Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.an der Welt und am Leben war es, welche den Himmel geschaffen Wenn man einen Gott setzte, so legte man ihm lauter Pra'di- an der Welt und am Leben war es, welche den Himmel geschaffen Wenn man einen Gott setzte, so legte man ihm lauter Pra'di- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0117" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/180676"/> <p xml:id="ID_250" prev="#ID_249"> an der Welt und am Leben war es, welche den Himmel geschaffen<lb/> und ihn nichts desto weniger mit den Reizen dieser Erde ausgestat¬<lb/> tet. Der Philosoph aber sollte vor Allem des Ausspruchs eines sei¬<lb/> ner alten Meister: i«s Iium-ums »o» esso I»xeu«l!t8, «ed j„tol-<lb/> lis.'mais eingedenk sein. Da ist mehr Wahrheit und Lebensweisheit<lb/> als in allen Systemen zusammen. War der kirchliche Gott ein Pro¬<lb/> dukt aller der Widersprüche, die in der Wirklichkeit keine Statt fan¬<lb/> den und deshalb außerhalb derselben in einer anderen Welt einen<lb/> Haltpunkt suchten, so ist dieser philosophische Gott ein wahrer Sün¬<lb/> denpfuhl des Hegel'schen Denkens. Von je hat es die Menschheit<lb/> bequem gefunden, im Namen Gottes ihr Unrecht auszuüben — ein<lb/> um so abscheulicheres, da man ihm den Stempel der Heiligkeit auf¬<lb/> drückte. Die Speculation führte in die „verwirrenden Räume der<lb/> Ewigkeit" und barg dort die Gewalt, die sie der Welt anthat. Es<lb/> ist dies aber das große Verdienst des letzten Systems — und wir<lb/> sprechen hier in allem Ernste — daß es die höchste Potenz, das Ex¬<lb/> trem des bisherigen Philosophirens in sich dargestellt und dadurch die<lb/> Menschen für immer davon frei gemacht hat. Die Verzweiflung an<lb/> der Welt wendete einst den Sinn der Religion des Jenseits zu —<lb/> die Verzweiflung an dem Jenseits des Gedankens muß uns nunmehr<lb/> der Anschauung, der Erfahrung wieder zuführen. Man wird uns<lb/> Deutsche fürder nicht mehr schelten, daß wir einer überfliegenden<lb/> Speculation huldigen; man wird uns bald nicht mehr nachsagen,<lb/> daß wir in anderen Welten besser bewandert sind, denn in der eige¬<lb/> nen. — Man wird uns nicht mehr hohler und aberwitziger Theo¬<lb/> rien bezüchtigen dürfen — eine unüberwindliche Sehnsucht nach dem<lb/> Greifbaren und Fühlbaren, nach dem concreten, sinnlichen Dasein<lb/> muß uns packen. — Auch der Wahn läßt sich homöopathisch heilen,<lb/> und es sind der Fälle wohl schon mehrere vorhanden, daß Irre von<lb/> dem in's Groteske getriebenen Spiegelbilde ihrer Narrheit wieder<lb/> gesundeten. Hegel ist unser größter rationaler Jrrenarzt: das deut¬<lb/> sche Volk muß ihm ein Denkmal errichten! —</p><lb/> <p xml:id="ID_251" next="#ID_252"> Wenn man einen Gott setzte, so legte man ihm lauter Pra'di-<lb/> eate bei, die wohl dein Leben entnommen, aber doch auch zugleich von<lb/> den nochwendigen Bedingungen, unter welchen sie hier erscheinen, los¬<lb/> gelöst waren. Dasselbe geschieht in der Logik. Hier sind es die Kate-<lb/> gorien, der in seine Einzelheit auseinander gelegte vorgebliche Inhalt,</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0117]
an der Welt und am Leben war es, welche den Himmel geschaffen
und ihn nichts desto weniger mit den Reizen dieser Erde ausgestat¬
tet. Der Philosoph aber sollte vor Allem des Ausspruchs eines sei¬
ner alten Meister: i«s Iium-ums »o» esso I»xeu«l!t8, «ed j„tol-
lis.'mais eingedenk sein. Da ist mehr Wahrheit und Lebensweisheit
als in allen Systemen zusammen. War der kirchliche Gott ein Pro¬
dukt aller der Widersprüche, die in der Wirklichkeit keine Statt fan¬
den und deshalb außerhalb derselben in einer anderen Welt einen
Haltpunkt suchten, so ist dieser philosophische Gott ein wahrer Sün¬
denpfuhl des Hegel'schen Denkens. Von je hat es die Menschheit
bequem gefunden, im Namen Gottes ihr Unrecht auszuüben — ein
um so abscheulicheres, da man ihm den Stempel der Heiligkeit auf¬
drückte. Die Speculation führte in die „verwirrenden Räume der
Ewigkeit" und barg dort die Gewalt, die sie der Welt anthat. Es
ist dies aber das große Verdienst des letzten Systems — und wir
sprechen hier in allem Ernste — daß es die höchste Potenz, das Ex¬
trem des bisherigen Philosophirens in sich dargestellt und dadurch die
Menschen für immer davon frei gemacht hat. Die Verzweiflung an
der Welt wendete einst den Sinn der Religion des Jenseits zu —
die Verzweiflung an dem Jenseits des Gedankens muß uns nunmehr
der Anschauung, der Erfahrung wieder zuführen. Man wird uns
Deutsche fürder nicht mehr schelten, daß wir einer überfliegenden
Speculation huldigen; man wird uns bald nicht mehr nachsagen,
daß wir in anderen Welten besser bewandert sind, denn in der eige¬
nen. — Man wird uns nicht mehr hohler und aberwitziger Theo¬
rien bezüchtigen dürfen — eine unüberwindliche Sehnsucht nach dem
Greifbaren und Fühlbaren, nach dem concreten, sinnlichen Dasein
muß uns packen. — Auch der Wahn läßt sich homöopathisch heilen,
und es sind der Fälle wohl schon mehrere vorhanden, daß Irre von
dem in's Groteske getriebenen Spiegelbilde ihrer Narrheit wieder
gesundeten. Hegel ist unser größter rationaler Jrrenarzt: das deut¬
sche Volk muß ihm ein Denkmal errichten! —
Wenn man einen Gott setzte, so legte man ihm lauter Pra'di-
eate bei, die wohl dein Leben entnommen, aber doch auch zugleich von
den nochwendigen Bedingungen, unter welchen sie hier erscheinen, los¬
gelöst waren. Dasselbe geschieht in der Logik. Hier sind es die Kate-
gorien, der in seine Einzelheit auseinander gelegte vorgebliche Inhalt,
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