Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.schriftkommen, lesen und mit denen einer früherenZeit vergleichen, um den Auf Erden, da flimmert's von Sternen wohl auch, Doch herrscht noch mitunter der alte Brauch; Daß den rechten Ort und den rechten Mann Das Erdensternlein nicht finden kann. Grenzboten II. 18
schriftkommen, lesen und mit denen einer früherenZeit vergleichen, um den Auf Erden, da flimmert's von Sternen wohl auch, Doch herrscht noch mitunter der alte Brauch; Daß den rechten Ort und den rechten Mann Das Erdensternlein nicht finden kann. Grenzboten II. 18
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schriftkommen, lesen und mit denen einer früherenZeit vergleichen, um den
Ausschwung der Geister bei uns kennen zu lernen. — Sie haben in
einer Ihrer letzten Nummern der hier erscheinenden Wiener Zeitschrift
eine derbe Lection gegeben, obgleich die Mühe zu sparen gewesen wäre
— da man gegen Todte nicht zu Felde zu ziehen braucht und das
erwähnte Blatt in der Agonie liegt. Auch — erlauben Sie, daß ich
es offen sage — thaten Sie dem armen Witthauer Unrecht, wenn
Sie ihm eine Denunciation Schuld gaben — er ist blos ungeschickt
und versteht die Sache nicht. Wer heißt Sie auch dem Redacteur
eines Wiener Modeblattes politische Bildung zutrauen? Herr Wit¬
thauer schreibt Theaterrecensionen, über diesen Punkt hinaus geht seine
schriftstellerische Thätigkeit und Anschauung nicht. Es ist ein braver
Mann, d. h. es kann ihm Niemand nachsagen, daß er sich seine Re¬
censionen von den Schauspielern bezahlen läßt; ein ehrenhafter Cha¬
rakter, d. h. ein wackerer Schulmeister, der keine Schulden und Streiche
macht, bereden Sonntag bei einem andern Banquier zu Tische geladen wird
und daher auf seinen guten Ruf hält. Bei der Censur ist Herr
Witthauersehrgut angeschrieben, nicht weil er etwa servil ist, sondern weil
er als Pedant und veralteter Jopfmensch die moderne Richtung gleich
ihr nicht leiden kann und sie daher mit der Vorlegung solcher Artikel
nicht behelligt, in denen ein frischer moderner Geist lebt. Das beste
Beispiel von dem Jdcenschwung, der dieser Art von Gesinnung ei¬
gen ist, haben Sie ja an dem bekannten Ordensgedicht, das Witthauer
zu Grillparzer's letztem Geburtstage machte. Hammer-Purgstall und
Bauernfeld sprachen sich bei jenem schönen Feste mit würdiger Gesin¬
nung aus, das Gedicht des letzteren namentlich sagte, ohne Effect-
hascherei, das Sinnigste, was ein freimüthiger Dichter bei dieser Ge¬
legenheit sagen konnte. Witthauer, der es gewiß eben so gut und
ehrlich meinte, konnte natürlich nicht zurückbleiben und kam richtig
auch mit einem Geburtstagsvers angestiegen. Und was war's? Grill-
parzer hatte wie Uhland und noch andere ausgezeichnete Männer den
<>r<jro near lo merito nicht erhalten. Der arme Grillparzer! Alle
Welt sieht es für ein Glück an, daß die Orden in der Regel so un¬
geschickt vertheilt werden; das gehört ja dazu. Es wäre sogar ein
Unglück, wenn man einmal darin tactvoller verführe; denn bei ge¬
wissen Leuten könnte das Ordens- und Bändchenwesen am Ende wie¬
der in Ehrfurcht und Ansehen kommen. Witthauer aber muß sich
erst einen kühnen Schwung geben, um sich über die seinem Freunde
widerfahrene Zurücksetzung zu erheben. Und so singt er denn, nach¬
dem er von den Sternen am Himmel gesprochen:
Auf Erden, da flimmert's von Sternen wohl auch,
Doch herrscht noch mitunter der alte Brauch;
Daß den rechten Ort und den rechten Mann
Das Erdensternlein nicht finden kann.
Grenzboten II. 18
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