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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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daß einer der dortigen Fabrikanten seine Arbeiter zwänge alle ihre
Nahrungsmittel und sonstigen Bedürfnisse von ihm zu kaufen), befin¬
den sich in einer ganz anderen Lage, als unsere Kattundrucker, die in
einer Stadt von nahe an einmalhundert zwanzigtausend Einwohnern
hundert andere Gewerbe und Beschäftigungen finden, so daß der Fa¬
brikant hier ihnen keine Gesetze vorschreiben, und wenn der Lohn
nicht im Verhältniß zu der Arbeit steht, Zedermann seinem freien
Willen folgen kann. Auch sind die hiesigen Kattundrucker in so fern
nicht mit den schlesischen Webern zu vergleichen, als diese schwächlich,
von Jugend auf zu einer fast verkrüppelnder Arbeit erzogen, keinen
anderen Nahrungszweig betreiben können, als eben diesen, während
der Kattundrucker erst bei voller Kraft dieser Handthierung sich unter¬
ziehen kann, und die Art der Arbeit seine Muskeln noch mehr stählt.
Man hat diese kräftigen, prächtigen Bursche, die in fast militärischer
Ordnung in's Jägerhaus des Baumgartens hinauszogen, nur zu se¬
hen brauchen, um die Ueberzeugung zu gewinnen, daß diese Menschen
jedem Gewerbe willkommen sein werden, wo man handfeste Männer
braucht. Auch war es nicht Lohnherabsetzung, was die Aufregung
herbeiführte, sondern die Einführung neuer Maschinen. Am 17. Juni,
an einem Montage, d. h. beim Eintritt der Werkeltage, kamen die
Drucker der Portheimischen Fabrik und verlangten von ihrem Vorge¬
setzten ihre gewöhnliche Arbeit. Die Portheimische Fabrik, eine der
größten Kattunfabriken Oesterreichs, hatte drei neue Perotinemaschincn
aufgestellt, und den Druckern wurde daher der Bescheid, sie müßten
vor der Hand warten und könnten erst später beschäftigt werden; die
Drucker wurden grob, der Mann wurde grob, und da obendrein die
Fabrikbesitzer Israeliten sind, was immer bei den ihnen Untergebenen
leichter Widersetzlichkeit und Erbitterung herbeiführt, so suchten sich die
Leute frischweg zu rächen und schlugen die Maschinen in Stücken.
Von bier aus zogen sie nach dem nahen Holschowitz, wo eine andere
Fabrik, die Dormitzer'sche, sich befindet, überredeten die dortigen Druk-
ker, gemeinschaftliche Sache mit ihnen zu machen, und ihre Erbfeinde,
die Maschinen, zu zerstören, was auch geschah. Von hier ging es nach
der Stadt, der Brandeis'schen Fabrik zu, welche dasselbe Loos theilte,
und sofort auch andere Fabriken. Wohlgemerkt, nur die Maschinen
wurden zerstört, an das Eigenthum der Besitzer wurde keine Hand
gelegt, und zu ähnlichen empörenden Plündcrungssccncn, wie sie in
Langenbielau stattfanden, regte sich kein Gedanke; der natürliche Sinn
dieser Leute hielt sich blos an Maschinen, die sie um ihr Brod brach¬
ten, oder zu bringen drohen. Auch ist es falsch, wenn man diesen
Leuten vorwarf, daß ihr Haß dadurch entstanden, weil diese drei Fa¬
brikanten Juden sind, denn wenige Tage darauf fanden dieselben Sce¬
nen bei den christlichen Fabrikanten in Reichenberg statt, wo nur das
herbeieilende Jägerregiment die Fabrikgebäude zu schützen vermochte.


daß einer der dortigen Fabrikanten seine Arbeiter zwänge alle ihre
Nahrungsmittel und sonstigen Bedürfnisse von ihm zu kaufen), befin¬
den sich in einer ganz anderen Lage, als unsere Kattundrucker, die in
einer Stadt von nahe an einmalhundert zwanzigtausend Einwohnern
hundert andere Gewerbe und Beschäftigungen finden, so daß der Fa¬
brikant hier ihnen keine Gesetze vorschreiben, und wenn der Lohn
nicht im Verhältniß zu der Arbeit steht, Zedermann seinem freien
Willen folgen kann. Auch sind die hiesigen Kattundrucker in so fern
nicht mit den schlesischen Webern zu vergleichen, als diese schwächlich,
von Jugend auf zu einer fast verkrüppelnder Arbeit erzogen, keinen
anderen Nahrungszweig betreiben können, als eben diesen, während
der Kattundrucker erst bei voller Kraft dieser Handthierung sich unter¬
ziehen kann, und die Art der Arbeit seine Muskeln noch mehr stählt.
Man hat diese kräftigen, prächtigen Bursche, die in fast militärischer
Ordnung in's Jägerhaus des Baumgartens hinauszogen, nur zu se¬
hen brauchen, um die Ueberzeugung zu gewinnen, daß diese Menschen
jedem Gewerbe willkommen sein werden, wo man handfeste Männer
braucht. Auch war es nicht Lohnherabsetzung, was die Aufregung
herbeiführte, sondern die Einführung neuer Maschinen. Am 17. Juni,
an einem Montage, d. h. beim Eintritt der Werkeltage, kamen die
Drucker der Portheimischen Fabrik und verlangten von ihrem Vorge¬
setzten ihre gewöhnliche Arbeit. Die Portheimische Fabrik, eine der
größten Kattunfabriken Oesterreichs, hatte drei neue Perotinemaschincn
aufgestellt, und den Druckern wurde daher der Bescheid, sie müßten
vor der Hand warten und könnten erst später beschäftigt werden; die
Drucker wurden grob, der Mann wurde grob, und da obendrein die
Fabrikbesitzer Israeliten sind, was immer bei den ihnen Untergebenen
leichter Widersetzlichkeit und Erbitterung herbeiführt, so suchten sich die
Leute frischweg zu rächen und schlugen die Maschinen in Stücken.
Von bier aus zogen sie nach dem nahen Holschowitz, wo eine andere
Fabrik, die Dormitzer'sche, sich befindet, überredeten die dortigen Druk-
ker, gemeinschaftliche Sache mit ihnen zu machen, und ihre Erbfeinde,
die Maschinen, zu zerstören, was auch geschah. Von hier ging es nach
der Stadt, der Brandeis'schen Fabrik zu, welche dasselbe Loos theilte,
und sofort auch andere Fabriken. Wohlgemerkt, nur die Maschinen
wurden zerstört, an das Eigenthum der Besitzer wurde keine Hand
gelegt, und zu ähnlichen empörenden Plündcrungssccncn, wie sie in
Langenbielau stattfanden, regte sich kein Gedanke; der natürliche Sinn
dieser Leute hielt sich blos an Maschinen, die sie um ihr Brod brach¬
ten, oder zu bringen drohen. Auch ist es falsch, wenn man diesen
Leuten vorwarf, daß ihr Haß dadurch entstanden, weil diese drei Fa¬
brikanten Juden sind, denn wenige Tage darauf fanden dieselben Sce¬
nen bei den christlichen Fabrikanten in Reichenberg statt, wo nur das
herbeieilende Jägerregiment die Fabrikgebäude zu schützen vermochte.


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[0138] daß einer der dortigen Fabrikanten seine Arbeiter zwänge alle ihre Nahrungsmittel und sonstigen Bedürfnisse von ihm zu kaufen), befin¬ den sich in einer ganz anderen Lage, als unsere Kattundrucker, die in einer Stadt von nahe an einmalhundert zwanzigtausend Einwohnern hundert andere Gewerbe und Beschäftigungen finden, so daß der Fa¬ brikant hier ihnen keine Gesetze vorschreiben, und wenn der Lohn nicht im Verhältniß zu der Arbeit steht, Zedermann seinem freien Willen folgen kann. Auch sind die hiesigen Kattundrucker in so fern nicht mit den schlesischen Webern zu vergleichen, als diese schwächlich, von Jugend auf zu einer fast verkrüppelnder Arbeit erzogen, keinen anderen Nahrungszweig betreiben können, als eben diesen, während der Kattundrucker erst bei voller Kraft dieser Handthierung sich unter¬ ziehen kann, und die Art der Arbeit seine Muskeln noch mehr stählt. Man hat diese kräftigen, prächtigen Bursche, die in fast militärischer Ordnung in's Jägerhaus des Baumgartens hinauszogen, nur zu se¬ hen brauchen, um die Ueberzeugung zu gewinnen, daß diese Menschen jedem Gewerbe willkommen sein werden, wo man handfeste Männer braucht. Auch war es nicht Lohnherabsetzung, was die Aufregung herbeiführte, sondern die Einführung neuer Maschinen. Am 17. Juni, an einem Montage, d. h. beim Eintritt der Werkeltage, kamen die Drucker der Portheimischen Fabrik und verlangten von ihrem Vorge¬ setzten ihre gewöhnliche Arbeit. Die Portheimische Fabrik, eine der größten Kattunfabriken Oesterreichs, hatte drei neue Perotinemaschincn aufgestellt, und den Druckern wurde daher der Bescheid, sie müßten vor der Hand warten und könnten erst später beschäftigt werden; die Drucker wurden grob, der Mann wurde grob, und da obendrein die Fabrikbesitzer Israeliten sind, was immer bei den ihnen Untergebenen leichter Widersetzlichkeit und Erbitterung herbeiführt, so suchten sich die Leute frischweg zu rächen und schlugen die Maschinen in Stücken. Von bier aus zogen sie nach dem nahen Holschowitz, wo eine andere Fabrik, die Dormitzer'sche, sich befindet, überredeten die dortigen Druk- ker, gemeinschaftliche Sache mit ihnen zu machen, und ihre Erbfeinde, die Maschinen, zu zerstören, was auch geschah. Von hier ging es nach der Stadt, der Brandeis'schen Fabrik zu, welche dasselbe Loos theilte, und sofort auch andere Fabriken. Wohlgemerkt, nur die Maschinen wurden zerstört, an das Eigenthum der Besitzer wurde keine Hand gelegt, und zu ähnlichen empörenden Plündcrungssccncn, wie sie in Langenbielau stattfanden, regte sich kein Gedanke; der natürliche Sinn dieser Leute hielt sich blos an Maschinen, die sie um ihr Brod brach¬ ten, oder zu bringen drohen. Auch ist es falsch, wenn man diesen Leuten vorwarf, daß ihr Haß dadurch entstanden, weil diese drei Fa¬ brikanten Juden sind, denn wenige Tage darauf fanden dieselben Sce¬ nen bei den christlichen Fabrikanten in Reichenberg statt, wo nur das herbeieilende Jägerregiment die Fabrikgebäude zu schützen vermochte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/138>, abgerufen am 23.12.2024.