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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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und gar nicht mehr beachten würve. Noch Vormittags wurde ich nebst
einem anderen neuen Mann, der ein Handlungscommis war, in der
Regimentskanzlei unter das Maß gestellt und dann zum Feldkriegs-
commissar geführt, wo mir sechszig Gulden und dem anderen, wel¬
cher von kleinerer Statur war, vierzig Gulden Wiener Währung
ausbezahlt wurden. Bei unserer Rückkunft in die Kaserne wurden
uns Beiden jedoch, und zwar mir zehn Gulden, dem Andern aber
sechs Gulden als Werbegeld abverlangt, obschon weder ich, noch der
Andere eines Werders bedurft hatten. Dies war also die erste Prel¬
lerei, und wahrscheinlich sind diese beiden Beträge in der Regiments-
Kanzlei geblieben. Wir beide Rekruten wurden zu einer und der¬
selben Compagnie eingetheilt, welche zwei Stunden weit entfernt war,
wohin ein Unteroffizier uns geleitete und an die Compagnie zu über¬
geben hatte. Daß wir diesen Unteroffizier auf dieser weiten Strecke
von zwei Stunden unterhalten mußten, versteht sich von selbst; daß
derselbe aber die Unverschämtheit so weit treiben werde, uns für
den uns erwiesenen Liebesdienst ein Douceur abzuverlangen, war für
uns Beide etwas überraschend, und wir stellten natürlich auch diesen
Unverschämter nach seinem eigenen Tarif zufrieden. Angelangt in
der Kaserne, wurden wir alsogleich der Compagnie übergeben, d. h.
dem Hauptmann vorgestellt. Während uns der Hauptmann unsere
Nationale abfragte, kam auch der Feldwebel herbei, der uns Beiden
Kaputröcke und dreieckige Hüte aus dem Compagniedepot verabfol¬
gen mußte. Ich bekam einen abgetragenen, sehr langen Kaputrock,
der von einem wegen Desertion bereits abgestraften Kanonier her¬
rührte, woran die Blutflecken noch klebten, die sich von stillem zer¬
fleischten Rücken abcopirt hatten. Unsere Civilkleider, die wir ablegten,
blieben beim Hauptmann, und unser Engagirungsgeld wurde eben¬
falls bis auf einige Gulden, die zu unseren ersten Bedürfnissen er¬
forderlich waren, bei ihm deponirt. Wir Beide haben jedoch weder
unsere Civilkleider, noch unser Blutgeld, wie man später hören wird,
zurück erhalten. -- Gleiche Schicksale pflegen die Menschen ge¬
wöhnlich zu Freunden zu machen; daher waren wir, ich und ' in
Mitgefährte, anfangs sehr vertraute Freunde. Bald verschwand je¬
doch unsere frühere Anhänglichkeit, da wir gleich den ersten Tag ein
Jeder in eine andere Compagnie und unter andere Unteroffiziere con-
signirt wurden, und auch Einer wie der Andere neue Bekanntschaften


und gar nicht mehr beachten würve. Noch Vormittags wurde ich nebst
einem anderen neuen Mann, der ein Handlungscommis war, in der
Regimentskanzlei unter das Maß gestellt und dann zum Feldkriegs-
commissar geführt, wo mir sechszig Gulden und dem anderen, wel¬
cher von kleinerer Statur war, vierzig Gulden Wiener Währung
ausbezahlt wurden. Bei unserer Rückkunft in die Kaserne wurden
uns Beiden jedoch, und zwar mir zehn Gulden, dem Andern aber
sechs Gulden als Werbegeld abverlangt, obschon weder ich, noch der
Andere eines Werders bedurft hatten. Dies war also die erste Prel¬
lerei, und wahrscheinlich sind diese beiden Beträge in der Regiments-
Kanzlei geblieben. Wir beide Rekruten wurden zu einer und der¬
selben Compagnie eingetheilt, welche zwei Stunden weit entfernt war,
wohin ein Unteroffizier uns geleitete und an die Compagnie zu über¬
geben hatte. Daß wir diesen Unteroffizier auf dieser weiten Strecke
von zwei Stunden unterhalten mußten, versteht sich von selbst; daß
derselbe aber die Unverschämtheit so weit treiben werde, uns für
den uns erwiesenen Liebesdienst ein Douceur abzuverlangen, war für
uns Beide etwas überraschend, und wir stellten natürlich auch diesen
Unverschämter nach seinem eigenen Tarif zufrieden. Angelangt in
der Kaserne, wurden wir alsogleich der Compagnie übergeben, d. h.
dem Hauptmann vorgestellt. Während uns der Hauptmann unsere
Nationale abfragte, kam auch der Feldwebel herbei, der uns Beiden
Kaputröcke und dreieckige Hüte aus dem Compagniedepot verabfol¬
gen mußte. Ich bekam einen abgetragenen, sehr langen Kaputrock,
der von einem wegen Desertion bereits abgestraften Kanonier her¬
rührte, woran die Blutflecken noch klebten, die sich von stillem zer¬
fleischten Rücken abcopirt hatten. Unsere Civilkleider, die wir ablegten,
blieben beim Hauptmann, und unser Engagirungsgeld wurde eben¬
falls bis auf einige Gulden, die zu unseren ersten Bedürfnissen er¬
forderlich waren, bei ihm deponirt. Wir Beide haben jedoch weder
unsere Civilkleider, noch unser Blutgeld, wie man später hören wird,
zurück erhalten. — Gleiche Schicksale pflegen die Menschen ge¬
wöhnlich zu Freunden zu machen; daher waren wir, ich und ' in
Mitgefährte, anfangs sehr vertraute Freunde. Bald verschwand je¬
doch unsere frühere Anhänglichkeit, da wir gleich den ersten Tag ein
Jeder in eine andere Compagnie und unter andere Unteroffiziere con-
signirt wurden, und auch Einer wie der Andere neue Bekanntschaften


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[0016] und gar nicht mehr beachten würve. Noch Vormittags wurde ich nebst einem anderen neuen Mann, der ein Handlungscommis war, in der Regimentskanzlei unter das Maß gestellt und dann zum Feldkriegs- commissar geführt, wo mir sechszig Gulden und dem anderen, wel¬ cher von kleinerer Statur war, vierzig Gulden Wiener Währung ausbezahlt wurden. Bei unserer Rückkunft in die Kaserne wurden uns Beiden jedoch, und zwar mir zehn Gulden, dem Andern aber sechs Gulden als Werbegeld abverlangt, obschon weder ich, noch der Andere eines Werders bedurft hatten. Dies war also die erste Prel¬ lerei, und wahrscheinlich sind diese beiden Beträge in der Regiments- Kanzlei geblieben. Wir beide Rekruten wurden zu einer und der¬ selben Compagnie eingetheilt, welche zwei Stunden weit entfernt war, wohin ein Unteroffizier uns geleitete und an die Compagnie zu über¬ geben hatte. Daß wir diesen Unteroffizier auf dieser weiten Strecke von zwei Stunden unterhalten mußten, versteht sich von selbst; daß derselbe aber die Unverschämtheit so weit treiben werde, uns für den uns erwiesenen Liebesdienst ein Douceur abzuverlangen, war für uns Beide etwas überraschend, und wir stellten natürlich auch diesen Unverschämter nach seinem eigenen Tarif zufrieden. Angelangt in der Kaserne, wurden wir alsogleich der Compagnie übergeben, d. h. dem Hauptmann vorgestellt. Während uns der Hauptmann unsere Nationale abfragte, kam auch der Feldwebel herbei, der uns Beiden Kaputröcke und dreieckige Hüte aus dem Compagniedepot verabfol¬ gen mußte. Ich bekam einen abgetragenen, sehr langen Kaputrock, der von einem wegen Desertion bereits abgestraften Kanonier her¬ rührte, woran die Blutflecken noch klebten, die sich von stillem zer¬ fleischten Rücken abcopirt hatten. Unsere Civilkleider, die wir ablegten, blieben beim Hauptmann, und unser Engagirungsgeld wurde eben¬ falls bis auf einige Gulden, die zu unseren ersten Bedürfnissen er¬ forderlich waren, bei ihm deponirt. Wir Beide haben jedoch weder unsere Civilkleider, noch unser Blutgeld, wie man später hören wird, zurück erhalten. — Gleiche Schicksale pflegen die Menschen ge¬ wöhnlich zu Freunden zu machen; daher waren wir, ich und ' in Mitgefährte, anfangs sehr vertraute Freunde. Bald verschwand je¬ doch unsere frühere Anhänglichkeit, da wir gleich den ersten Tag ein Jeder in eine andere Compagnie und unter andere Unteroffiziere con- signirt wurden, und auch Einer wie der Andere neue Bekanntschaften

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/16>, abgerufen am 23.12.2024.