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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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betrachten; gegen den Dünkel, in welchem manches Gouvernement
seine Beschlüsse für unfehlbar halt. Von einem Acte, wie der in
Bezug auf den Börscnschwindcl, dessen unglückliche Folgen ihm so
schnell auf dem Fuße gefolgt waren, über dessen Unangemessenheit je¬
der Börsenmakler richten kann, kurz von einem Gesetze, das auf den
lautesten Markt kam, lernt selbst der gemeine Mann auf andere Dinge
schließen. Wie viele Erlasse mögen aus dem Ressort des Ministeriums
jährlich gehen, deren Erfolge, wenn auch erst spater, minder heftig
und plötzlich, darum nicht weniger nachtheilig sich bewähren? Dieses
Mal ist alle Welt Richter und Verständiger; wie aber bei Dingen,
die nicht auf den lauten Markt kommen und über die nicht Jeder¬
mann urtheilen kann? Wir gehören nicht zu Denjenigen, die in jeder
Maßregel eines Ministeriums reaktionäre und absolutistische Tendenzen
wittern; wir setzen sogar den besten Willen und die wohlmeinendsten
Absichten voraus, aber die unfehlbare Ecipacität streiten wir Jeder¬
mann, selbst den Höchstgestellten ab; wir glauben nicht, daß ein Mi¬
nister und seine wenigen Räthe klüger sind, als der Gesammtverstand
der Nation, daß diese unbedingt als gut anerkennen müsse, was Jene
im geheimen Scrutin beschlossen. Die Organe der öffentlichen Mei¬
nung, sei es nun die Presse, seien es Stände oder Deputirte, müssen
die Regierung unterstützen, müssen ihr Aufklärung und Rath geben
über alle Dinge, die selbst ein Minister mit dem schärfsten Verstand
und mit dem patriotischsten Herzen (und nicht viele Minister sind so
ausgestattet) unmöglich ergründen kann. Das Börsenedict geht den
Leuten an den Beutel, darum schreien sie lauter als bei Dingen, die
blos Geist und Seele betreffen. Aber die höhere Einsicht eines Gou¬
vernements muß wissen, welche Bedeutung letztere im Staatsleben
haben. Möge es durch das wirksame und heftige Geschrei auf der
einen Seite auch stutzig werden in seinem Selbstvertrauen auf der
anderen, möge es die Hand auf's Herz legen und sein Gewissen be¬
fragen, ob es sich auf dem Gebiete des Justiz-, des Unterrichts-, des
Militär-, des Beamtenwesens nicht ahnliche unglückliche Irrthümer
und Mißgriffe zu Schulden kommen läßt, möge es in Zukunft eine
ernsthaftere und dankbarere Aufmerksamkeit schenken den Meinungen
jener großen Börse, die man die Presse nennt, und in der moralischere
und intelligentere Stimmen sich aussprechen, als die interessirter
Geldspeculanten und Attienspieler.


III.
Die Werke Friedrich's des Großen.

Friedrich's des Großen Werke sollen in Berlin das Licht der
Welt erblicken, d. h. in einer nicht zu kostspieligen, dem ganzen Pub-
licum zugänglichen Gesammtausgabe erscheinen. So wird seit meh-


betrachten; gegen den Dünkel, in welchem manches Gouvernement
seine Beschlüsse für unfehlbar halt. Von einem Acte, wie der in
Bezug auf den Börscnschwindcl, dessen unglückliche Folgen ihm so
schnell auf dem Fuße gefolgt waren, über dessen Unangemessenheit je¬
der Börsenmakler richten kann, kurz von einem Gesetze, das auf den
lautesten Markt kam, lernt selbst der gemeine Mann auf andere Dinge
schließen. Wie viele Erlasse mögen aus dem Ressort des Ministeriums
jährlich gehen, deren Erfolge, wenn auch erst spater, minder heftig
und plötzlich, darum nicht weniger nachtheilig sich bewähren? Dieses
Mal ist alle Welt Richter und Verständiger; wie aber bei Dingen,
die nicht auf den lauten Markt kommen und über die nicht Jeder¬
mann urtheilen kann? Wir gehören nicht zu Denjenigen, die in jeder
Maßregel eines Ministeriums reaktionäre und absolutistische Tendenzen
wittern; wir setzen sogar den besten Willen und die wohlmeinendsten
Absichten voraus, aber die unfehlbare Ecipacität streiten wir Jeder¬
mann, selbst den Höchstgestellten ab; wir glauben nicht, daß ein Mi¬
nister und seine wenigen Räthe klüger sind, als der Gesammtverstand
der Nation, daß diese unbedingt als gut anerkennen müsse, was Jene
im geheimen Scrutin beschlossen. Die Organe der öffentlichen Mei¬
nung, sei es nun die Presse, seien es Stände oder Deputirte, müssen
die Regierung unterstützen, müssen ihr Aufklärung und Rath geben
über alle Dinge, die selbst ein Minister mit dem schärfsten Verstand
und mit dem patriotischsten Herzen (und nicht viele Minister sind so
ausgestattet) unmöglich ergründen kann. Das Börsenedict geht den
Leuten an den Beutel, darum schreien sie lauter als bei Dingen, die
blos Geist und Seele betreffen. Aber die höhere Einsicht eines Gou¬
vernements muß wissen, welche Bedeutung letztere im Staatsleben
haben. Möge es durch das wirksame und heftige Geschrei auf der
einen Seite auch stutzig werden in seinem Selbstvertrauen auf der
anderen, möge es die Hand auf's Herz legen und sein Gewissen be¬
fragen, ob es sich auf dem Gebiete des Justiz-, des Unterrichts-, des
Militär-, des Beamtenwesens nicht ahnliche unglückliche Irrthümer
und Mißgriffe zu Schulden kommen läßt, möge es in Zukunft eine
ernsthaftere und dankbarere Aufmerksamkeit schenken den Meinungen
jener großen Börse, die man die Presse nennt, und in der moralischere
und intelligentere Stimmen sich aussprechen, als die interessirter
Geldspeculanten und Attienspieler.


III.
Die Werke Friedrich's des Großen.

Friedrich's des Großen Werke sollen in Berlin das Licht der
Welt erblicken, d. h. in einer nicht zu kostspieligen, dem ganzen Pub-
licum zugänglichen Gesammtausgabe erscheinen. So wird seit meh-


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[0836] betrachten; gegen den Dünkel, in welchem manches Gouvernement seine Beschlüsse für unfehlbar halt. Von einem Acte, wie der in Bezug auf den Börscnschwindcl, dessen unglückliche Folgen ihm so schnell auf dem Fuße gefolgt waren, über dessen Unangemessenheit je¬ der Börsenmakler richten kann, kurz von einem Gesetze, das auf den lautesten Markt kam, lernt selbst der gemeine Mann auf andere Dinge schließen. Wie viele Erlasse mögen aus dem Ressort des Ministeriums jährlich gehen, deren Erfolge, wenn auch erst spater, minder heftig und plötzlich, darum nicht weniger nachtheilig sich bewähren? Dieses Mal ist alle Welt Richter und Verständiger; wie aber bei Dingen, die nicht auf den lauten Markt kommen und über die nicht Jeder¬ mann urtheilen kann? Wir gehören nicht zu Denjenigen, die in jeder Maßregel eines Ministeriums reaktionäre und absolutistische Tendenzen wittern; wir setzen sogar den besten Willen und die wohlmeinendsten Absichten voraus, aber die unfehlbare Ecipacität streiten wir Jeder¬ mann, selbst den Höchstgestellten ab; wir glauben nicht, daß ein Mi¬ nister und seine wenigen Räthe klüger sind, als der Gesammtverstand der Nation, daß diese unbedingt als gut anerkennen müsse, was Jene im geheimen Scrutin beschlossen. Die Organe der öffentlichen Mei¬ nung, sei es nun die Presse, seien es Stände oder Deputirte, müssen die Regierung unterstützen, müssen ihr Aufklärung und Rath geben über alle Dinge, die selbst ein Minister mit dem schärfsten Verstand und mit dem patriotischsten Herzen (und nicht viele Minister sind so ausgestattet) unmöglich ergründen kann. Das Börsenedict geht den Leuten an den Beutel, darum schreien sie lauter als bei Dingen, die blos Geist und Seele betreffen. Aber die höhere Einsicht eines Gou¬ vernements muß wissen, welche Bedeutung letztere im Staatsleben haben. Möge es durch das wirksame und heftige Geschrei auf der einen Seite auch stutzig werden in seinem Selbstvertrauen auf der anderen, möge es die Hand auf's Herz legen und sein Gewissen be¬ fragen, ob es sich auf dem Gebiete des Justiz-, des Unterrichts-, des Militär-, des Beamtenwesens nicht ahnliche unglückliche Irrthümer und Mißgriffe zu Schulden kommen läßt, möge es in Zukunft eine ernsthaftere und dankbarere Aufmerksamkeit schenken den Meinungen jener großen Börse, die man die Presse nennt, und in der moralischere und intelligentere Stimmen sich aussprechen, als die interessirter Geldspeculanten und Attienspieler. III. Die Werke Friedrich's des Großen. Friedrich's des Großen Werke sollen in Berlin das Licht der Welt erblicken, d. h. in einer nicht zu kostspieligen, dem ganzen Pub- licum zugänglichen Gesammtausgabe erscheinen. So wird seit meh-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/836>, abgerufen am 21.11.2024.