Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.nunft. dieser reine Gedanke? Das Reine trübt sich doch wohl nicht *) llvg. 1"i->. l- S. 33.
nunft. dieser reine Gedanke? Das Reine trübt sich doch wohl nicht *) llvg. 1»i->. l- S. 33.
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0116" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/180675"/> <p xml:id="ID_249" prev="#ID_248" next="#ID_250"> nunft. dieser reine Gedanke? Das Reine trübt sich doch wohl nicht<lb/> durch sich selber, sondern empfängt den trübenden Beisatz erst- anders¬<lb/> woher. Es ist dies die alte Frage: wie es möglich sei, daß der<lb/> Unterschied aus der reinen Einheit hervorgehe; hier ist ein neuer<lb/> vergeblicher Versuch, sie zu beantworten. Man wird diesen breiten Gra¬<lb/> ben, vor dem die Philosophie von je gestanden, nie überspringen. Das<lb/> Licht ist an und für sich ein einiges — aber doch erst dadurch, daß<lb/> seine Strahlen an den Gegenständen mannigfach gebrochen werden,<lb/> entsteht der Wechsel der Farbe. - Wie sollte das Licht sich in sich<lb/> selber brechen? — Das heißt denn doch die Sache gerade umkehren,<lb/> die Welt aus dem Gedanken aufzubauen, da vielmehr der Gedanke<lb/> selbst ein Product der Welt ist. Man braucht nur aufmerksam der<lb/> Genesis des Begriffs nachzugehen, um zu der unumstößlichen Gewi߬<lb/> heit zu gelangen, daß er kein fertiger, kein absolutes Prinzip ist,<lb/> daß er vielmehr erst aus der Anschauung selbst hervorgeht. Es sei<lb/> erlaubt, einmal Unmögliches zuzumuthen! Man nehme einen Men¬<lb/> schen, der aller Sinne beraubt und somit der Berührung der Welt<lb/> völlig entnommen ist, und die Unmöglichkeit des Denkens ist unzweifel¬<lb/> haft, gälte es auch nur, diesen reinen Gedanken zu fassen. Denn so<lb/> sehr er nach Emporkömmlingsweise seinen natürlichen Ursprung in<lb/> den Schatten zu stellen sich abquält, so hat er als letzte Abstraktion<lb/> von allem Gegebenen gerade die ganze Welt zu seiner Voraus¬<lb/> setzung. — Ein solch sinnloser Unmensch aber wäre ein von den<lb/> Schranken der Einzelheit freier und somit der einzig wahre Träger<lb/> der Hegel'schen reinen Vernunft. Die Logik ist „die Darstellung Got¬<lb/> tes, wie er in seinem ewigen Wesen vor Erschaffung der Natur und<lb/> eines endlichen Geistes" ist. Aber ein solcher Gott, ist er nicht<lb/> selbst wieder erst eine Idee, die aus dem Dasein der Welt erschlossen<lb/> wurde? Daß der Glaube diesen Schluß unterschlug und den umge¬<lb/> kehrten an die Stelle setzte, ist eine Selbstvergessenheit —wie sie doch der<lb/> Philosophie nicht zukommt. Mail irrt nicht, wenn man unter den<lb/> Naturforschern die meisten sogenannten Atheisten zählt — es liegt<lb/> dies in der Natur der Sache. Wer sich wahrhaft in die Natur ver¬<lb/> senkt hat, der hat nicht erst nöthig, ihre Realität aus einem Jenseits<lb/> des Traumes und ver Phantasie herzuleiten. Nur die Verzweiflung</p><lb/> <note xml:id="FID_13" place="foot"> *) llvg. 1»i->. l- S. 33.</note><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0116]
nunft. dieser reine Gedanke? Das Reine trübt sich doch wohl nicht
durch sich selber, sondern empfängt den trübenden Beisatz erst- anders¬
woher. Es ist dies die alte Frage: wie es möglich sei, daß der
Unterschied aus der reinen Einheit hervorgehe; hier ist ein neuer
vergeblicher Versuch, sie zu beantworten. Man wird diesen breiten Gra¬
ben, vor dem die Philosophie von je gestanden, nie überspringen. Das
Licht ist an und für sich ein einiges — aber doch erst dadurch, daß
seine Strahlen an den Gegenständen mannigfach gebrochen werden,
entsteht der Wechsel der Farbe. - Wie sollte das Licht sich in sich
selber brechen? — Das heißt denn doch die Sache gerade umkehren,
die Welt aus dem Gedanken aufzubauen, da vielmehr der Gedanke
selbst ein Product der Welt ist. Man braucht nur aufmerksam der
Genesis des Begriffs nachzugehen, um zu der unumstößlichen Gewi߬
heit zu gelangen, daß er kein fertiger, kein absolutes Prinzip ist,
daß er vielmehr erst aus der Anschauung selbst hervorgeht. Es sei
erlaubt, einmal Unmögliches zuzumuthen! Man nehme einen Men¬
schen, der aller Sinne beraubt und somit der Berührung der Welt
völlig entnommen ist, und die Unmöglichkeit des Denkens ist unzweifel¬
haft, gälte es auch nur, diesen reinen Gedanken zu fassen. Denn so
sehr er nach Emporkömmlingsweise seinen natürlichen Ursprung in
den Schatten zu stellen sich abquält, so hat er als letzte Abstraktion
von allem Gegebenen gerade die ganze Welt zu seiner Voraus¬
setzung. — Ein solch sinnloser Unmensch aber wäre ein von den
Schranken der Einzelheit freier und somit der einzig wahre Träger
der Hegel'schen reinen Vernunft. Die Logik ist „die Darstellung Got¬
tes, wie er in seinem ewigen Wesen vor Erschaffung der Natur und
eines endlichen Geistes" ist. Aber ein solcher Gott, ist er nicht
selbst wieder erst eine Idee, die aus dem Dasein der Welt erschlossen
wurde? Daß der Glaube diesen Schluß unterschlug und den umge¬
kehrten an die Stelle setzte, ist eine Selbstvergessenheit —wie sie doch der
Philosophie nicht zukommt. Mail irrt nicht, wenn man unter den
Naturforschern die meisten sogenannten Atheisten zählt — es liegt
dies in der Natur der Sache. Wer sich wahrhaft in die Natur ver¬
senkt hat, der hat nicht erst nöthig, ihre Realität aus einem Jenseits
des Traumes und ver Phantasie herzuleiten. Nur die Verzweiflung
*) llvg. 1»i->. l- S. 33.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |