Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

tem nicht so arg. als er sagt, -- kommen Sie nur in acht Tagen,
und ich stehe Ihnen gut dafür, Sie werden Ihr Glück machen. --

Die Worte des Obersten hatten meine Hoffnungen sehr herab¬
gestimmt; denn ich konnte es nicht zusammenreimen, wie man in ei¬
nem szientifischen Corps der Ignoranz vor einer contagiösen Intelli¬
genz den Vorzug geben könne. Nach einiger Ueberlegung jedoch
glaubte ich in der wohlmeinenden Rede des Obersten nichts Anderes
zu finden, als eine vorläufige Prüfung meiner Sündhaftigkeit, und
ich war entschlossen, in meinem Vorhaben nicht mehr zu wanken. --
Was ich während der langen acht Tage eigentlich that, weiß ich
nicht. So viel ist aber gewiß, daß ich aus einer Kaserne in die
andere lief, um mich durch den Anblick der Soldaten und ihrer ver¬
schiedenen Verrichtungen zu meinem künftigen Heidenthume gewisser¬
maßen vorzubereiten. Noch vor Ablauf der mir gegebenen Frist wurde
ein Seelenamt sür einen hohen Militär gefeiert, wozu auch die Ar¬
tillerie mit ihrer Musikbande ausrückte. Nach Beendigung der Feier¬
lichkeit marschirte die Truppe unter fortwährender Musik, die mich
diesmal auf eine seltsame Art elektrisirte, in ihre Kasernen, und ich
befand mich auf einmal, ohne zu wissen wie, in dem Kasernenhofe.
Ich war vor freudigem Entzücken über alle die Herrlichkeiten, welche
meiner in sehr kurzer Zeit warteten, in süße Träume versunken, aus
denen mich ein sanfter Achselschlag aufrüttelte. Bravo, bravo! sagte
zu mir der Negimentöadjutant, es ist schön von Ihnen, daß Sie
kommen, -- es ist ein Beweis, daß Sie Lust zu unserer Branche
haben. Kommen Sie nur mit, ich werde Sie gleich dem Herrn
Obersten vorstellen. Ich folgte ihm mechanisch. Im Vorzimmer des
Obersten angelangt, hieß er mich warten. Nach wenigen Minuten
kam er zurück und befahl mir, ihm zu folgen, indem er mich zugleich
versicherte, daß nunmehr Alles in der Ordnung wäre. Ein Korpo¬
ral führte mich zum Arzte und gab mir unterwegs den Rath, dem
Arzte allenfalls ein Fürwort in die Hand zu drücken, nachdem es
nur von ihm abhänge, ob ich angenommen würde. Ich zog diesem
Rathe zufolge einen Fünf-Guldenschein aus meiner Brieftasche, wel¬
chen ich dem jungen Arzte, dem die Untersuchung meiner Tauglichkeit
zu den Kriegsdiensten oblag, gleich bei meinem Eintritt in die Hand
drückte. Ich mußte mich gänzlich entkleiden, auf- und abgehen, die
Backen aufblasen und ihm sogar alle möglichen Einsichten erlauben.


tem nicht so arg. als er sagt, — kommen Sie nur in acht Tagen,
und ich stehe Ihnen gut dafür, Sie werden Ihr Glück machen. —

Die Worte des Obersten hatten meine Hoffnungen sehr herab¬
gestimmt; denn ich konnte es nicht zusammenreimen, wie man in ei¬
nem szientifischen Corps der Ignoranz vor einer contagiösen Intelli¬
genz den Vorzug geben könne. Nach einiger Ueberlegung jedoch
glaubte ich in der wohlmeinenden Rede des Obersten nichts Anderes
zu finden, als eine vorläufige Prüfung meiner Sündhaftigkeit, und
ich war entschlossen, in meinem Vorhaben nicht mehr zu wanken. —
Was ich während der langen acht Tage eigentlich that, weiß ich
nicht. So viel ist aber gewiß, daß ich aus einer Kaserne in die
andere lief, um mich durch den Anblick der Soldaten und ihrer ver¬
schiedenen Verrichtungen zu meinem künftigen Heidenthume gewisser¬
maßen vorzubereiten. Noch vor Ablauf der mir gegebenen Frist wurde
ein Seelenamt sür einen hohen Militär gefeiert, wozu auch die Ar¬
tillerie mit ihrer Musikbande ausrückte. Nach Beendigung der Feier¬
lichkeit marschirte die Truppe unter fortwährender Musik, die mich
diesmal auf eine seltsame Art elektrisirte, in ihre Kasernen, und ich
befand mich auf einmal, ohne zu wissen wie, in dem Kasernenhofe.
Ich war vor freudigem Entzücken über alle die Herrlichkeiten, welche
meiner in sehr kurzer Zeit warteten, in süße Träume versunken, aus
denen mich ein sanfter Achselschlag aufrüttelte. Bravo, bravo! sagte
zu mir der Negimentöadjutant, es ist schön von Ihnen, daß Sie
kommen, — es ist ein Beweis, daß Sie Lust zu unserer Branche
haben. Kommen Sie nur mit, ich werde Sie gleich dem Herrn
Obersten vorstellen. Ich folgte ihm mechanisch. Im Vorzimmer des
Obersten angelangt, hieß er mich warten. Nach wenigen Minuten
kam er zurück und befahl mir, ihm zu folgen, indem er mich zugleich
versicherte, daß nunmehr Alles in der Ordnung wäre. Ein Korpo¬
ral führte mich zum Arzte und gab mir unterwegs den Rath, dem
Arzte allenfalls ein Fürwort in die Hand zu drücken, nachdem es
nur von ihm abhänge, ob ich angenommen würde. Ich zog diesem
Rathe zufolge einen Fünf-Guldenschein aus meiner Brieftasche, wel¬
chen ich dem jungen Arzte, dem die Untersuchung meiner Tauglichkeit
zu den Kriegsdiensten oblag, gleich bei meinem Eintritt in die Hand
drückte. Ich mußte mich gänzlich entkleiden, auf- und abgehen, die
Backen aufblasen und ihm sogar alle möglichen Einsichten erlauben.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0013" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/180572"/>
            <p xml:id="ID_11" prev="#ID_10"> tem nicht so arg. als er sagt, &#x2014; kommen Sie nur in acht Tagen,<lb/>
und ich stehe Ihnen gut dafür, Sie werden Ihr Glück machen. &#x2014;</p><lb/>
            <p xml:id="ID_12" next="#ID_13"> Die Worte des Obersten hatten meine Hoffnungen sehr herab¬<lb/>
gestimmt; denn ich konnte es nicht zusammenreimen, wie man in ei¬<lb/>
nem szientifischen Corps der Ignoranz vor einer contagiösen Intelli¬<lb/>
genz den Vorzug geben könne. Nach einiger Ueberlegung jedoch<lb/>
glaubte ich in der wohlmeinenden Rede des Obersten nichts Anderes<lb/>
zu finden, als eine vorläufige Prüfung meiner Sündhaftigkeit, und<lb/>
ich war entschlossen, in meinem Vorhaben nicht mehr zu wanken. &#x2014;<lb/>
Was ich während der langen acht Tage eigentlich that, weiß ich<lb/>
nicht. So viel ist aber gewiß, daß ich aus einer Kaserne in die<lb/>
andere lief, um mich durch den Anblick der Soldaten und ihrer ver¬<lb/>
schiedenen Verrichtungen zu meinem künftigen Heidenthume gewisser¬<lb/>
maßen vorzubereiten. Noch vor Ablauf der mir gegebenen Frist wurde<lb/>
ein Seelenamt sür einen hohen Militär gefeiert, wozu auch die Ar¬<lb/>
tillerie mit ihrer Musikbande ausrückte. Nach Beendigung der Feier¬<lb/>
lichkeit marschirte die Truppe unter fortwährender Musik, die mich<lb/>
diesmal auf eine seltsame Art elektrisirte, in ihre Kasernen, und ich<lb/>
befand mich auf einmal, ohne zu wissen wie, in dem Kasernenhofe.<lb/>
Ich war vor freudigem Entzücken über alle die Herrlichkeiten, welche<lb/>
meiner in sehr kurzer Zeit warteten, in süße Träume versunken, aus<lb/>
denen mich ein sanfter Achselschlag aufrüttelte. Bravo, bravo! sagte<lb/>
zu mir der Negimentöadjutant, es ist schön von Ihnen, daß Sie<lb/>
kommen, &#x2014; es ist ein Beweis, daß Sie Lust zu unserer Branche<lb/>
haben. Kommen Sie nur mit, ich werde Sie gleich dem Herrn<lb/>
Obersten vorstellen. Ich folgte ihm mechanisch. Im Vorzimmer des<lb/>
Obersten angelangt, hieß er mich warten. Nach wenigen Minuten<lb/>
kam er zurück und befahl mir, ihm zu folgen, indem er mich zugleich<lb/>
versicherte, daß nunmehr Alles in der Ordnung wäre. Ein Korpo¬<lb/>
ral führte mich zum Arzte und gab mir unterwegs den Rath, dem<lb/>
Arzte allenfalls ein Fürwort in die Hand zu drücken, nachdem es<lb/>
nur von ihm abhänge, ob ich angenommen würde. Ich zog diesem<lb/>
Rathe zufolge einen Fünf-Guldenschein aus meiner Brieftasche, wel¬<lb/>
chen ich dem jungen Arzte, dem die Untersuchung meiner Tauglichkeit<lb/>
zu den Kriegsdiensten oblag, gleich bei meinem Eintritt in die Hand<lb/>
drückte. Ich mußte mich gänzlich entkleiden, auf- und abgehen, die<lb/>
Backen aufblasen und ihm sogar alle möglichen Einsichten erlauben.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0013] tem nicht so arg. als er sagt, — kommen Sie nur in acht Tagen, und ich stehe Ihnen gut dafür, Sie werden Ihr Glück machen. — Die Worte des Obersten hatten meine Hoffnungen sehr herab¬ gestimmt; denn ich konnte es nicht zusammenreimen, wie man in ei¬ nem szientifischen Corps der Ignoranz vor einer contagiösen Intelli¬ genz den Vorzug geben könne. Nach einiger Ueberlegung jedoch glaubte ich in der wohlmeinenden Rede des Obersten nichts Anderes zu finden, als eine vorläufige Prüfung meiner Sündhaftigkeit, und ich war entschlossen, in meinem Vorhaben nicht mehr zu wanken. — Was ich während der langen acht Tage eigentlich that, weiß ich nicht. So viel ist aber gewiß, daß ich aus einer Kaserne in die andere lief, um mich durch den Anblick der Soldaten und ihrer ver¬ schiedenen Verrichtungen zu meinem künftigen Heidenthume gewisser¬ maßen vorzubereiten. Noch vor Ablauf der mir gegebenen Frist wurde ein Seelenamt sür einen hohen Militär gefeiert, wozu auch die Ar¬ tillerie mit ihrer Musikbande ausrückte. Nach Beendigung der Feier¬ lichkeit marschirte die Truppe unter fortwährender Musik, die mich diesmal auf eine seltsame Art elektrisirte, in ihre Kasernen, und ich befand mich auf einmal, ohne zu wissen wie, in dem Kasernenhofe. Ich war vor freudigem Entzücken über alle die Herrlichkeiten, welche meiner in sehr kurzer Zeit warteten, in süße Träume versunken, aus denen mich ein sanfter Achselschlag aufrüttelte. Bravo, bravo! sagte zu mir der Negimentöadjutant, es ist schön von Ihnen, daß Sie kommen, — es ist ein Beweis, daß Sie Lust zu unserer Branche haben. Kommen Sie nur mit, ich werde Sie gleich dem Herrn Obersten vorstellen. Ich folgte ihm mechanisch. Im Vorzimmer des Obersten angelangt, hieß er mich warten. Nach wenigen Minuten kam er zurück und befahl mir, ihm zu folgen, indem er mich zugleich versicherte, daß nunmehr Alles in der Ordnung wäre. Ein Korpo¬ ral führte mich zum Arzte und gab mir unterwegs den Rath, dem Arzte allenfalls ein Fürwort in die Hand zu drücken, nachdem es nur von ihm abhänge, ob ich angenommen würde. Ich zog diesem Rathe zufolge einen Fünf-Guldenschein aus meiner Brieftasche, wel¬ chen ich dem jungen Arzte, dem die Untersuchung meiner Tauglichkeit zu den Kriegsdiensten oblag, gleich bei meinem Eintritt in die Hand drückte. Ich mußte mich gänzlich entkleiden, auf- und abgehen, die Backen aufblasen und ihm sogar alle möglichen Einsichten erlauben.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/13
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/13>, abgerufen am 23.07.2024.