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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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Arago'S dirrchdringenden und forschenden Geist. ES ist bekannt,
wie eifrig sich von jeher die Gelehrten mit den Theorien des Sehens
beschäftigt haben. Seit Newton hatte das System der Emission ge¬
herrscht, trotz der Bestrebungen von Decartes, Euler und Andern,
welche die Theorie der Undulation vertheidigten, und man betrachtete
im Allgemeinen das Gefühl des Sehens als das Product der di¬
rekten Einwirkung der von einem leuchtenden Körper ausgehenden
Lichtstrahlen. Als aber Malus bei der Beobachtung der Verände¬
rungen, welche das Licht bei seinem Durchgang durch einen crystalli-
strten Körper erleidet, die Polarisation des Lichtes entdeckte, kam man
auf Erscheinungen, welche die Theorie der Emission widerlegten, und
die der Undulation wieder zu Ehren brachten und mit neuen Bewei¬
sen verstärkten. Letztere Theorie besteht in der Annahme, daß das
Gefühl des Sehens nicht durch eine directe Einwirkung der Strahlen
auf das Auge entstehe, sondern durch die Erschütterung eines seinen
Fluidums, des Aethers, welche den leuchtenden Körper umgibt, und
von diesem durch fortwährende Vibrationen in Bewegung gesetzt wird,
welche dann auf das Auge wirken, wie die erschütterte Luft auf
das Ohr. Arago war einer von denen, die das neue System mit
dem größten Eifer vertheidigten; er stellte zahlreiche Untersuchungen
an, um eS durch neue Beweise zu bestätigen; er veröffentlichte zu
demselben Zweck eine Denkschrift von hohem Interesse, auf deren
zweiten Theil die gelehrte Welt leider seit dreißig Jahren vergeblich
wartet, und bestand zahlreiche Kämpfe, die nicht immer sehr höflich
geführt wurden, mit seinem Kollegen Biot, dein Vertheidiger der
Emisstonstheoric. Doch ist die Undulallonötheorie bis jetzt, in Er¬
wartung eines Besseren, Siegerin geblieben.

Um dieselbe Zeit wurde Arago bei seinen optischen Untersu¬
chungen auf Beobachtungen der eigenthümlichen Eigenschaften des
Turmalins geführt, welcher die durch ihn gehenden Lichtstrahlen in
zwei Theile theilt. Arago bemerkte, daß wenn die hindurchfallenden
Strahlen von einem festen Körper ausgingen, sie sich auch nach der
Theilung nicht veränderten; gehen sie jedoch von einem gasigen Kör¬
per aus, so brechen sie sich, indem sie durch den Turmalin gehen,
in zwei verschiedenen Farben. Indem Arago nun auch die Strah¬
len der Himmelskörper der Prüfung durch den Turmalin unterwarf,
wurde er auf den Schluß geleitet, daß die Sonne Nichts sei, als


Arago'S dirrchdringenden und forschenden Geist. ES ist bekannt,
wie eifrig sich von jeher die Gelehrten mit den Theorien des Sehens
beschäftigt haben. Seit Newton hatte das System der Emission ge¬
herrscht, trotz der Bestrebungen von Decartes, Euler und Andern,
welche die Theorie der Undulation vertheidigten, und man betrachtete
im Allgemeinen das Gefühl des Sehens als das Product der di¬
rekten Einwirkung der von einem leuchtenden Körper ausgehenden
Lichtstrahlen. Als aber Malus bei der Beobachtung der Verände¬
rungen, welche das Licht bei seinem Durchgang durch einen crystalli-
strten Körper erleidet, die Polarisation des Lichtes entdeckte, kam man
auf Erscheinungen, welche die Theorie der Emission widerlegten, und
die der Undulation wieder zu Ehren brachten und mit neuen Bewei¬
sen verstärkten. Letztere Theorie besteht in der Annahme, daß das
Gefühl des Sehens nicht durch eine directe Einwirkung der Strahlen
auf das Auge entstehe, sondern durch die Erschütterung eines seinen
Fluidums, des Aethers, welche den leuchtenden Körper umgibt, und
von diesem durch fortwährende Vibrationen in Bewegung gesetzt wird,
welche dann auf das Auge wirken, wie die erschütterte Luft auf
das Ohr. Arago war einer von denen, die das neue System mit
dem größten Eifer vertheidigten; er stellte zahlreiche Untersuchungen
an, um eS durch neue Beweise zu bestätigen; er veröffentlichte zu
demselben Zweck eine Denkschrift von hohem Interesse, auf deren
zweiten Theil die gelehrte Welt leider seit dreißig Jahren vergeblich
wartet, und bestand zahlreiche Kämpfe, die nicht immer sehr höflich
geführt wurden, mit seinem Kollegen Biot, dein Vertheidiger der
Emisstonstheoric. Doch ist die Undulallonötheorie bis jetzt, in Er¬
wartung eines Besseren, Siegerin geblieben.

Um dieselbe Zeit wurde Arago bei seinen optischen Untersu¬
chungen auf Beobachtungen der eigenthümlichen Eigenschaften des
Turmalins geführt, welcher die durch ihn gehenden Lichtstrahlen in
zwei Theile theilt. Arago bemerkte, daß wenn die hindurchfallenden
Strahlen von einem festen Körper ausgingen, sie sich auch nach der
Theilung nicht veränderten; gehen sie jedoch von einem gasigen Kör¬
per aus, so brechen sie sich, indem sie durch den Turmalin gehen,
in zwei verschiedenen Farben. Indem Arago nun auch die Strah¬
len der Himmelskörper der Prüfung durch den Turmalin unterwarf,
wurde er auf den Schluß geleitet, daß die Sonne Nichts sei, als


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[0090] Arago'S dirrchdringenden und forschenden Geist. ES ist bekannt, wie eifrig sich von jeher die Gelehrten mit den Theorien des Sehens beschäftigt haben. Seit Newton hatte das System der Emission ge¬ herrscht, trotz der Bestrebungen von Decartes, Euler und Andern, welche die Theorie der Undulation vertheidigten, und man betrachtete im Allgemeinen das Gefühl des Sehens als das Product der di¬ rekten Einwirkung der von einem leuchtenden Körper ausgehenden Lichtstrahlen. Als aber Malus bei der Beobachtung der Verände¬ rungen, welche das Licht bei seinem Durchgang durch einen crystalli- strten Körper erleidet, die Polarisation des Lichtes entdeckte, kam man auf Erscheinungen, welche die Theorie der Emission widerlegten, und die der Undulation wieder zu Ehren brachten und mit neuen Bewei¬ sen verstärkten. Letztere Theorie besteht in der Annahme, daß das Gefühl des Sehens nicht durch eine directe Einwirkung der Strahlen auf das Auge entstehe, sondern durch die Erschütterung eines seinen Fluidums, des Aethers, welche den leuchtenden Körper umgibt, und von diesem durch fortwährende Vibrationen in Bewegung gesetzt wird, welche dann auf das Auge wirken, wie die erschütterte Luft auf das Ohr. Arago war einer von denen, die das neue System mit dem größten Eifer vertheidigten; er stellte zahlreiche Untersuchungen an, um eS durch neue Beweise zu bestätigen; er veröffentlichte zu demselben Zweck eine Denkschrift von hohem Interesse, auf deren zweiten Theil die gelehrte Welt leider seit dreißig Jahren vergeblich wartet, und bestand zahlreiche Kämpfe, die nicht immer sehr höflich geführt wurden, mit seinem Kollegen Biot, dein Vertheidiger der Emisstonstheoric. Doch ist die Undulallonötheorie bis jetzt, in Er¬ wartung eines Besseren, Siegerin geblieben. Um dieselbe Zeit wurde Arago bei seinen optischen Untersu¬ chungen auf Beobachtungen der eigenthümlichen Eigenschaften des Turmalins geführt, welcher die durch ihn gehenden Lichtstrahlen in zwei Theile theilt. Arago bemerkte, daß wenn die hindurchfallenden Strahlen von einem festen Körper ausgingen, sie sich auch nach der Theilung nicht veränderten; gehen sie jedoch von einem gasigen Kör¬ per aus, so brechen sie sich, indem sie durch den Turmalin gehen, in zwei verschiedenen Farben. Indem Arago nun auch die Strah¬ len der Himmelskörper der Prüfung durch den Turmalin unterwarf, wurde er auf den Schluß geleitet, daß die Sonne Nichts sei, als

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/90>, abgerufen am 25.12.2024.