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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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Partei mir ihren Führern getrieben werden. Ein Beispiel gaben die
groben Täuschungen, die man sich mit dem an sich achtungswerthen
und redlichen Slaven Seur erlaubt hatte; und wir glauben gern,
daß die Häupter der Slaven oft selbst die dämonische Hand nicht
kennen, die aus dunklen Regionen hervor sie schiebt und leitet. Dies
Alles beweis't aber nur, daß dem unseligen Sprachzwist tiefere Dinge
zu Grunde liegen, als blinder Fanatismus oder lächerliche Rechtha¬
berei. Beide Theile begehen schweres Unrecht, aber die Südsicwen
durch ihre Zwecke selbst, die Magyaren nur durch die Art, wie sie
ihre Zwecke verfolgen.

Die Magyaren kämpfen im Bewußtsein, daß es sich um ihr
Sein oder Nichtsein handelt, die Slaven im Glauben an eine große
Zukunft. Jene, bisher die Herren, nicht nur durch Besitz und Stel¬
lung, sondern durch die Ueberlegenheit moralischer Energie, waren
von jeher, obgleich nur ein kleines Häuflein, die Seele Ungarns;
das Gepräge ihres ritterlichen Charakters war allen Elementen aus¬
gedrückt, deutschen, wie slavischen, die sich aus der Dunkelheit erho¬
ben. Der Umschwung der Zeit hat anderen Elementen Macht gegeben;
es ist nicht mehr immer die Gewalt der Persönlichkeit, was in unseren
Tagen siegt: die zähe Ausdauer, die kluge Berechnung, das Gewicht
der Massen wie der materiellen Interessen, sind mächtiger als der
offene Muth und die heldenmüthige Begeisterung. Darum rafft der
Magyar all sein Feuer, all seine gebieterische Thatkraft zusammen,
und an die Herrschaft gewöhnt, tritt er manchmal zu herrisch auf:
der zähe, geduldige Slave aber, obgleich dem Andern an Zahl drei¬
fach überlegen und darauf pochend, wagt weniger den offenen Kampf,
als er durch elegische Anklagen, durch Anrufungen des Auslandes,
durch übertriebene Schilderungen seiner Leiden zu wirken sucht; ge¬
wöhnt, sich demüthig zu geberden, thut er es auch im Kampf auf Tod
und Leben. Das ist es, was den Magyar, diesen neuen Götz von
Berlichingen, mit Haß erfüllt und zu den äußersten Mitteln zu trei¬
ben droht. Er weiß, daß sein Volk nur eine Insel ist mitten in ei¬
nem endlosen Meere von Slaven, das nicht mit stürmischen Wogen
seine Felsenbrust schlägt, sondern langsam seine Wurzeln zu unterwüh¬
len und Hinwegzuwaschen sucht. Im Hintergrunde aber steht noch das
griechische Slaventhum Südungarns. Auf diese Slavenstämme ist
von den Serben, Moldauern und Wallachen eine Sympathie für


Partei mir ihren Führern getrieben werden. Ein Beispiel gaben die
groben Täuschungen, die man sich mit dem an sich achtungswerthen
und redlichen Slaven Seur erlaubt hatte; und wir glauben gern,
daß die Häupter der Slaven oft selbst die dämonische Hand nicht
kennen, die aus dunklen Regionen hervor sie schiebt und leitet. Dies
Alles beweis't aber nur, daß dem unseligen Sprachzwist tiefere Dinge
zu Grunde liegen, als blinder Fanatismus oder lächerliche Rechtha¬
berei. Beide Theile begehen schweres Unrecht, aber die Südsicwen
durch ihre Zwecke selbst, die Magyaren nur durch die Art, wie sie
ihre Zwecke verfolgen.

Die Magyaren kämpfen im Bewußtsein, daß es sich um ihr
Sein oder Nichtsein handelt, die Slaven im Glauben an eine große
Zukunft. Jene, bisher die Herren, nicht nur durch Besitz und Stel¬
lung, sondern durch die Ueberlegenheit moralischer Energie, waren
von jeher, obgleich nur ein kleines Häuflein, die Seele Ungarns;
das Gepräge ihres ritterlichen Charakters war allen Elementen aus¬
gedrückt, deutschen, wie slavischen, die sich aus der Dunkelheit erho¬
ben. Der Umschwung der Zeit hat anderen Elementen Macht gegeben;
es ist nicht mehr immer die Gewalt der Persönlichkeit, was in unseren
Tagen siegt: die zähe Ausdauer, die kluge Berechnung, das Gewicht
der Massen wie der materiellen Interessen, sind mächtiger als der
offene Muth und die heldenmüthige Begeisterung. Darum rafft der
Magyar all sein Feuer, all seine gebieterische Thatkraft zusammen,
und an die Herrschaft gewöhnt, tritt er manchmal zu herrisch auf:
der zähe, geduldige Slave aber, obgleich dem Andern an Zahl drei¬
fach überlegen und darauf pochend, wagt weniger den offenen Kampf,
als er durch elegische Anklagen, durch Anrufungen des Auslandes,
durch übertriebene Schilderungen seiner Leiden zu wirken sucht; ge¬
wöhnt, sich demüthig zu geberden, thut er es auch im Kampf auf Tod
und Leben. Das ist es, was den Magyar, diesen neuen Götz von
Berlichingen, mit Haß erfüllt und zu den äußersten Mitteln zu trei¬
ben droht. Er weiß, daß sein Volk nur eine Insel ist mitten in ei¬
nem endlosen Meere von Slaven, das nicht mit stürmischen Wogen
seine Felsenbrust schlägt, sondern langsam seine Wurzeln zu unterwüh¬
len und Hinwegzuwaschen sucht. Im Hintergrunde aber steht noch das
griechische Slaventhum Südungarns. Auf diese Slavenstämme ist
von den Serben, Moldauern und Wallachen eine Sympathie für


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[0815] Partei mir ihren Führern getrieben werden. Ein Beispiel gaben die groben Täuschungen, die man sich mit dem an sich achtungswerthen und redlichen Slaven Seur erlaubt hatte; und wir glauben gern, daß die Häupter der Slaven oft selbst die dämonische Hand nicht kennen, die aus dunklen Regionen hervor sie schiebt und leitet. Dies Alles beweis't aber nur, daß dem unseligen Sprachzwist tiefere Dinge zu Grunde liegen, als blinder Fanatismus oder lächerliche Rechtha¬ berei. Beide Theile begehen schweres Unrecht, aber die Südsicwen durch ihre Zwecke selbst, die Magyaren nur durch die Art, wie sie ihre Zwecke verfolgen. Die Magyaren kämpfen im Bewußtsein, daß es sich um ihr Sein oder Nichtsein handelt, die Slaven im Glauben an eine große Zukunft. Jene, bisher die Herren, nicht nur durch Besitz und Stel¬ lung, sondern durch die Ueberlegenheit moralischer Energie, waren von jeher, obgleich nur ein kleines Häuflein, die Seele Ungarns; das Gepräge ihres ritterlichen Charakters war allen Elementen aus¬ gedrückt, deutschen, wie slavischen, die sich aus der Dunkelheit erho¬ ben. Der Umschwung der Zeit hat anderen Elementen Macht gegeben; es ist nicht mehr immer die Gewalt der Persönlichkeit, was in unseren Tagen siegt: die zähe Ausdauer, die kluge Berechnung, das Gewicht der Massen wie der materiellen Interessen, sind mächtiger als der offene Muth und die heldenmüthige Begeisterung. Darum rafft der Magyar all sein Feuer, all seine gebieterische Thatkraft zusammen, und an die Herrschaft gewöhnt, tritt er manchmal zu herrisch auf: der zähe, geduldige Slave aber, obgleich dem Andern an Zahl drei¬ fach überlegen und darauf pochend, wagt weniger den offenen Kampf, als er durch elegische Anklagen, durch Anrufungen des Auslandes, durch übertriebene Schilderungen seiner Leiden zu wirken sucht; ge¬ wöhnt, sich demüthig zu geberden, thut er es auch im Kampf auf Tod und Leben. Das ist es, was den Magyar, diesen neuen Götz von Berlichingen, mit Haß erfüllt und zu den äußersten Mitteln zu trei¬ ben droht. Er weiß, daß sein Volk nur eine Insel ist mitten in ei¬ nem endlosen Meere von Slaven, das nicht mit stürmischen Wogen seine Felsenbrust schlägt, sondern langsam seine Wurzeln zu unterwüh¬ len und Hinwegzuwaschen sucht. Im Hintergrunde aber steht noch das griechische Slaventhum Südungarns. Auf diese Slavenstämme ist von den Serben, Moldauern und Wallachen eine Sympathie für

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/815>, abgerufen am 23.12.2024.