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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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Korporale zur höchsten Anstrengung reizte, -- mit einer unschuldigen
Naivetät davon getragen, -- dann war er ein braver Kerl, und die
Herzen aller verwandten Seelen schlugen ihm entgegen, selbst die¬
jenigen, die in der Kunst, Schläge auszuhalten, ohne einen Zug zu
verändern, Meister waren und oft, nicht hundert, sondern tausend
Prügel classisch ausgehalten zu haben sich rühmen konnten, nannten
ihn dann Bruder und würdigten ihn ihres belehrenden Umgangs.

Es gab in der Zeit meines Eintrittes in die Artillerie Viele,
die ungeachtet dessen, daß diejenigen Individuen, welche sich eines
Diebstahls, oder einer Desertion und derlei schwerer Verbrechen
schuldig gemacht haben, nach ihrer Abstrafung aus der Branche aus¬
geschieden worden, -- wegen sogenannter Svldatenstückchen, als:
Excesse, Insubordination, Tabakrauchen, unvorschristmäßiges Hut¬
aufsetzen :c., -- mithin nicht wegen schlechter Streiche, den An¬
tipoden ihres Kopfes mit zahlreichen Stockstreichen haben entgelten
lassen, und diese standen in der Compagnie in großem Ansehen bei
ihren Kameraden. Wenn man von einem gebildeten Kanonier sagen
durfte, -- er hat schon wenigstens zehn Mal eine Negimentsstrafe,
nämlich fünfzig Stockstreiche, ohne sich zu mucksen, erhalten, so mußte
ein Laie einen Respect vor ihm haben. Diese Art Virtuosen, welche
mit der Zeit Säufer zu werden pflegen, machten sich gewöhnlich ein
Vergnügen daraus, für ein kleines Recreationsgcld auf Branntwein
Privatlectionen darin zu geben, und ließen sich auf Wachstuben oder
sonst dazu geeigneten Salons gegen eine kleine Belohnung auf den¬
jenigen Ort, der sonst nur gesetzmäßig den Korporalen vermöge ihrer
Autorität zugänglich war, einige Stockstreiche auch von Profanen
appliciren. -- Solche Menschen hatte jede Compagnie aufzuweisen,
und sie trugen unwillkürlich sehr viel dazu bei, daß das Prügelsystem
in seinem Ansehen nicht nur aufrecht erhalten, sondern auch das
stoische Prügelhalten zu einer Bravour erhoben wurde. -- Ein Ka¬
nonier, der nicht das Glück hatte, sich ausweisen zu'können daß er
wenigstens einmal auf der Bank gelegen, durfte durchaus nicht
auf die Achtung seiner meisten Kameraden Anspruch machen; denn
da hieß es: der will auch was reden und hat nicht einmal fünfund¬
zwanzig bekommen. -- In der Compagnie, wo ich diente, befand
sich ein gewisser Fischer Hans, -- Gott tröste ihn, er ist be¬
reits todt, -- der die Liebe seiner Kameraden im höchsten Grade


Korporale zur höchsten Anstrengung reizte, — mit einer unschuldigen
Naivetät davon getragen, — dann war er ein braver Kerl, und die
Herzen aller verwandten Seelen schlugen ihm entgegen, selbst die¬
jenigen, die in der Kunst, Schläge auszuhalten, ohne einen Zug zu
verändern, Meister waren und oft, nicht hundert, sondern tausend
Prügel classisch ausgehalten zu haben sich rühmen konnten, nannten
ihn dann Bruder und würdigten ihn ihres belehrenden Umgangs.

Es gab in der Zeit meines Eintrittes in die Artillerie Viele,
die ungeachtet dessen, daß diejenigen Individuen, welche sich eines
Diebstahls, oder einer Desertion und derlei schwerer Verbrechen
schuldig gemacht haben, nach ihrer Abstrafung aus der Branche aus¬
geschieden worden, — wegen sogenannter Svldatenstückchen, als:
Excesse, Insubordination, Tabakrauchen, unvorschristmäßiges Hut¬
aufsetzen :c., — mithin nicht wegen schlechter Streiche, den An¬
tipoden ihres Kopfes mit zahlreichen Stockstreichen haben entgelten
lassen, und diese standen in der Compagnie in großem Ansehen bei
ihren Kameraden. Wenn man von einem gebildeten Kanonier sagen
durfte, — er hat schon wenigstens zehn Mal eine Negimentsstrafe,
nämlich fünfzig Stockstreiche, ohne sich zu mucksen, erhalten, so mußte
ein Laie einen Respect vor ihm haben. Diese Art Virtuosen, welche
mit der Zeit Säufer zu werden pflegen, machten sich gewöhnlich ein
Vergnügen daraus, für ein kleines Recreationsgcld auf Branntwein
Privatlectionen darin zu geben, und ließen sich auf Wachstuben oder
sonst dazu geeigneten Salons gegen eine kleine Belohnung auf den¬
jenigen Ort, der sonst nur gesetzmäßig den Korporalen vermöge ihrer
Autorität zugänglich war, einige Stockstreiche auch von Profanen
appliciren. — Solche Menschen hatte jede Compagnie aufzuweisen,
und sie trugen unwillkürlich sehr viel dazu bei, daß das Prügelsystem
in seinem Ansehen nicht nur aufrecht erhalten, sondern auch das
stoische Prügelhalten zu einer Bravour erhoben wurde. — Ein Ka¬
nonier, der nicht das Glück hatte, sich ausweisen zu'können daß er
wenigstens einmal auf der Bank gelegen, durfte durchaus nicht
auf die Achtung seiner meisten Kameraden Anspruch machen; denn
da hieß es: der will auch was reden und hat nicht einmal fünfund¬
zwanzig bekommen. — In der Compagnie, wo ich diente, befand
sich ein gewisser Fischer Hans, — Gott tröste ihn, er ist be¬
reits todt, — der die Liebe seiner Kameraden im höchsten Grade


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[0109] Korporale zur höchsten Anstrengung reizte, — mit einer unschuldigen Naivetät davon getragen, — dann war er ein braver Kerl, und die Herzen aller verwandten Seelen schlugen ihm entgegen, selbst die¬ jenigen, die in der Kunst, Schläge auszuhalten, ohne einen Zug zu verändern, Meister waren und oft, nicht hundert, sondern tausend Prügel classisch ausgehalten zu haben sich rühmen konnten, nannten ihn dann Bruder und würdigten ihn ihres belehrenden Umgangs. Es gab in der Zeit meines Eintrittes in die Artillerie Viele, die ungeachtet dessen, daß diejenigen Individuen, welche sich eines Diebstahls, oder einer Desertion und derlei schwerer Verbrechen schuldig gemacht haben, nach ihrer Abstrafung aus der Branche aus¬ geschieden worden, — wegen sogenannter Svldatenstückchen, als: Excesse, Insubordination, Tabakrauchen, unvorschristmäßiges Hut¬ aufsetzen :c., — mithin nicht wegen schlechter Streiche, den An¬ tipoden ihres Kopfes mit zahlreichen Stockstreichen haben entgelten lassen, und diese standen in der Compagnie in großem Ansehen bei ihren Kameraden. Wenn man von einem gebildeten Kanonier sagen durfte, — er hat schon wenigstens zehn Mal eine Negimentsstrafe, nämlich fünfzig Stockstreiche, ohne sich zu mucksen, erhalten, so mußte ein Laie einen Respect vor ihm haben. Diese Art Virtuosen, welche mit der Zeit Säufer zu werden pflegen, machten sich gewöhnlich ein Vergnügen daraus, für ein kleines Recreationsgcld auf Branntwein Privatlectionen darin zu geben, und ließen sich auf Wachstuben oder sonst dazu geeigneten Salons gegen eine kleine Belohnung auf den¬ jenigen Ort, der sonst nur gesetzmäßig den Korporalen vermöge ihrer Autorität zugänglich war, einige Stockstreiche auch von Profanen appliciren. — Solche Menschen hatte jede Compagnie aufzuweisen, und sie trugen unwillkürlich sehr viel dazu bei, daß das Prügelsystem in seinem Ansehen nicht nur aufrecht erhalten, sondern auch das stoische Prügelhalten zu einer Bravour erhoben wurde. — Ein Ka¬ nonier, der nicht das Glück hatte, sich ausweisen zu'können daß er wenigstens einmal auf der Bank gelegen, durfte durchaus nicht auf die Achtung seiner meisten Kameraden Anspruch machen; denn da hieß es: der will auch was reden und hat nicht einmal fünfund¬ zwanzig bekommen. — In der Compagnie, wo ich diente, befand sich ein gewisser Fischer Hans, — Gott tröste ihn, er ist be¬ reits todt, — der die Liebe seiner Kameraden im höchsten Grade

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/109>, abgerufen am 23.12.2024.