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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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cherweise ahnte der junge Mann die Gefahr seines Vaters und stellte
sich nach kurzer Zeit von selbst ein. Solche Fälle kommen häufig
vor und gehören noch lange nicht zu den schreiendsten.

-- Die Mainzer Advocatenversammlung ist nun ganz vereitelt.
So weit also erstreckt sich in Deutschland die Freiheit der Association!
Die beabsichtigte Versammlung hatte nicht einmal unmittelbar prak¬
tische Zwecke; nur eine Berathung, eine Discussion über die entfernte
Möglichkeit von Reformen und von einer annähernden Gleichgestal¬
tung im deutschen Rechts- und Gerichtswesen sollte stattfinden; und
diese theoretische Debatte, die bei der deutschen Zerstücklung und an¬
dern Hindernissen durch die Presse zu dem kleinsten Resultat einen
Umweg von Jahren machen muß, soll des natürlichen Rechts und
Vortheils freier Mündlichkeit nicht genießen! Seit zum letzten Mal
der Hahn gekräht und Niklas Becker gesungen hat, wie viel tausend¬
mal haben die Regierungen ihren guten Willen proclamict, die poli¬
tische Entwicklung der Nation zu fördern. Man scheint jedoch kein
anderes Mittel der Entwicklung zu können, als eine bittere Erfahrung
nach der anderen. Deren aber hat Deutschland genug eingenommen
seit viel hundert Jahren; von all den Mixturen der vielen Aerzte, die
um sein Lager stehen, liegt ihm die Bitterkeit auf der Zunge, ist
sein Antlitz so grämlich verzogen. -- Wenn sich Studenten mit
politischer Lectüre befassen; wenn die Belletristik, vom Geist der
Zeit ergriffen, sich um die Welthändel kümmert; oder wenn der Fa¬
brikarbeiter Rechenschaft vom Staat fordern will für die stiefva¬
terliche Liebe, die man ihm widmet, so heißt es, mit einem
scheinbaren äußerlichen Recht wenigstens: sie mischten sich in Dinge,
die sie nicht verstünden, die nicht ihr Fach seien. Ist das Recht nicht
das Fach des Advocaten? -- Merkwürdig ist der Stufengang, den
die Maßregel gegen das projectirte Meeting genommen hat. Erst kam das
preußische Verbot und diesem erst folgte das kurfürstlich hessische. Wa¬
rum nicht umgekehrt? Hessen-Kassel konnte wenigstens fürchten, daß
in Mainz der Prozeß Jordan genannt würde. Was drückte das preu¬
ßische Gewissen? Als endlich der Verein doch zu Stande kommen zu
wollen schien, mußte Mainz selbst seine Thore den gefürchteten Ad¬
vocaten schließen, d. h, die großherzoglich hessische Regierung versagte
dem Verein die Oeffentlichkeit und die Mündlichkeit, die Freiheit der
Rede nämlich; ein mit absolutem Veto bewaffneter Regierungscom-
missär sollte den Debattirenden auf den Mund sehen.




Bcrlag von Fr. Ludw. Herbig. -- Redacteur I> Kuranda.
Druck von Friedrich AndrS.

cherweise ahnte der junge Mann die Gefahr seines Vaters und stellte
sich nach kurzer Zeit von selbst ein. Solche Fälle kommen häufig
vor und gehören noch lange nicht zu den schreiendsten.

— Die Mainzer Advocatenversammlung ist nun ganz vereitelt.
So weit also erstreckt sich in Deutschland die Freiheit der Association!
Die beabsichtigte Versammlung hatte nicht einmal unmittelbar prak¬
tische Zwecke; nur eine Berathung, eine Discussion über die entfernte
Möglichkeit von Reformen und von einer annähernden Gleichgestal¬
tung im deutschen Rechts- und Gerichtswesen sollte stattfinden; und
diese theoretische Debatte, die bei der deutschen Zerstücklung und an¬
dern Hindernissen durch die Presse zu dem kleinsten Resultat einen
Umweg von Jahren machen muß, soll des natürlichen Rechts und
Vortheils freier Mündlichkeit nicht genießen! Seit zum letzten Mal
der Hahn gekräht und Niklas Becker gesungen hat, wie viel tausend¬
mal haben die Regierungen ihren guten Willen proclamict, die poli¬
tische Entwicklung der Nation zu fördern. Man scheint jedoch kein
anderes Mittel der Entwicklung zu können, als eine bittere Erfahrung
nach der anderen. Deren aber hat Deutschland genug eingenommen
seit viel hundert Jahren; von all den Mixturen der vielen Aerzte, die
um sein Lager stehen, liegt ihm die Bitterkeit auf der Zunge, ist
sein Antlitz so grämlich verzogen. — Wenn sich Studenten mit
politischer Lectüre befassen; wenn die Belletristik, vom Geist der
Zeit ergriffen, sich um die Welthändel kümmert; oder wenn der Fa¬
brikarbeiter Rechenschaft vom Staat fordern will für die stiefva¬
terliche Liebe, die man ihm widmet, so heißt es, mit einem
scheinbaren äußerlichen Recht wenigstens: sie mischten sich in Dinge,
die sie nicht verstünden, die nicht ihr Fach seien. Ist das Recht nicht
das Fach des Advocaten? — Merkwürdig ist der Stufengang, den
die Maßregel gegen das projectirte Meeting genommen hat. Erst kam das
preußische Verbot und diesem erst folgte das kurfürstlich hessische. Wa¬
rum nicht umgekehrt? Hessen-Kassel konnte wenigstens fürchten, daß
in Mainz der Prozeß Jordan genannt würde. Was drückte das preu¬
ßische Gewissen? Als endlich der Verein doch zu Stande kommen zu
wollen schien, mußte Mainz selbst seine Thore den gefürchteten Ad¬
vocaten schließen, d. h, die großherzoglich hessische Regierung versagte
dem Verein die Oeffentlichkeit und die Mündlichkeit, die Freiheit der
Rede nämlich; ein mit absolutem Veto bewaffneter Regierungscom-
missär sollte den Debattirenden auf den Mund sehen.




Bcrlag von Fr. Ludw. Herbig. — Redacteur I> Kuranda.
Druck von Friedrich AndrS.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/152>, abgerufen am 23.12.2024.