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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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AIS diese Untersuchung beendigt war, erhielt ich das ärztliche Zeug¬
niß über die Tauglichkeit zu allen k. k. Kriegsdiensten, welches ich
in Begleitung des Unteroffiziers dem Negimentsadjutanten überbrachte.
Nachdem ich demselben meine Wohnung angegeben hatte, wurde ich
mit der Weisung entlassen, mich den folgenden Tag um neun Uhr
Morgens in der Regimentskanzlei einzufinden und meine Effekten,
die ich allenfalls hätte, mitzubringen. Der besorgte Unteroffizier be¬
gleitete mich bis vor die Kaserne und trug sich an, mich Nachmit¬
tags zu besuchen. Erst als mich dieser verließ und ich mir wieder
meiner bisherigen Selbständigkeit bewußt war, bemächtigte sich meiner
eine unaussprechliche Bangigkeit und Unruhe. Ich versuchte durch
allerlei Zerstreuung meine Unruhe zu bekämpfen, -- Alles war ver¬
gebens. Ich wollte fliehen, allein meine Zeugnisse und alle übrigen
Ausweise befanden sich in den Händen des Obersten. In diesem
noch zweifelhaften Kampfe, ob ich mein gewagtes Vorhaben ausfüh¬
ren sollte, oder nicht, traf ich den mehrerwähnten Unteroffizier, der mir
den Antrag machte, mich mit einigen seiner Kameraden bekannt zu
machen. Natürlicherweise führte er mich in ein Gasthaus, wo uns
wirklich drei andere Unteroffiziere, mit ihren Geliebten gepaart, erwar¬
teten. Ich wurde selben als ein künftiges Mitglied vorgestellt, und
die Glückwünsche aller Seits wollten gar kein Ende nehmen. Sie
wußten ihren Stand mit so reizenden Bildern auszuschmücken und
mir ein schnelles Avancement als unfehlbar mit solcher Gewißheit zu
schildern, daß ich, jeder Befürchtung enthoben wurde und den seligen
Moment meiner Assentirung mit glühendster Sehnsucht zu beschleuni¬
gen wünschte. ES wurde tapfer gezecht, denn alle vier Unteroffiziere
waren routinirte Trinker, und ich kam hier dem Sprichworte: "Er
säuft wie ein Artilleriekorporal" um den Preis von fünf bis sechs
Gulden, die unsere Zeche kostete, glücklich auf die Spur. Unter kräf¬
tigen Scherzen, die mir als Militärnovizen die schöne Pflicht aufer¬
legten, mich -- statt unserer Gesellschaftsdamen -- zu schämen, un¬
ter Gesang einiger ästhetischen Trinklieder und unter herzlichsten Vi-
vatzutrinken auf mein künftiges Wohlergehen erweiterte sich meine
vor Fröhlichkeit hüpfende Seele; und ich genoß schon zum ersten Mal
in diesem Vorgeschmack jene Freuden, vie meiner harrten. Der Zapfen¬
streich, welcher unserem Vergnügen auf einmal ein Ende machte, be¬
rührte zum ersten Male mein Gehör recht unmelodisch. Bei dem


AIS diese Untersuchung beendigt war, erhielt ich das ärztliche Zeug¬
niß über die Tauglichkeit zu allen k. k. Kriegsdiensten, welches ich
in Begleitung des Unteroffiziers dem Negimentsadjutanten überbrachte.
Nachdem ich demselben meine Wohnung angegeben hatte, wurde ich
mit der Weisung entlassen, mich den folgenden Tag um neun Uhr
Morgens in der Regimentskanzlei einzufinden und meine Effekten,
die ich allenfalls hätte, mitzubringen. Der besorgte Unteroffizier be¬
gleitete mich bis vor die Kaserne und trug sich an, mich Nachmit¬
tags zu besuchen. Erst als mich dieser verließ und ich mir wieder
meiner bisherigen Selbständigkeit bewußt war, bemächtigte sich meiner
eine unaussprechliche Bangigkeit und Unruhe. Ich versuchte durch
allerlei Zerstreuung meine Unruhe zu bekämpfen, — Alles war ver¬
gebens. Ich wollte fliehen, allein meine Zeugnisse und alle übrigen
Ausweise befanden sich in den Händen des Obersten. In diesem
noch zweifelhaften Kampfe, ob ich mein gewagtes Vorhaben ausfüh¬
ren sollte, oder nicht, traf ich den mehrerwähnten Unteroffizier, der mir
den Antrag machte, mich mit einigen seiner Kameraden bekannt zu
machen. Natürlicherweise führte er mich in ein Gasthaus, wo uns
wirklich drei andere Unteroffiziere, mit ihren Geliebten gepaart, erwar¬
teten. Ich wurde selben als ein künftiges Mitglied vorgestellt, und
die Glückwünsche aller Seits wollten gar kein Ende nehmen. Sie
wußten ihren Stand mit so reizenden Bildern auszuschmücken und
mir ein schnelles Avancement als unfehlbar mit solcher Gewißheit zu
schildern, daß ich, jeder Befürchtung enthoben wurde und den seligen
Moment meiner Assentirung mit glühendster Sehnsucht zu beschleuni¬
gen wünschte. ES wurde tapfer gezecht, denn alle vier Unteroffiziere
waren routinirte Trinker, und ich kam hier dem Sprichworte: „Er
säuft wie ein Artilleriekorporal" um den Preis von fünf bis sechs
Gulden, die unsere Zeche kostete, glücklich auf die Spur. Unter kräf¬
tigen Scherzen, die mir als Militärnovizen die schöne Pflicht aufer¬
legten, mich — statt unserer Gesellschaftsdamen — zu schämen, un¬
ter Gesang einiger ästhetischen Trinklieder und unter herzlichsten Vi-
vatzutrinken auf mein künftiges Wohlergehen erweiterte sich meine
vor Fröhlichkeit hüpfende Seele; und ich genoß schon zum ersten Mal
in diesem Vorgeschmack jene Freuden, vie meiner harrten. Der Zapfen¬
streich, welcher unserem Vergnügen auf einmal ein Ende machte, be¬
rührte zum ersten Male mein Gehör recht unmelodisch. Bei dem


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[0014] AIS diese Untersuchung beendigt war, erhielt ich das ärztliche Zeug¬ niß über die Tauglichkeit zu allen k. k. Kriegsdiensten, welches ich in Begleitung des Unteroffiziers dem Negimentsadjutanten überbrachte. Nachdem ich demselben meine Wohnung angegeben hatte, wurde ich mit der Weisung entlassen, mich den folgenden Tag um neun Uhr Morgens in der Regimentskanzlei einzufinden und meine Effekten, die ich allenfalls hätte, mitzubringen. Der besorgte Unteroffizier be¬ gleitete mich bis vor die Kaserne und trug sich an, mich Nachmit¬ tags zu besuchen. Erst als mich dieser verließ und ich mir wieder meiner bisherigen Selbständigkeit bewußt war, bemächtigte sich meiner eine unaussprechliche Bangigkeit und Unruhe. Ich versuchte durch allerlei Zerstreuung meine Unruhe zu bekämpfen, — Alles war ver¬ gebens. Ich wollte fliehen, allein meine Zeugnisse und alle übrigen Ausweise befanden sich in den Händen des Obersten. In diesem noch zweifelhaften Kampfe, ob ich mein gewagtes Vorhaben ausfüh¬ ren sollte, oder nicht, traf ich den mehrerwähnten Unteroffizier, der mir den Antrag machte, mich mit einigen seiner Kameraden bekannt zu machen. Natürlicherweise führte er mich in ein Gasthaus, wo uns wirklich drei andere Unteroffiziere, mit ihren Geliebten gepaart, erwar¬ teten. Ich wurde selben als ein künftiges Mitglied vorgestellt, und die Glückwünsche aller Seits wollten gar kein Ende nehmen. Sie wußten ihren Stand mit so reizenden Bildern auszuschmücken und mir ein schnelles Avancement als unfehlbar mit solcher Gewißheit zu schildern, daß ich, jeder Befürchtung enthoben wurde und den seligen Moment meiner Assentirung mit glühendster Sehnsucht zu beschleuni¬ gen wünschte. ES wurde tapfer gezecht, denn alle vier Unteroffiziere waren routinirte Trinker, und ich kam hier dem Sprichworte: „Er säuft wie ein Artilleriekorporal" um den Preis von fünf bis sechs Gulden, die unsere Zeche kostete, glücklich auf die Spur. Unter kräf¬ tigen Scherzen, die mir als Militärnovizen die schöne Pflicht aufer¬ legten, mich — statt unserer Gesellschaftsdamen — zu schämen, un¬ ter Gesang einiger ästhetischen Trinklieder und unter herzlichsten Vi- vatzutrinken auf mein künftiges Wohlergehen erweiterte sich meine vor Fröhlichkeit hüpfende Seele; und ich genoß schon zum ersten Mal in diesem Vorgeschmack jene Freuden, vie meiner harrten. Der Zapfen¬ streich, welcher unserem Vergnügen auf einmal ein Ende machte, be¬ rührte zum ersten Male mein Gehör recht unmelodisch. Bei dem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/14>, abgerufen am 23.12.2024.