtig durchge¬ führt und erst darnach in Wien Anzeige davon gemacht, wo man derlei Vorgreiflichkeiten sehr unwillig aufnimmt und den Verwaltern der Provinz keinen so großen Spielraum gewährt, als ihn solche Be¬ schlüsse erheischen würden. Gleichzeitig beobachtete der Fürst, dem man ohnedem slavische Sympathien zuschrieb, wahrscheinlich ohne Grund, an der mit einem bewaffneten Cordon umzogenen Grenze gegen Nußland und Polen eine strenge Neutralität, die es ihm nicht erlaubte, die verfolgten Heerestrümmer der polnischen Armee zu des- avouiren und den russischen Truppen, die als Verfolger das öster¬ reichische Gebiet betraten, ihre Waffen zu lassen. So angemessen dieses Verfahren auch erscheinen mag, so erhob dennoch der russische Gesandte am österreichischen Hofe gegen den Gouverneur in Galizien Klagen über ungebührliche Behandlung der russischen Truppen und deren demüthigende Gleichstellung mit Rebellenhorden. Dieser Schritt, so wie jene Einstellung der Accise auf unbestimmte Frist bewogen die Negierung zur Zurückberufung des Fürsten aus Lemberg, wodurch zugleich dem russischen Cabinet eine diplomatische Genugthuung ge¬ währt ward. In Wien verlebte der Fürst einige Jahre im Schein der Ungnade, bis mit Cabinetsschreiben vom 8. November 1834 der montanistische Theil der Hofkammer als eine besondere Hofstelle hin¬ gestellt und Lobkowitz zu ihrem Präsidenten ernannt wurde. Im Winter des Jahres 1842 starb der Fürst in Folge einer Verkältung, und die beiden Kammern kamen wieder unter denselben Leiter, der¬ malen den in der neuesten Zeitgeschichte oft und rühmlich genannten Baron Kübeck. Schuselka, welcher in der jüngsten Zeit durch eine Reihe politi¬ scher Flugschriften und durch seinen noch immer unentschiedenen Preß-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/168>, abgerufen am 23.07.2024.